"Von Glamour ist da keine Spur"

Von Interview: Christian Rapp
Carina Witthöft ist in diesem Jahr wieder bei den Australian Open dabei
© getty

Carina Witthöft gilt als das größte Talent Deutschlands - und erlebt trotzdem auch die harte Realität im Tennis-Zirkus. Im Interview spricht die 19-Jährige kurz vor Beginn der Australian Open über einen Schnappschuss mit Roger Federer, ein Training ohne Mitleid und erklärt, warum sie nicht mit ihrem Aussehen überzeugen will.

Cookie-Einstellungen

SPOX: Carina, die Australian Open stehen vor der Tür und Sie sind zum ersten Mal in Ihrer Karriere direkt für das Hauptfeld qualifiziert. Gehen Sie dadurch entspannter an die Sache ran?

Carina Witthöft: Erst mal freue ich mich riesig, wieder dabei zu sein. Aber was heißt entspannter? Ich reise nach Melbourne, um eine gute Leistung abzuliefern. So würde ich an die Qualifikation herangehen, und mit diesem Gedanken werde ich auch in der ersten Runde antreten. Ich möchte immer gewinnen.

SPOX: Im letzten Jahr mussten Sie sich in Melbourne noch durch die Qualifikation kämpfen. In der ersten Runde war zwar bereits Schluss, aber zumindest gab es als Lohn einen kleinen Schnappschuss mit Roger Federer.

Witthöft: Es war etwas Besonderes, ihn zu treffen. Roger ist der beste Spieler der Welt, aber trotzdem super nett und total bodenständig. Er hat sich die Zeit für ein Bild genommen und sich grinsend neben mich gestellt. Ich habe ihn auch beim Training beobachtet. Er hat ständig Witze mit seinen Trainern und Partnern gemacht. Diese Lockerheit ist beneidenswert. Er liebt den Sport immer noch, das erkennt man ganz deutlich.

SPOX: Und wie sieht es mit den Damen im Tennis-Zirkus aus? Sind die auch so locker wie die Männer der Zunft?

Witthöft: Serena Williams habe ich auch nach einem Foto gefragt, aber es war etwas kompliziert und sie war in dem Moment wirklich schwer zu fassen. Aber das ist ok, die großen Spieler und Spielerinnen haben immer viele Verpflichtungen. Vielleicht ein anderes Mal!

Folge Carina Witthöft bei Facebook

SPOX: Wenn man an Spieler wie Federer und Williams denkt, kommen einem neben den Leistungen auf dem Platz auch die großen Galas in den Kopf, die lukrativen Werbeverträge, die besten Hotels. Sie tingeln dagegen durch die Welt und nahmen bisher hauptsächlich an ITF-Turnieren teil. Wie sieht Ihr Alltag aus?

Witthöft: Es kommt darauf an, wo man spielt. In Deutschland sind die ITF-Turniere richtig gut organisiert. Die Unterkünfte und Plätze sind in einem Topzustand. Außerdem sind immer viele Zuschauer vor Ort.

SPOX: Und im Ausland?

Witthöft: Tja, da schaut es manchmal schon anders aus, zum Beispiel in Frankreich oder England. Oft liegen die Anlagen und Hotels fernab vom Schuss. Manchmal muss man zehn Minuten laufen, um überhaupt einen Supermarkt zu finden. Die Unterkünfte an sich sind auch nicht wirklich mit denen in Deutschland zu vergleichen. Dasselbe gilt für die Zuschauerzahlen. Der Alltag kann hart sein, von Glamour und Luxusleben ist da keine Spur.

SPOX: Für die breite Öffentlichkeit sind Sie noch ein relativ unbeschriebenes Blatt. Wie würden Sie Ihre Art, Tennis zu spielen, zusammenfassen?

Witthöft: Ich will Power-Tennis spielen. Von der Grundlinie aggressiv sein und Druck erzeugen, um dann relativ schnell auf den Punktgewinn zu gehen. Ich bin keine Defensivspielerin, das liegt mir nicht im Blut.

SPOX: Mit welcher Topspielerin würden Sie Ihr Spiel vergleichen?

Witthöft: Serena Williams und Maria Sharapova sind meine sportlichen Vorbilder. Von diesen beiden kann sich jede Spielerin eine Menge abschauen. Beide versuchen, das Spiel zu diktieren. Ihre Erfolge der letzten Jahre geben ihnen Recht. So viel kann man also nicht falsch machen, wenn man sich an ihnen orientiert.

SPOX: Sie haben Ihre Stärken beschrieben. Wo ist Ihr Spiel denn noch ausbaufähig?

Withöft: Momentan liegt der Fokus vor allem auf dem Fitnesstraining. In dem Bereich ist der Unterschied zur Weltelite sicherlich noch am größten. Alles Weitere behalte ich für mich. (lacht)

Stan Wawrinka im Interview: "Ich bin kein Superstar"

SPOX: Mit dieser Herangehensweise haben Sie im letzten Jahr einen Riesensprung gemacht, vor allem im Sommer, als Sie eine Reihe ITF-Turniere gewinnen konnten. Sogar ein Erfolg gegen Urszula Radwanska, ein durchaus bekannter Name auf der WTA-Tour, war dabei. Gab es ein Schlüsselerlebnis?

Witthöft: Ehrlich gesagt nein. Beim ersten Turniersieg kam ich einfach in einen Flow, alles erschien auf einmal ganz leicht. Dieses Selbstvertrauen habe ich dann in die nächsten Wochen mitgenommen. Aber ich würde das nicht an einen bestimmten Punktgewinn festmachen. Es war eher eine stetige Entwicklung.

SPOX: Eine Entwicklung, in der Sie einige Trainer getestet haben. Mittlerweile werden Sie wieder von Ihrer Mutter betreut, Ihr Vater macht als Betreuer das Familienunternehmen perfekt. Warum kam es zu dieser Entscheidung?

Witthöft: Ich bin zu der Erkenntnis gekommen, dass es mit meiner Mutter am besten funktioniert - die Ergebnisse bestätigen dies. Ich fühle mich mit ihr an meiner Seite bei Turnieren oder im Training aktuell am wohlsten. Und auf Reisen ist es gut, wenn meine Familie oder Vertrauenspersonen an meiner Seite sind. Nur mit dem Trainer zu reisen, wie es einige andere Spielerinnen machen, wäre nicht mein Ding.

Australian Open, Tag 1: Witthöft steht in Runde zwei

SPOX: Bevor Sie zu Ihrer Mutter zurückkehrten, stagnierten Ihre Leistungen. Was lief damals falsch?

Witthöft: Da haben sicherlich mehrere Faktoren mitgespielt. Ich habe zu der Zeit mein Abitur gemacht, das war recht zeitintensiv. Tennis stand nicht mehr unangefochten ganz oben auf der Liste. Danach habe ich dann genau das Gegenteil erlebt. Ich stand sechs Monate lang fast durchgehend auf dem Platz, das war eine riesige Umstellung für mich, vor allem körperlich. Ich war schlicht etwas überspielt und habe im Trainingsalltag keine feste Struktur gehabt.

SPOX: Was hat gefehlt?

Witthöft: Es waren verschiedene Sachen. Vor allem aber habe ich eine feste Trainingsplanung und Selbstdisziplin gebraucht. Heute trainiere ich in turnierfreien Wochen regelmäßig von montags bis samstags in jeweils zwei langen, intensiven Einheiten. Zusätzlich mache mehrfach in der Woche Fitnessübungen und habe meine Ernährung angepasst.

Seite 1: Witthöft über ein Foto mit Federer, ihre Stärken und das Familienunternehmen

Seite 2: Witthöft über ihren Freund, Bollettieri und ihr Aussehen

Artikel und Videos zum Thema