NFL

Top 5: Die wichtigsten Erkenntnisse aus der Wildcard Round in der NFL

SPOX-Redakteur Adrian Franke blickt zurück auf die Wildcard-Runde.
© getty

Der Start in die Playoffs hatte es in sich: Die Bills müssen deutlich mehr zittern als gedacht, die Jaguars schocken die Chargers. SPOX-Redakteur Adrian Franke blickt zurück auf die Spiele - mit Fokus auf die Verlierer: Wie geht es für sie jetzt weiter? Welche Themen bleiben aus dieser Saison hängen? Und welche Geschichten aus der Regular Season waren in den Playoffs ebenfalls zu sehen?

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1. Der Chargers-Kollaps muss Konsequenzen haben

Man kann zumindest nicht sagen, dass die Chargers nicht mit einem klaren Plan in diese Saison gegangen sind. Auch - oder gar erst recht - nicht nach dem bitteren Aus gegen die Jacksonville Jaguars, eine historische Niederlage; erstmals in der Postseason-Geschichte hat ein Team ein Spiel verloren, das ein Turnover Differential von +5 auf seiner Seite hatte.

Der Plan für diese Saison, und damit irgendwo auch für dieses gesamte Fenster, war dieser: Die Phase, so lange Justin Herbert günstig ist, ausnutzen, um eine dominante Defense aufzubauen. Das sollte die Grundlage sein, um ein Titelfenster aufzustoßen.

Der Gedankengang dahinter ist auf mehreren Ebenen zumindest aus Perspektive der Chargers in sich schlüssig: Brandon Staley ist ein Defense-Head-Coach. Die Chargers wollen eine ballkontrollierte Offense spielen.

Die "defensive" Chargers-Offseason:

Neuzugang

Vertrag/Ablöse

Cornerback J.C. Jackson

5 Jahre, 82,5 Mio. Dollar (40 Mio. garantiert)

DT Sebastian Joseph-Day

3 Jahre, 24 Mio. Dollar (16,5 Mio. garantiert)

DT Austin Johnson

2 Jahre, 14 Mio. Dollar (10,625 Mio. garantiert)

SCB Bryce Callahan

1 Jahr, 1,2 Mio. Dollar (152.500 garantiert)

Edge Kyle Van Noy

1 Jahr, 2,25 Mio. Dollar (750.000 garantiert)

Edge Khalil Mack

2nd Rounder 2022, 6th Rounder 2023

Sie wollen keine Shootouts bestreiten, sondern Spiele kontrollieren, und insofern ergibt diese Strategie schon irgendwo Sinn. Es ist ein merklich anderer Ansatz als das, was Teams wie Kansas City oder Buffalo machen, die immer wieder in das offensive Waffenarsenal investieren, die Speed und Explosivität suchen - die Idee geht eher in die Richtung von dem, was die Packers dieses Jahr versucht haben.

Welche Art Team sollte man für Justin Herbert bauen?

Jetzt könnte man hier eine übergreifende, generalisierende Schlussfolgerung erwarten: Dass dieser Ansatz nicht funktioniert, dass man immer in die Offense investieren sollte, und so weiter.

Und auch wenn ich immer diesen Weg - also Fokus auf die Offense, ein Team aufbauen, dass offensive Shootouts gewinnen kann - wählen würde, mit einem Quarterback wie Justin Herbert, so kann man sicher auch argumentieren, dass man die Defense priorisieren und auf diese Art und Weise in den Playoffs gewinnen kann.

Was bei den Chargers aber viel mehr negativ auffällt als die generelle Fokussierung auf die Defense, ist die Tatsache, dass sie bewusst ein Team gebaut haben, das enge Spiele gewinnen soll - statt eines, das mit einem Top-5-Quarterback-Talent Spiele dominieren soll.

Und das liegt an der Art und Weise, wie Staley sich seine Offense vorstellt - und wofür er Joe Lombardi als, zugegebenermaßen passenden, Architekten auserkoren hat.

Chargers bauen eine Offense ohne Explosivität

Es ist eine Offense, die Spiele kontrollieren soll. Die Chargers haben über mehrere Offseasons die Offensive Line priorisiert, mit Corey Linsley, dem teuren Free-Agency-Neuzugang, sowie Rashawn Slater und Guard Zion Johnson, den beiden Erstrunden-Picks 2021 und 2022.

Ihr bester Receiver ist Keenan Allen, ein in die Jahre gekommener, aber noch immer guter Slot-Receiver - dessen Qualität mehr das Chain-Moving und der Possession-Receiver ist. Austin Ekeler ist ein fantastischer (Receiving-)Back, eine echte Matchup-Waffe im Passspiel. Aber er ist kein dynamischer Spieler, als Runner nicht, und auch nicht nach dem Catch.

Was die Chargers aufgebaut haben, ist eine Offense, die wenig Spielraum für Fehler hat, die immer wieder lange Drives hinlegen muss. Doch für diese Spielweise kreieren die Chargers zu wenig nach dem Catch und sie haben zu wenig schematische Antworten.

Das Ergebnis sind dann Spiele wie das gegen die Jaguars: In denen der Gegner anfängt, die Routes für die Receiver zu laufen. In denen niemand offen ist. Und dann das Run Game als Floor zu verwenden, was Lombardi und auch Staley offensichtlich als essenzielle Säule betrachten, das hat für die Chargers in den letzten Jahren nie funktioniert. Auch weil die Line dafür nicht gut genug ist.

Selbst als die Chargers in der ersten Hälfte gegen Jacksonville deutlich führten, kam das vor allem dank der zahlreichen Jaguars-Turnovers zustande. Los Angeles hätte hier keine Wunderdinge vollbringen müssen, nachdem man das Spiel auf dem Silbertablett serviert bekommen hatte. Doch die Chargers bewegten den Ball in dieser Partie viel zu selten konstant gut, und während sich Jacksonvilles Offense anpassen konnte, konnte man das einmal mehr über die Chargers nicht sagen.

Chargers: Die Offense hat versagt

Aber hier kommt man auch zu einem ganz kritischen Knackpunkt, wenn es darum geht, diese Chargers-Saison zu evaluieren, und gleichzeitig die Weichen für die nächsten Schritte zu stellen: Wenn man eine solche Offense spielen will, in der der Quarterback ein High-Level-Ballverteiler sein muss - und Justin Herbert kann das -, dann muss man schematische, aber auch individuelle Antworten liefern können.

Beides haben die Chargers in dieser Saison nicht geschafft. Die Offense beendete die Regular Season in puncto Success Rate auf Platz 18, hinter unter anderem den Steelers, den Falcons, den Saints und den Ravens, die signifikante Teile der Saison mit dem zweiten - und teilweise dritten - Quarterback spielen mussten.

Der Mangel an Explosivität war omnipräsent, genau wie der Mangel an Antworten. Umso mehr gegen die Jaguars, als mit Mike Williams die eine verlässliche Big-Play-Waffe fehlte.

Hier ist der Plan, welchen die Chargers in dieser Saison verfolgt haben, gescheitert. Die Defense hat ihren Teil erfüllt, maßgeblich durch eine klare Leistungssteigerung im letzten Saison-Drittel: Ab Woche 12 belegten die Chargers defensiv Platz 5 in Expected Points Added pro Play, Platz 6 in Success Rate, Platz 2 in Dropback Success Rate.

Kann Brandon Staley auch Head Coach?

Staley kann Defense coachen, das hat er gezeigt; dieses Jahr in meinen Augen am eindrucksvollsten, weil er sich umstellen musste und weil er mehrere gravierende Ausfälle kompensieren musste.

Was er bisher nicht gezeigt hat, ist, dass er ein guter Head Coach sein kann. Die Entscheidung, im bedeutungslosen Week-18-Spiel die Starter spielen zu lassen, hat sich mit dem Ausfall von Mike Williams massiv gerächt. Auch sein medialer Umgang mit der Situation im Anschluss.

Sein Game Management in der Vorsaison hatte eine klare Linie, dieses Jahr wirkte er zunächst - vermutlich mit der Idee einer dominanten Defense im Kopf - deutlich konservativer, im Laufe der Saison war es zunehmend schwierig, eine klare Linie zu erkennen.

Die größte Head-Coach-Probe - davon ausgehend, dass die Chargers ihn weiter in dieser Rolle behalten - erwartet ihn jetzt aber zum Start der Offseason.

Wenn ein Plan so krachend scheitert, muss das Konsequenzen haben. In meinen Augen muss Staley als Head Coach mindestens angezählt sein. Vor allem aber muss er sich jetzt selbst dahingehend hinterfragen, ob die Idee der Offense, die er für dieses Team hatte, nicht die falsche Idee war. Und ob Joe Lombardi nicht so oder so der falsche Coach ist, um eine Contender-Offense aufs Feld zu bringen.

In eine weitere Saison mit Joe Lombardi als Offensive Coordinator zu gehen, muss in jedem Szenario vom Tisch sein. Wenn diese Saison aus Chargers-Sicht irgendeinen Takeaway bieten sollte, dann ist es dieser.

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