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Top 5: Die wichtigsten Erkenntnisse aus der Wildcard Round in der NFL

SPOX-Redakteur Adrian Franke blickt zurück auf die Wildcard-Runde.
© getty
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5. Die Ravens stehen vor einer wegweisenden Offseason

Als sich die Ravens zum Ende der Regular Season mit großer Mühe in die Playoffs schleppten, wurde das für mich ein Team mit drei übergreifenden Storylines, welche die laufende Saison in Baltimore, aber auch die Zukunft der Ravens prägen.

  • die Ravens-Defense hat sich fantastisch entwickelt im Laufe der Saison. Baltimore hat hier nach dem Coordinator-Wechsel in der Offseason eine komplett neue Identität entwickelt und spielt deutlich flexibler. Baltimore reiht sich für mich hinter den 49ers gemeinsam mit den Patriots als Top-Defense dieser Saison ein.
  • die eklatanten Probleme im Waffenarsenal sind bereits seit einer Weile ein Thema in Baltimore. Nachdem sich die Ravens in der Offseason von Marquise Brown getrennt, und dann Rashod Bateman verletzungsbedingt verloren haben, fehlte nahezu komplett die Qualität auf den Skill-Positions, um auf Playoff-Level zu spielen.
  • die Situation um Lamar Jackson wurde immer dubioser. Aus einer Verletzung, die Jackson in erster Prognose nicht länger als drei Wochen außer Gefecht setzen sollte, wurde eine längerfristige Geschichte. Und je mehr Wochen verstrichen, desto genervter wurde Coach John Harbaugh, wenn er Fragen zu Jackson beantworten musste.

Vielleicht interpretiere ich hier zu viel rein, das ist ganz bestimmt möglich. Aber mit der offenen Vertragssituation im Hinterkopf war es eine Situation, die zumindest mal angespannter wirkte, je mehr Zeit verging.

Insider Ian Rapoport vermeldete bereits vor dem Playoff-Start, dass sich die Ravens nach dem Ende der Saison mit Jackson wieder an den Verhandlungstisch setzen wollen.

Dabei gibt es mehrere Hindernisse: Jackson vertritt sich selbst, das heißt, hier gibt es keinen Agenten als potenziellen Puffer zwischen Team und Spieler. Auch ist es ein offenes Geheimnis, dass er viel garantiertes Geld sehen will, vielleicht sogar einen voll garantierten Vertrag.

Die Ravens-Offense steht vor einer Zäsur

Selbst wenn wir über diese Hürden, die nicht gerade klein sind, und die Jacksons Zukunft in Baltimore durchaus gefährden könnten, mal hinausgehen: Selbst rein sportlich betrachtet fühlt sich diese Saison auf der offensiven Seite des Balls wie eine Zäsur an.

Natürlich wäre es eine komplette Zäsur, sollten sich die Ravens dazu entscheiden, Jackson zu traden. In dem Szenario würde Jackson den Franchise Tag bekommen und dann würde es fraglos ein wildes Wettbieten auf dem Markt geben - während sich die Ravens mit einem Draft-Pick-Haul dann nach einem neuen Quarterback umschauen würden.

Aber eine Zäsur war es in meinen Augen, weil nicht zuletzt die Phase ohne Lamar Jackson überdeutlich unterstrichen hat, wie groß die Defizite in dieser Offense sind. Das betrifft das Play-Calling und die generelle offensive Struktur, es betrifft aber eben auch die individuelle Receiver-Qualität.

Hier hat man letztlich darauf gesetzt, dass Mark Andrews nahtlos an seine dominante Vorsaison anknüpfen kann, und dass Rashod Bateman den Schritt zum Nummer-1-Receiver hinlegen kann. Dermaßen auf den absoluten Best Case zu hoffen, in einem Scheme, das nachweislich Schwierigkeiten damit hat, offene Receiver zu designen und einen schematischen Floor im Passspiel zu bereiten, war eine äußerst riskante Strategie, gelinde gesagt.

Ravens untermauern ihre Qualität gegen Cincinnati

Der Teil der Strategie, der voll ins Schwarze getroffen hat, ist der defensive Aspekt und das war selbst beim Playoff-Aus gegen die Bengals deutlich sichtbar: Die Ravens stoppten Cincinnatis Run Game und setzten Joe Burrow sehr konstant unter Druck, mal mit dem Blitz, mal mit gut designten Pass-Rush-Konzepten.

Den Ravens auf dieser Seite des Balls zuzuschauen hat nahezu die ganze Saison über Spaß gemacht, und das Spiel am Sonntagabend war da keine Ausnahme. Letztlich spielte man auch gegen einen außergewöhnlichen Quarterback, und Joe Burrow zerlegte dieses Mal die Split-Safety-Coverages der Ravens, etwas, womit er in beiden Regular-Season-Spielen so seine Mühe hatte.

Dass die Ravens hier bis zum Schluss im Spiel waren, und dass der am Ende spielentscheidende Touchdown ein 98-Yard-Fumble-Return der Bengals-Defense war, als die Ravens drauf und dran waren, ihrerseits in Führung zu gehen, untermauert, wie gefestigt dieses Ravens-Team ist. Auf der anderen Seite war der 41-Yard-Touchdown-Pass auf Demarcus Robinson zum Ausgleich beim Drive davor der erste Versuch von Huntley in diesem Spiel überhaupt, einen Ball tiefer als zehn Yards zu werfen.

Will sagen: Die Ravens konnten den Ball besser laufen als ich das gedacht hatte, die Offensive Line gab Huntley häufig eine saubere Pocket, aber die Explosivität im Passspiel, die permanente Gefahr, das ist für Baltimore in seinem aktuellen Setup ohne Lamar Jackson schwer zu kreieren.

Ravens: Der Weg zum Titelanwärter ist nicht so weit

Ich denke, dass die Ravens bei beiden Aspekten ansetzen müssen: Auch wenn diese Offense anders funktioniert, auch wenn sie mit Lamar Jackson immer Run-heavy sein werden, brauchen sie mehr individuelle Qualität im Passspiel, um wirklich nach einem Titel zu greifen.

Und ich würde auch klar dafür plädieren, dass die Offense in ihrer aktuellen Variante ihr Limit erreicht hat. Mit der Verletzung von Lamar Jackson wäre dieses Jahr vermutlich so oder so kein tiefer Playoff-Run drin gewesen; gleichzeitig sehen wir gerade in diesem Jahr auch andere Teams, die mit Backup-Quarterbacks weit mehr als nur eine funktionale Offense aufs Feld bringen.

Für die Ravens liegt der einzige Plan B im Run Game, was aber ohne Jackson selbstredend auch eine kritische Dimension verliert.

Mit dem, was in Baltimore auf der defensiven Seite des Balls entsteht, können die Ravens weit kommen. Mit den Qualitäten von Lamar Jackson können sie weit kommen. Jetzt ist es an der Zeit, der Offense die Struktur und die qualitative Hilfe zu geben, damit auch sie ihren Teil beitragen kann.

Zunächst aber muss die Jackson-Frage selbst beantwortet werden. Wir wissen natürlich nicht, was alles hinter den Kulissen abgeht, aber rein sportlich ist ein Quarterback wie Lamar Jackson in seiner Prime ein Spieler, den ich niemals abgeben würde. Für mich liegt der Weg für Baltimore darin, ein besseres offensives Supportsystem um Jackson herum aufzubauen - und nicht darin, eine komplett neue Offense zusammenzustellen.