These: Die Bulls sind das gefährlichste Team im Osten
Philipp Dornhegge: Im Moment sieht es so aus, oder? Ohne Derrick Rose haben viele Spieler die Chance, sich zu zeigen und zu entwickeln. Ich bin trotzdem nicht überzeugt davon, dass Chicago mit dieser Truppe ohne Rose in den Playoffs etwas reißen könnte. Und obwohl man erwarten darf, dass er in Kürze wieder mitmacht, finde ich es ganz schwierig zu sagen, was für einen Derrick Rose wir dann sehen werden. Vielleicht braucht er Monate, ehe er an seine alte Form anknüpfen kann. Vielleicht erreicht er sie nie mehr. Man könnte es ihm nicht verübeln, wenn er anfangs mit angezogener Handbremse spielt. Aber was passiert dann mit dem Team: Leidet es vielleicht sogar unter Rose, weil die anderen gehemmt sind? Das sind mir alles zu viele Fragezeichen. Eine ähnliche Situation findet man in Indiana: Auch hier fehlt der Star, die anderen Spieler können reifen. George Hill und Paul George sind in den letzten Wochen richtig stark in Form, nur Roy Hibbert kommt nicht so recht in die Gänge. Dafür ist die Defense mit die beste der Liga. Und: Mit Danny Granger gibt es einen Go-to-Guy, der zwar ebenfalls ausfiel, aber einige Vorteile gegenüber Rose hat: Seine Verletzung ist weniger schlimm, sein Spiel ist nicht so von der Athletik abhängig. Granger dürfte es leichter fallen, wieder seinen Rhythmus zu finden. Aktuell sieht es so aus, als wären die Heat und Knicks die Teams to beat. Aber danach kommen für mich, wenn wir auf die Playoffs zugehen, die Pacers. Meinen ursprünglich festen Glauben an Boston erschüttern die Celtics mit jedem Spiel aufs Neue, auch den Nets traue ich nicht viel zu.
Florian Regelmann: Ich habe großen Respekt vor der Arbeit von Tom Thibodeau. Was der aus den Belinellis und Nate Robinsons dieser Welt herausholt, ist bemerkenswert. Und die All-Around-Saison, die Joakim Noah spielt? Wahnsinn. Wenn Rose zurückkommt, will gegen Chicago niemand spielen, das ist völlig klar. Das gefährlichste und aktuell einfach auch das beste Team im Osten sind aber die Knicks. Und das liegt nicht in erster Linie an Carmelo Anthony, auch wenn der zweifellos seine Aufgabe als Franchise-Player grandios erfüllt. Die beiden Gründe, warum die Knicks so gut sind, warum sie ein Titelkandidat sind, heißen Backcourt und Center. In der letzten Saison hatten die Knicks ein großes Problem: Turnover. Kein Team schmiss so häufig den Ball weg. Und jetzt sind sie die Nummer 1, was das Vermeiden von Turnover betrifft. Der Backcourt mit zwei Einsern, Raymond Felton und Jason Kidd, funktioniert formidabel. Kidd, lustigerweise ganz im Gegensatz zu früher, ist jetzt der reinste Spot-Up-Shooter, den man finden kann. Und Felton ist auch der Typ Schütze. Entweder Isolation Play mit Melo oder Pick'N'Roll mit Felton/Kidd und Tyson Chandler. Wobei wir bei meinem Top-5-MVP-Kandidaten der laufenden Saison sind: Nicht Melo, sondern Chandler (70 Prozent FG!). Es gibt durchaus Parallelen zum Championship-Run der Mavs mit Chandler. Der einzige kritische Punkt heißt für mich Amare Stoudemire. Wird er eine Bankrolle akzeptieren? Am Anfang bestimmt noch, aber wie lange passt das mit seinem Selbstverständnis zusammen? Coach Mike Woodson hat bis jetzt immer die richtigen Knöpfe gedrückt, ich bin gespannt, wie er die Amare-Situation meistert.
Haruka Gruber: Naja, New York ist wirklich klasse, aber zu stark sollte man sie auch nicht reden. Im November, Dezember gab es schon häufig Teams, die über ihre Verhältnisse gespielt haben - und zu den Playoffs hin von den Mannschaften überholt wurden, die sich im Laufe einer Saison stetig verbessern. Mir fehlt im Knicks-Kader dann doch die Substanz. Anders als eben Chicago. Die Mavs sind ohne Dirk Nowitzki unter ferner liefen, die Bulls sind ohne Derrick Rose das viertbeste Ost-Team mit aufsteigender Tendenz. Wahnsinn, dass jetzt schon darüber spekuliert wird, dass Nate Robinson trotz seiner guten Leistungen entlassen werden könnte, weil Rose zurückkehrt und Rookie Marquis Teague so stark spielt. Ich stelle mir nur Mitte April vor: Rose ist nach 4 Monaten und 40 Regular-Season-Spielen vielleicht nicht bei 100 Prozent, aber bei 85, 90 Prozent. Dazu Noah in der Form seines Lebens, Deng als Scottie-Pippen-Verschnitt, Carlos Boozer und Rip Hamilton als nette Beigaben in der Starting Five. Und von der Bank kommen Taj Gibson, Kirk Hinrich, Marco Belinelli, Teague, vielleicht Robinson. Dazu angeleitet von Thibodeau, unter dem jeder Spieler genau weiß, was er zu tun und zu lassen hat. Klingt für mich ziemlich angsteinflößend für jedes Ost-Team, selbst für die Heat.
Timo Böckenhüser: Nope, auf keinen Fall! Das erste Saisondrittel hat gezeigt, dass sie ohne Rose nur die Hälfte wert sind. Versteht mich nicht falsch: Ich mag die Truppe, ihre Leidenschaft und ihren Einsatz in der Verteidigung, aber es mangelt ihr in der Offense schlichtweg an Waffen, um ein Wörtchen im Titelkampf mitzureden. 92,8 Punkte sprechen eine deutliche Sprache - nur die Wizards, Magic, Hornets und Pacers scoren weniger, das sagt alles! Der Plan, Rose' Ausfall als Kollektiv zu kompensieren, in allen Ehren, aber der Kader ist nicht stark genug, um die Schwergewichte Miami und Boston sowie die wiedererstarkten Knicks zu gefährden. Hut ab vor Noahs Entwicklung und Dengs konstant guten Leistungen. Was Chicago fehlt, sind weitere konstant zuverlässige Optionen, die ihnen Abend für Abend 15 bis 20 Punkte liefern. Und das Wichtigste: ein Floor General, der in der Crunchtime das Heft an sich reißt. Hinrich, Hamilton, Belinelli und Robinson sind keine Leader. Und Mittelmaß auf der Aufbauposition ist immer problematisch. Sprich: So lange Rose verletzt ist, sind die Bulls ein gutes, aber kein sehr gutes Team, das den Favoriten gefährlich wird! Mit der Rückkehr ihres Superstars kann sich das aber schnell ändern, denn einen starken Supporting Cast hat Chicago. Eben nur keinen Leader, der den Unterschied macht.
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