Landgraf: "Boah ey, ich hab' erste Liga gespielt!"

Von Interview: Marcus Erberich
Willi Landgraf hält in Deutschland den Rekord für die meisten Spiele in der 2. Liga
© Getty

In seiner aktiven Karriere hat Willi Landgraf 508 Mal in der 2. Bundesliga gespielt, aber nicht ein einziges Mal in der ersten. Trotzdem - oder gerade deswegen - ist der 43-Jährige jedem ein Begriff. Im Interview spricht Landgraf über Trainerarbeit mit dem Nachwuchs, seinen Spitznamen "Kampfschwein" und Pommes mit Currywurst.

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SPOX: Herr Landgraf, wobei störe ich Sie denn gerade?

Willi Landgraf: Beim Kochen.

SPOX: Was gibt's denn?

Landgraf: Meine Tochter ist Vegetarierin, die kriegt Gnocci mit Tomaten-Sahnesoße.

SPOX: Was machen Sie, wenn Sie nicht gerade kochen?

Landgraf: Ich leite zusammen mit einem Kollegen das Internatsheim bei uns auf Schalke und bin Trainer der U 15.

SPOX: Und das läuft gut?

Landgraf: Ja. Mit der Truppe spielen wir in der höchsten Klasse und haben im Vorjahr auch zweimal gegen Dortmund gewonnen - und dann ist auf Schalke ja eh alles gut. Außerdem sind wir Westfalenpokalsieger geworden und haben auch dort den BVB geschlagen. Das ist für die Jungs und für uns Trainer eine schöne Auszeichnung.

SPOX: Sehen wir Sie auch irgendwann als Trainer in der Bundesliga?

Landgraf: Das ist auf jeden Fall mein Ziel. Ziele muss man haben. Aber es ist auch sehr wertvoll, in den unteren Bereichen zu arbeitenl.

SPOX: Haben Sie den Trainerschein schon?

Landgraf: Ja, ich habe bis zum A-Schein alles gemacht, es fehlt nur noch der Fußballlehrer. Den will ich nächstes Jahr machen. Mein Ziel ist jedenfalls die Bundesliga, ob als erster oder zweiter Mann, kann ich noch nicht sagen. Man muss gucken, dass man sich im Jugendbereich einen guten Namen macht. Ich glaube, dass ich da auf einem guten Weg bin. Alles andere kommt dann von alleine. Man muss ehrliche Arbeit abliefern.

SPOX: Haben Sie ein Trainer-Vorbild?

Landgraf: Ja, meinen ehemaligen Coach Dieter Hecking. Der lässt Offensivfußball mit Pressing spielen. Das liebe ich und will ich auch spielen lassen.

SPOX: Könnten Sie sich vorstellen, als Co-Trainer von Hecking zu arbeiten?

Landgraf: Natürlich, aber dann müsste man ja Co-Trainer Dirk Bremser rausschmeißen. Und das möchte ich nicht, weil ich sie ja alle so gern habe (lacht).

SPOX: Als was für einen Typ Trainer würden Sie sich bezeichnen?

Landgraf: Vielleicht gehöre ich zu einer neuen Trainergeneration. Ich lege großen Wert auf Disziplin, nehme aber auch viele neue Sachen mit auf. Man hat schließlich nicht nur elf Mann dabei, sondern noch zwanzig andere, mit denen man sprechen muss und denen man sein Vertrauen geben muss. Das ist für mich wichtig. Trotzdem wird nach meiner Pfeife getanzt. Ich höre mir viele Sachen an, aber die Linie gebe nur ich vor und kein anderer. Das ist ein bisschen so wie guter Cop, böser Cop. Ein Mittelweg aus Disziplin und Vertrauen, aus Schleifer und Kumpeltyp.

SPOX: Vermissen Sie das Leben als Profifußballer gar nicht mehr?

Landgraf: Nein. Davon bin ich absolut weg. Ich spiele schon ab und zu noch bei der Schalker Traditionsmannschaft und bald auch gelegentlich beim VfB Bottrop. Aber man ist mit den Jugend-Mannschaften echt richtig ausgelastet. Da ist man am Wochenende unterwegs, hat viermal die Woche Training und dann kommt noch das Internatstraining dazu. Man muss zudem Spieler beobachten und suchen. Das machen wir ja alles selbst.

SPOX: Bereuen Sie nicht ein wenig, ausgerechnet nach dem Aufstieg mit Alemannia Aachen Ihre Karriere beendet zu haben?

Landgraf: Nein, da bin ich ehrlich: Ich bin kein Spieler, der sich auf die Bank setzt, nur um zu sagen 'Boah ey, ich hab' erste Liga gespielt!' Dann gehe ich lieber einen Schritt zurück und fahre jeden Morgen mit guter Laune zum Training. Da kann ich den Jungs auch noch etwas beibringen.

SPOX: Sie haben den Spitznamen "Mister zweite Liga". Schmeichelt Ihnen das?

Landgraf: Auf jeden Fall! Außerdem habe ich ja nicht nur in der zweiten Liga die meisten Spiele gemacht, sondern auch sechs UEFA-Cup-Spiele und stand im DFB-Pokal-Endspiel. Da muss mir mal jemand einen Spieler bringen, der das von sich behaupten kann.

SPOX: Und was ist mit "Kampfschwein"? Der war ja noch häufiger zu hören.

Landgraf: (lacht) Richtig. Das ist doch eine schöne Auszeichnung. Da steckt eben drin, dass ich viel arbeite, viel kämpfe und nie aufgebe. Das ist ja auch eine Auszeichnung, auch wenn es sich nicht unbedingt schön anhört. Wichtig ist, dass man überhaupt einen Spitznamen hat.

SPOX: Woher kommt diese Malocher-Einstellung bei Ihnen?

Landgraf: Das ist eben meine Mentalität, das hat man im Blut und kann man nicht lernen. Das ist auch ein Talent: Der unbedingte Wille, das Spiel zu gewinnen. Oder im Leben mit Situationen fertig zu werden, die nicht so schön sind. Immer um den Aufstieg zu spielen, ist einfach. Gegen den Abstieg zu spielen und jedes Spiel gewinnen zu müssen - das prägt. Das habe ich wohl von meinem Vater geerbt. Der hat auch immer alles aus sich heraus geholt und nie aufgesteckt - obwohl er nie etwas mit Fußball zu tun hatte.

SPOX: Bei der heutigen Generation gibt es Fußballer, die auch gerne mal nach einem Tor das Trikot küssen und ein paar Monate später für einen anderen Verein spielen. Nicht Ihr Ding, oder?

Landgraf: Man sollte sich das mit dem Trikot küssen sparen. Im Fußball geht alles so schnell, da weiß man nie, wie lange man für den Verein spielt. Darum halte ich von solchen Aktionen nicht viel. Heute ist es ja normal, dass man ein halbes Jahr für einen Verein spielt und dann wieder weg ist.

SPOX: Wie sah es zu Ihrer Zeit mit der Vereinstreue aus?

Landgraf: Das war schon üblicher als heute. Damals wurde auch noch nicht so viel bezahlt wie heute, es ging ja nur um 1000 Euro mehr oder weniger. Da hat man sich schon zweimal überlegt, ob man nicht lieber für einen Traditionsverein anstatt für einen mit viel Geld spielt. Am Ende denkt sowieso jeder nur an sich. Ich verurteile deshalb niemanden, der den Verein des Geldes wegen wechselt.

SPOX: Was machen Sie eigentlich, wenn Sie mal nicht arbeiten?

Landgraf: Ich treibe viel Sport und fahre gerne Fahrrad. Die Kinder sind schon groß und machen ihr eigenes Ding. Ich gehe auch gerne mit meiner Lebensgefährtin essen. Ich koche zwar gerne, aber ich bin auch ein Fan von leckerem Essen.

SPOX: Also keine Pommes rot-weiß mehr?

Landgraf: Doch. Ich esse immer noch gerne Pommes mit Currywurst. Nur: Ab einem gewissen Alter muss man schon ein bisschen auf seine Linie achten. Ich will ja als Fußball-Trainer auch Vorbild für meine Jungs sein.

Willi Landgraf im Steckbrief

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