SPOX: Herr Werner, Sie spielten in Junioren-Nationalmannschaften, schafften es aber nie in die A-Nationalmannschaft. Das hing eng mit einer Zeichnung von Ihnen zusammen.
Mike Werner: Das ist damals dumm gelaufen (lacht). Ich glaube, ich war 16 Jahre alt. Ich war nie der beste und aufmerksamste Schüler. Als ich mal wieder Langeweile hatte, habe ich im Unterricht ein Bild gemalt. Ich zeichnete eine Mauer und schrieb daneben "Udo Lindenberg" und unter drunter noch "Die Mauer muss weg".
SPOX: Das ging damals natürlich gar nicht.
Werner: Richtig. Das Bild habe ich in eines meiner Hefte getan. Es gab einen Offizier, der wissen wollte, wie ich in der Schule mitgearbeitet habe. Ich habe vergessen, das Bild aus dem Heft zu nehmen. Er hat das Heft kontrolliert, nahm es mir weg und hat das natürlich direkt weitergeleitet. Die dachten, ich wollte flüchten, dabei war das nur eine Spaß-Zeichnung. Ich war eben Lindenberg-Fan. In der Folge wurde ich für alle internationalen Fahrten gesperrt. Dadurch habe ich die U-17-Europameisterschaft verpasst.
SPOX: Den Großteil Ihrer Karriere verbrachten Sie bei Hansa Rostock und sind dort letzter Meister und Pokalsieger der DDR geworden. Sind Sie stolz, Geschichte geschrieben zu haben?
Werner: Das war schon etwas Außergewöhnliches. Uns wurde natürlich erst im Nachhinein bewusst, dass diese Titelgewinne eine historische Dimension annahmen. Gut erinnern kann ich mich dabei vor allem an die Feier.
SPOX: Weshalb?
Werner: Ich hatte damals keinen Führerschein, sondern nur ein Motorrad, weil ich überzeugter Motorradfahrer war. Wir haben einen Autocorso gemacht und ich wurde von Teamkollegen gefragt, ob ich bei Ihnen mitfahren will. Das habe ich aber verneint, weil ich mit dem Motorrad fahren wollte. Schlussendlich war ich der einzige, der mit einer "MZ" ins Stadion eingefahren ist. Darauf habe ich bestanden.
SPOX: In der Bundesliga kamen Sie nur auf zwei Einsätze. Können Sie sich noch an Ihr erstes Spiel erinnern?
Werner: Klar, das war auf Schalke, wir lagen 0:3 hinten, haben 0:5 verloren und ich kam für Juri Schlünz ins Team. Heiko März wurde nach vorne beordert und ich durfte als Jungspund in die Abwehr.
SPOX: Sie klingen dabei nicht gerade erfreut.
Werner: Das war auch total doof von Trainer Uwe Reinders. Was will ich da als junger Spieler überhaupt machen, es stand ja schon 0:3. In der Abwehr herrschte reinstes Chaos. Wie sollte ich da als junger Spieler noch Ruhe reinbringen? Das geht ja gar nicht.
SPOX: In Ihrem zweiten Spiel kam es dann zur Tragödie.
Werner: Ich zog mir im Spiel gegen Dortmund nach einer guten halben Stunde bei einem Zweikampf mit Knut Reinhardt einen Kreuzbandriss zu. Mir war gleich klar, dass das eine größere Geschichte wird.
SPOX: Wie ging es dann für Sie weiter?
Werner: Als ich das erste Mal in Berlin operiert wurde, dachte ich noch, dass ich das durchstehen würde. Es haben sich aber Schleimbeutel gebildet, die Gelenkflüssigkeit ist nicht mehr ordentlich zurück gekommen und ich bekam immer größere Probleme. Ich wurde noch zwei weitere Male operiert, aber irgendwann war dann Ebbe. Ich habe damals gar nicht realisiert, was das für mich bedeutet.
SPOX: Was bedeutete es denn genau?
Werner: Erst habe ich ein Jahr lang gar nichts gemacht. Danach habe ich mich dem TSV Graal-Müritz als Sportinvalide angeschlossen und unterklassig ein bisschen weiter gekickt.
SPOX: Wie schwer war es, wieder Fuß zu fassen?
Werner: Die Angst, dass noch mehr passiert, hat immer mitgespielt. Viel spielte sich damals im Kopf ab. Ich konnte nicht mehr so spielen wie früher. Sobald man etwas mehr gemacht hat, hat sich sofort das Knie gemeldet.
SPOX: Sie hörten im Mai 2005 beim PSV Ribnitz-Damgarten endgültig auf. Was waren letztendlich die Gründe für Ihr Karriereende?
Werner: Ich bin zuvor noch von Graal-Müritz zur TSG Neustrelitz gewechselt. Dort sind wir in die Oberliga aufgestiegen. Von dort bin ich zum PSV. Ich habe dort quasi nur aufgehört, weil sie keinen Trainer mehr hatten.
SPOX: Wieso haben Sie dann nicht den Spielertrainer gemacht?
Werner: Das wollte ich nicht. Ich finde, dass das keinen Sinn macht.
SPOX: Der Erfolg als Trainer gibt Ihnen ja recht.
Werner: So ist es. Ich habe die Mannschaft in der Bezirksklasse übernommen, mittlerweile spielen wir in der Landesliga. Dort sind wir derzeit Zweiter, nur drei Punkte hinter dem Ersten. Wir haben also gute Chancen, in die Verbandsliga aufzusteigen.
SPOX: Wann sieht man Sie im Profibereich?
Werner: Ich werde das auf mich zukommen lassen. Ich wollte mir erstmal alles anschauen. Aber ich bin gewillt, dass es irgendwann noch ein paar Klassen höher geht. Ich habe die C-Lizenz und will bald die B-Lizenz angehen.
SPOX: Dabei wünsche ich viel Erfolg. So, Herr Werner, dann kommen wir mal zum Wesentlichen.
Werner: Die Frisur, oder?
SPOX: So sieht's aus. Dank ihr sind Sie wohl einer der bekanntesten Bundesligaspieler. Nervt es Sie, dass man Sie heutzutage nur mit Ihrer Matte in Verbindung bringt?
Werner: Auf keinen Fall. Ich habe die Frisur ja nicht absichtlich deswegen getragen. Das war aus voller Überzeugung, ich fand die Matte einfach geil.
SPOX: Kaum zu glauben.
Werner: Ich war ja nicht der einzige. Ich wollte einfach nicht so rumlaufen, wie die anderen. Wenn man vor dem Spiegel steht und sich schön findet, wieso sollte man dann seine Frisur ändern? Ich bin zudem auch jahrelang mit Cowboystiefeln herumgelaufen. Das hat sich auch bis heute nicht geändert (lacht).
SPOX: Hat Sie keiner davon abhalten können?
Werner: Ich wollte mir von keinem reinreden lassen. Uwe Reinders hat es mal probiert. Der sagte, wenn du die Matte nicht abschneidest, spielst du nicht. Das war mir aber egal.
SPOX: Ihre Kinder kennen bestimmt das berühmte Panini-Bild. Was sagen die denn dazu?
Werner: Mein Sohn ist total stolz drauf. Das Panini-Bild habe ich aber kurioserweise nicht mehr. Wir haben damals auch keine für den Eigenbedarf bekommen. Ich hatte die Bilder nur, weil sie mir Bekannte zugeschickt haben. Mittlerweile habe ich die aber alle verschenkt.
SPOX: Wie sieht es denn im Alltag aus, gibt es da noch irgendwelche abfällige Bemerkungen?
Werner: In meiner Mannschaft sind schon einige Lästerbuben, die machen sich da ab und an drüber lustig. Damit habe ich aber keine Probleme.
SPOX: Wie entstand die Frisur überhaupt?
Werner: Mit 13 oder 14 bin ich zu Frankfurt/Oder gekommen, das war ein Armeesportverein. Dort hieß es immer: Haare kurz, keine Ohrringe. Irgendwann kam zwar die Zeit, da haben sie mit Pflaster verklebte Ohrringe geduldet, aber die bösen Buben, zu denen ich auch gehörte, wurden schlussendlich alle aus dem Verein geworfen.
SPOX: Aber ohne Matte?
Werner: Richtig. Ich bin daraufhin zu Motor Eberswalde gegangen. Da habe ich mir gesagt: Ab jetzt trage ich lange Haare, komme was wolle. Und so ist die Frisur entstanden. Da habe ich mir nichts mehr sagen lassen.
SPOX: Haben Sie eigentlich auch mit anderen Accessoires wie Farbe oder Tönungen experimentiert?
Werner: Strähnchen habe ich ausprobiert. Das war damals noch extrem selten.
SPOX: Inwiefern war die Frisur so etwas wie Rebellion gegen den Staat?
Werner: Alles, was man uns verboten hat, wollte man danach aufleben zu lassen. Wir durften ja etliche Jahre nicht das machen, was wir wollten. Als dann die Zeit kam, in der wir all das tun durften, haben wir es natürlich auch sofort gemacht. Rebellion passt da schon. Man muss auch sehen, dass in der DDR damals viele Menschen den gleichen Haarschnitt hatten.
SPOX: Können Sie verstehen, dass die Vokuhila-Frisur heutzutage wieder hervorgekramt wird?
Werner: Absolut. Ich finde das hübsch, immer noch. Die Frisur kann aber auch nicht jeder tragen. Für mich ist das ein anderer Stil und daher auch vollkommen in Ordnung. Wenn manche Leute darüber lästern wollen, sollen sie ruhig lästern.
SPOX: Erstaunlich ist es aber doch: Die einen machen sich über die Frisur lustig, die anderen tragen auch heute wieder Matte.
Werner: Ich würde zuallererst die Leute fragen, die sich darüber lustig machen, wieso sie das überhaupt tun.
SPOX: Das liegt doch auf der Hand...
Werner: Es ist doch nur ein anderer Haarschnitt. Für mich ist das wie wenn ich einfach nur eine andere Hose tragen würde.
SPOX: Für einen Mann ist es dennoch ein extrem gewagter Haarschnitt. Zumindest aus meiner Sicht.
Werner: Es gibt aber Männer, denen es steht und die auch Frauen haben. Da müssten ja die Frauen alle bekloppt sein, wenn sie solche Männer schön finden. Meistens haben doch die, die Vokuhila tragen, hübschere Frauen als die anderen. So dumm kann es also nicht aussehen.
SPOX: Welcher Spieler der Bundesliga-Historie hat denn Ihrer Meinung nach die schlimmste Frisur?
Werner: Solche Leute wie Carsten Jancker, die absichtlich so gut wie gar keine Haare mehr haben, fand ich schon immer merkwürdig. Was ich auch nicht mag, ist das ständige Wechseln oder Färben der Haare. Da wird jedes halbe Jahr die Frisur geändert, nur um aufzufallen.
SPOX: Sie selbst tragen mittlerweile kurze Haare. Warum kam denn die Matte weg?
Werner: Ich lebte in Scheidung und habe einen kompletten Umbruch vollzogen. Für mich begann ein neuer Lebensabschnitt und daher habe ich mir als erstes die Matte abgeschnitten. Jetzt habe ich wieder eine neue Frau.
SPOX: Glückwunsch. Aber Wehmut war schon dabei, oder?
Werner: Was denken Sie, wie lange ich überlegt habe, ob ich das jetzt machen soll? Zwei Monate ging das auf jeden Fall.
Mike Werner im Steckbrief