SPOX: Für diese komplexe Auffassungsgabe schon in jungen Jahren braucht es auf dem Feld auch eine gewisse Stressresistenz. Wie essentiell ist das heutzutage?
Ruhnert: Wir verpflichten durchaus auch Spieler, die in dieser Hinsicht bei uns etwas völlig Neues kennenlernen und deren Wahrnehmung vom Fußballspiel sich bei uns verändert. Sie können gut kicken, kommen aber bei uns in einen Komplex hinein, in dem all diese Dinge von ihnen gefordert werden. Es kann dann passieren, dass ihnen zunächst die eine oder andere Handlungsoption verborgen bleibt. Dann stecken sie vielleicht auch einmal in einer kurzen Phase, in der sie nicht mehr so sehr an sich glauben. Genau deswegen haben wir die einzelnen Individualtrainer eingestellt. Wir möchten dort eine produktive Hilfestellung anbieten können. Die Spieler, die diese Anforderungen nach einer gewissen Anlaufzeit verinnerlichen, machen meist die größten Sprünge.
SPOX: Ein großer Sprung gelang auch der Schalker U 19, die unter Trainer Norbert Elgert am Freitag das Halbfinale in der UEFA Youth League gegen den FC Barcelona zu bestreiten hat. Dieser Wettbewerb hat die von privater Hand gegründete NextGen Series verdrängt. Bis auf Bayern München haben die drei teilnehmenden deutschen Vereine die zusätzliche Belastung für ihre Talente kritisiert, auch der DFB stimmte der Einführung nicht zu. Wie stehen Sie dazu?
Ruhnert: Es ist schon so, dass die Termindichte unglaublich und eigentlich nicht zu realisieren ist. Die vielen Spiele mit den A-Junioren sind grenzwertig. Es bleibt immer etwas auf der Strecke, zumal viele Spieler nebenbei damit beschäftigt sind, ihren Schulabschluss zu machen. Das ist durchaus ein Problem. Deshalb haben wir damals gefordert: Wir sind für die Youth League, hätten sie aber gerne im Bereich der U 20, wo die Spieler bereits aus der Schule sind. Die terminliche Hetze ändert aber nichts an der Tatsache, dass der Wettbewerb an sich wirklich klasse ist.
SPOX: Letztlich musste sich der DFB der UEFA beugen. Gab es von der UEFA Druck auf sportpolitischer Ebene?
Ruhnert: Den gab es, das kann ich durchaus zugeben.
SPOX: In der NextGen Series konnte man die Spiele legen, wie es den Bedürfnissen der Spieler und Vereine entsprach - also auch in die Schulferien. Dort spielten zudem die besten Jugendteams Europas gegeneinander, in der Youth League sind lediglich ein Viertel der Teams auch Meister ihrer nationalen Altersklassen geworden. Halten Sie das für sinnvoll?
Ruhnert: Zunächst einmal: Wenn man es wie jetzt analog zu der Qualifikation bei den Profis macht, bekommt man im Regelfall auch gute Nachwuchsmannschaften. Aber: Ein Verein wie Hansa Rostock, der im Vorjahr im Endspiel um die A-Jugendmeisterschaft stand, hat im aktuellen Modus auf die Youth League keine Chance. Die Teilnahme sollte in meinen Augen eigentlich eine Belohnung für das sportliche Abschneiden in der Liga sein. Die aktuelle Lösung ist sportpolitisch von der UEFA so gewollt und aus deren Sicht auch absolut nachvollziehbar.
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SPOX: Wieso denn? Der Modus der NextGen Series macht doch auf den ersten Blick viel mehr Sinn.
Ruhnert: Wie wollen Sie Hansa Rostock zumuten, die Kosten für die Youth League zu tragen? Die UEFA übernimmt zwar einen Teil des benötigten Budgets, aber mit diesem Betrag kommt man nicht weit. Das aktuelle Modell ist derzeit nicht kostendeckend und ob es dies künftig wird, müsste man noch prüfen. Der Wettbewerb befindet sich zwei Jahre lang erst einmal in einer Testphase. Ein Vorteil sind bereits jetzt die zu den Profis analogen und damit vorgegebenen Spieltermine. Das vereinfacht die Reisekoordination, wir konnten die Profis immer auf ihren Wegen begleiten.
SPOX: Norbert Elgert hat Vertrag bis 2015, verriet vor Saisonstart aber im SPOX-Interview, dass es sehr gut möglich sei, danach etwas anderes zu machen. Haben Sie schon konkrete Hinweise bekommen?
Ruhnert: Wir gehen davon aus und es ist auch unser Wunsch, dass wir den Vertrag mit ihm zeitnah verlängern. Wir befinden uns in guten Gesprächen und hoffen, dass wir sie bald erfolgreich abschließen können.
SPOX: Hätten Sie Bedenken, wenn sich ein solch langjähriger Jugendtrainer im Profibereich versuchen würde?
Ruhnert: Wenn wir es ausschließlich auf Norbert Elgert beziehen, dann würde ich sagen, dass er vollkommen die Fähigkeiten besitzt, auch Bundesligamannschaften zu trainieren. Man muss aber auch konstatieren: Das wäre eine ganz andere Hausnummer. Als Cheftrainer einer Profimannschaft ist man von jedem einzelnen Ergebnis und teilweise auch von gewissen Spielertypen abhängig. Im Jugendbereich bekommt man spätestens alle zwei Jahre einen anderen Jahrgang, der einen neu fordert. Diese Arbeit kann in meinen Augen für den Menschen noch befriedigender sein als die Tatsache, ganz oben im Fokus zu stehen. Daher glaube ich, dass Norbert Elgert das sehr gut könnte, aber gar nicht wollte.
SPOX: Christian Streich beispielsweise hat nach seiner langen Zeit als Freiburger A-Jugend-Trainer den Sprung gewagt, wirkt aber mit einigen äußeren Gegebenheiten im Profibereich nicht sehr glücklich.
Ruhnert: Genau das meine ich. Würde man mit Christian Streich unter vier oder sechs Augen sprechen, würde er wohl dazu tendieren, zu sagen: Mein Gott, was war das schön im Jugendbereich (lacht). Ich habe ihn erlebt, als er mit dem Sportclub den A-Jugend-Pokal gewonnen hat: Da war er genauso elektrisch wie jetzt in der Bundesliga, konnte es aber etwas anders ausleben.
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