"Lasse mich nicht an die Wand nageln"

Max Eberl steht ist seit Oktober 2008 Sportdirektor bei Borussia Mönchengladbach
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SPOX: Erlauben Sie uns doch mal einen Einblick in das Seelenleiden eines Sportdirektors, wenn ein Transfer nicht die erhoffte Entwicklung nimmt.

Eberl: Manche hören das nicht gerne, weil sie der Meinung sind, hier und da hätte der Eberl ins Klo gegriffen, aber ich kann ganz klar sagen, bei all unseren Transfers zu 100 Prozent von der Entscheidung überzeugt gewesen zu sein. Ich sehe das etwas differenzierter, ich lass mich nicht gerne abfeiern, ich lasse mich aber auch nicht an die Wand nageln. Augenscheinlich war Reus ein fantastischer Transfer, genau wie Neustädter oder viele andere. Aber auch ein de Jong, dessen Namen viele in diesem Zusammenhang nennen, hat uns enorm weitergeholfen. Er kam in einer ganz spannenden Situation, als wir wichtige Spieler abgeben mussten. Wir hatten die Saison völlig überraschend auf Platz vier beendet, nachdem wir uns im Jahr zuvor als 16. über die Relegation gerade noch vor dem Abstieg gerettet haben. Viele dachten, dass unser vierter Platz nur eine Eintagsfliege gewesen wäre, aber wir haben es doch noch auf Rang acht geschafft. Für mich war das eine der bedeutendsten Saisons in Borussias jüngerer Geschichte. Und daran hatte auch Luuk, der in drei wichtigen Spielen das 1:0 erzielt hat, seinen Anteil. Natürlich wurde er nicht der nächste Rising Superstar wir Reus, aber ohne ihn hätten wir nicht so gut abgeschnitten. Granit Xhaka tat sich ebenfalls schwer in seinem ersten Jahr.

SPOX: Sie hielten aber trotzdem an ihm fest...

Eberl: Wenn wir einen Spieler holen, glauben wir an ihn und geben ihm die nötige Zeit, sich zu entwickeln. Egal, ob er dafür mehrere Jahre braucht, oder wie im Fall von Christensen nur ein paar Wochen. Dass Granit in seinem dritten Jahr bei uns explodiert ist, bestätigt unseren Weg.

SPOX: Sie haben ein gutes Verhältnis zu Uli Hoeneß, holten Sich sogar schon sehr früh Tipps von ihm. Was kann man sich von ihm abschauen?

Eberl: Vor allem seine Art und Weise, seine Geradlinigkeit, Offenheit und Menschlichkeit, die er immer an den Tag gelegt hat. Für mich war es unglaublich, wie er diese Attribute gelebt hat. Auch wenn er manchmal Leuten damit vor den Kopf gestoßen hat, war es in der Regel immer die Wahrheit. Als junger Steppke durfte ich verfolgen, wie er den FC Bayern aufgebaut hat. Die heutige Erfolgs-Geschichte der Bayern hatte damals ihre Wurzeln.

SPOX: Anders als Gladbach befindet sich der FC Bayern in der komfortablen Situation, sich nur selten mit abwanderungswilligen Leistungsträgern herumschlagen zu müssen. Wird man irgendwann müde, seine Schlüsselspieler immer wieder ersetzen zu müssen?

Eberl: Herr Watzke wird es mir nachsehen, aber in Deutschland gibt es genau einen Verein, der keine Spieler verkaufen muss - und das ist der FC Bayern. Auch Dortmund und Wolfsburg kommen immer wieder in die Situation, in denen man einen Spieler ziehen lassen muss. Manchmal aufgrund des Geldes, manchmal weil der Spieler den Schritt unbedingt machen will. Wir kennen unsere Rolle in Gladbach und wissen, dass wir sowohl durch sportliche Erfolge als auch durch Transfererlöse Geld generieren können, das wir wiederum in die Mannschaft investieren. Wir sind und wollen kein Ausbildungsverein sein, aber wie bei fast jedem anderen Klub gehört es auch in Gladbach dazu, Spieler abgeben zu müssen.

SPOX: Fällt es Ihnen leicht, diese Gedanken und Planungen im Büro zu lassen? Vermutlich ist Ihre Frau eine der bestinformiertesten Damen im Land und könnte sofort eine konkurrenzfähige Elf aufstellen, oder?

Eberl: Meine Frau ist da nicht so interessiert, aber mein Sohn ist schon sehr gut informiert. (lacht) Wenn ich zu Hause bin, versuche ich aber meist auch wirklich zu Hause zu sein. Klar gibt es immer Transfers, wo man auch nachts oder spät abends telefoniert, aber das sind Ausnahmen. Natürlich könnte ich 24 Stunden arbeiten und immer suchen und finden - wie Sie auch. Aber dadurch wird man irgendwann schlechter. Man muss sich die Zeit nehmen, um runterzukommen und wieder mit frischem Elan an die Dinge heranzugehen.

SPOX: Hand aufs Herz: An wie vielen Tagen ist das Handy im Urlaub an?

Eberl: Das Handy ist immer an, ich kann aber entscheiden, ob ich rangehe oder nicht, das ist mein Vorteil. Wir hatten einmal den Fall, dass wir mitten in der Transferperiode in den Urlaub fahren wollten. Meine Frau hat damals zu mir gesagt: 'Entweder Du hast bis dahin alle Transfers erledigt, oder wir fahren nicht in den Urlaub.' Seitdem machen wir in den seltensten Fällen im Sommer Urlaub.