"Lasse mich nicht an die Wand nageln"

Max Eberl steht ist seit Oktober 2008 Sportdirektor bei Borussia Mönchengladbach
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SPOX: Sie haben in den vergangenen Jahren viele Leistungsträger auf diese Weise abgeben müssen. Was überwiegt dabei, der Stolz oder die Enttäuschung?

Eberl: Das muss man ganz sachlich betrachten, so ist der Lauf der Zeit und das ist die Rolle, in der sich Borussia Mönchengladbach befindet. Es gibt in Europa 15 Vereine, die ständig um die Meisterschaft mitspielen und die Champions League fast schon garantieren können. Da wollen die großen Spieler natürlich hin. Und wenn sie das schaffen, haben wir hier verdammt viel richtig gemacht. Im CL-Finale 2013 standen in Reus und Dante zwei ehemalige Spieler von uns. Natürlich haben sie selber das erreicht, aber wir waren stolz und froh, dass sie den Weg dorthin von Mönchengladbach aus gemacht haben. Gleiches gilt für Marc-Andre ter Stegen, der sogar aus unserer Jugend kommt. Sie alle prägen die Visitenkarte von Borussia Mönchengladbach. Wir sind eine hervorragende Adresse für Spieler, die den zweiten oder dritten Schritt machen möchten. Gleichzeitig können wir die Mannschaft durch die Transfereinnahmen weiter verbessern und erfolgreich sein. Früher war der Vorwurf: In Gladbach muss man immer die Besten ziehen lassen. Das ist auch heute zum Teil noch so. Aber im Gegensatz zu früher gelingt es uns nicht nur, gute Spieler zu finden, sondern sie auch länger bei uns zu behalten und auch sportlich zu verbessern. Wir haben in den letzten vier Jahren dreimal in Europa gespielt. Darauf mussten die Gladbach-Fans über 40 Jahre warten.

SPOX: Die Wahrnehmung der Borussia und Ihrer Person ist in den letzten Jahren enorm gestiegen. Erleichtert das die Suche nach möglichen Verstärkungen?

Eberl: Die Wahrnehmung ist gestiegen, da haben Sie Recht. Spieler, die wir anfragen, haben in den meisten Fällen großes Interesse am Verein und unserer Arbeit. Andererseits ist es aber auch schwerer geworden, weil uns einige Vereine inzwischen als große Konkurrenz ansehen und uns deshalb keine Spieler geben wollen - oder falls doch wird es meist sehr teuer. Die dritte Kategorie sind Vereine wie Chelsea, die uns zwar ihre Spieler geben, allerdings nur zur Leihe.

SPOX: So wie aktuell Andreas Christensen. Es ist bekannt, dass Sie ihn gerne über seine Leihe hinaus binden wollen. Wie schätzen Sie die Chancen ein?

Eberl: Auch große Vereine können nur elf Mann auf den Platz stellen. Andreas hat bei uns gemerkt, dass er auf höchstem Niveau mithalten kann und hat entsprechend den Anspruch zu spielen. Wenn Chelsea ihn nach zwei Jahren als Stammspieler zurückholen möchte, sind unsere Chancen gleich Null, dann ist es sein logischer nächster Schritt. Sollte er diese Chance aber nicht haben, denke ich, dass Borussia Mönchengladbach durchaus die Möglichkeit hat, so einen Spieler zu verpflichten und ihn weiterzuentwickeln. Große Vereine werden sich in solchen Situationen immer eine Rückkaufoption sichern, wie es auch bei Thorgan Hazard, den wir fest von Chelsea verpflichtet haben, gewesen ist. Damit habe ich auch gar kein Problem.

SPOX: Das klingt sehr nüchtern...

Eberl: Das Modell der Leihe wird oftmals zu einseitig betrachtet. Natürlich entwickeln wir einen Spieler für einen anderen Verein weiter, in dieser Zeit haben wir dafür aber eine echte Verstärkung in unseren Reihen, den wir sonst nie im BORUSSIA-PARK hätten spielen sehen. Auch dem Spieler ist damit geholfen, weil er Spielpraxis sammeln und sich beweisen kann. Schade ist, dass wir keine Transfereinnahmen haben, wenn diese Spieler uns wieder verlassen. Aber dafür hatten wir auch keine Ausgaben.

SPOX: In den letzten Tagen kursierte der Name eines weiteren Chelsea-Akteurs rund um den Borussia-Park: Nathan Ake. Ein interessanter Spieler?

Eberl: Bei Chelsea sind fast alle Spieler interessant. (lacht) Ich kenne Ake, allerdings ist er kein Spieler, der für uns in Frage kommt.

Max Eberl im Porträt: Typisch Eberl

SPOX: Sie sind bekannt für Transfers der Marke Andre Hahn, Max Kruse oder Lars Stindl. Entwickelt man eine gewisse Passion" dafür, solche Spieler frühzeitig zu sichten und für sich zu gewinnen?

Eberl: Einen Spieler als erstes zu sehen, ist nicht wirklich relevant und fast gar nicht mehr möglich. Es geht vielmehr darum, frühzeitig eine Idee zu haben, was der Spieler deinem Verein bringen kann und welche Rolle er im Kader einnehmen kann. Hinter jedem unserer Transfers steckt eine Fantasie. Wir beschäftigen uns sehr lange mit den Spielern und überlegen, wie sie in welches System passen könnten. Lars wollten wir schon vor einigen Jahren verpflichten, Andre kannten wir auch bereits aus Offenbach. Das birgt große Vorteile.

SPOX: Die da sind?

Eberl: Wenn wir dann tatsächlich an den Spieler herantreten, können wir ihm sagen, wie lange wir ihn schon im Blick und welche Idee wir mit ihm haben. Wir haben normalerweise einen recht kleinen Kader und können fast immer mit einem Platz locken. Wir sagen den Spielern aber deutlich, dass sie mit ihrer Leistung entscheiden, wie schnell es dann wirklich geht. Wenn wir einen Spieler wirklich wollen, dann merkt und spürt er das und weiß, dass er bei uns Priorität Nummer eins hat. Wir sind keine sportliche Leitung, die fünf Spieler anfragt und hofft, dass einer klappt. Wir haben einen Spieler im Visier und den wollen wir mit allem, was dazugehört. Die Enttäuschung ist dann natürlich groß, wenn der Spieler absagt, das muss ich zugeben. Aber wenn wir von Passion sprechen, dann bezieht diese sich eher darauf, den einen Spieler, der perfekt zu uns passt, auch zur Borussia zu holen.