NFL

Top 5: Die wichtigsten Erkenntnisse aus Woche 10 in der NFL

Aaron Rodgers zeigte nach schwachen Wochen bei Green Bays OT-Sieg in Dallas eine überragende Leistung.
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4. Indianapolis Colts: Die Sache mit den Monarchen

Vorneweg, weil es hier nicht untergehen sollte: Diese Niederlage gegen dieses Colts-Team war in einer enttäuschenden Raiders-Saison ein Tiefpunkt. Ich bin gespannt, ob Josh McDaniels One-and-Done sein könnte; solche Niederlagen machen dieses Szenario jedenfalls wahrscheinlicher. Es ist nach wie vor eine Offense, die maßgeblich von Davante Adams' individueller Qualität lebt und ansonsten sehr inkonstant daherkommt. Das reicht nicht - und Teambesitzer können nicht viele Dinge so wenig ausstehen, wie wenn ihr Team lächerlich gemacht wird.

Dass aufseiten der Colts plötzlich Matt Ryan wieder startete, war ein weiterer Hinweis darauf, dass hier hinter den Kulissen einiges nicht stimmt. Jeff Saturday werden die Schlagzeilen dieses Spiels gehören, dabei sollte die Geschichte sein, dass das Benching von Ryan für Ehlinger damals schon wenig Sinn ergeben hat. Es jetzt rückgängig zu machen, unterstreicht, dass diese Entscheidung aufgrund der Ungeduld des Teambesitzers getroffen wurde - und mit neuem Coach nicht mehr ganz so konsequent war.

Ich denke nicht, dass die Colts dieses Spiel mit Ehlinger gewinnen, genauso wenig, wie ich denke, dass sie Ryan hätten benchen oder Frank Reich zu diesem Zeitpunkt feuern und mit Saturday hätten ersetzen sollen.

Was gerade in Indianapolis passiert, ist ein Beispiel für die Probleme, die eine Owner-Struktur im Sport mit sich bringt. Ein bisschen ist es wie mit den Monarchen: Manchmal gerät man an einen Karl I., manchmal an einen Alfred den Großen, und als Untertan hat man nicht nur keinerlei Einfluss darauf - man muss auch mit den Konsequenzen leben.

Ob also die angelsächsischen Königreiche vereint, Städte modernisiert, Reformen durchgesetzt und die einfallenden Wikinger abgewehrt werden, oder aber ein Bürgerkrieg verschuldet wird, ist, nun ja, zu einem nicht unerheblichen Teil eine Frage des Zufalls.

Nun denke ich nicht, dass Jim Irsays Aktionen gleich einen Bürgerkrieg auslösen, oder aber ihn den Kopf kosten (im übertragenen Sinne selbstverständlich: Karl I. hatte, und das im wörtlichen Sinne, weniger Glück).

Doch die Richtung, die in Indianapolis eingeschlagen wurde, steht für einen Teambesitzer, der gerade freidreht und händeringend nach dem Notfallknopf sucht. Ohne Kontrollmechanismus, ohne einen Gleichgestellten, der ihn im Zaum halten sollte.

Colts: Saturday-Verpflichtung eine historische Entscheidung

Ich hatte darüber schon im Zuge des Matt-Ryan-Benchings gesprochen. Dass diese Entscheidung auf mich keineswegs nach einem Move aussah, den Frank Reich eingeleitet hätte. Und ich denke nicht, dass Chris Ballard Reich bis an diesen Punkt getrieben hätte, gegen seinen Willen.

Diese Entscheidung schrie förmlich danach, dass der Owner seinem Head Coach die Pistole auf die Brust setzte: Zeig mir etwas mit Sam Ehlinger - oder das war's! Genau wie die Entscheidung, Offensive Coordinator Marcus Brady zu entlassen, der dem Vernehmen nach intern auf sportlicher Ebene ein positives Standing hatte - und der nicht Play-Caller war.

Alles steuerte nach einem enttäuschenden Saisonstart auf Reichs Aus hin, und hätte etwa Defensive Coordinator Gus Bradley - oder ein anderes Mitglied von Reichs Trainerstab - als Interimscoach übernommen, die Reaktion wäre anders ausgefallen. Es wäre zunächst einmal eine relativ normale In-Season-Entlassung eines Head Coaches gewesen.

Dass Irsay sich stattdessen für Ex-Colts-Center Jeff Saturday entschied und so den ersten (Interims-)Head-Coach ohne NFL- oder College-Erfahrung seit Norm Van Brocklin 1961 vorstellte, war wieder so ein "Monarch"-Moment. Das ist der König, der im Moment der Krise einen alten Kumpel zu seinem obersten Berater macht, in der Hoffnung, dass der Glanz vergangener Tage auf die aktuellen Probleme abfärbt.

Colts-Besitzer Irsay: Saturday "hat diese Angst nicht"

Saturdays einzige Coaching-Erfahrung bislang war auf dem High-School-Level, wo er eine 20-16-Bilanz vorweisen kann. Die Colts sollen bereits seit einer Weile mit Saturday in Kontakt für einen Posten im Trainerstab gestanden haben. Doch das ist ein komplett anderes Thema, als ihn jetzt als Head Coach mal eben auszuprobieren. Welche Botschaft sendet das an den übrigen Trainerstab? Welche an die Spieler?

Irsays Aussagen auf der Pressekonferenz am Montagabend verbesserten die Außendarstellung zusätzlich nicht. Er sei "froh", dass Saturday keine NFL-Erfahrung hat, "ich bin froh, dass er nicht diese Angst kennengelernt hat, die gerade in der Liga herrscht, denn es ist schwer für alle unsere Coaches. Sie haben Angst. Sie setzen auf Analytics, und es wird schwierig. Er hat all das nicht. Er hat diese Angst nicht."

Das fühlte sich sehr klar wie eine Spitze gegen Frank Reich an, und es ist eine Aussage, die potenzielle Head-Coach-Kandidaten vernommen haben werden. Es ist auch eine Aussage, die tief blicken lässt, was Reichs Vision für sein Team angeht.

Saturday muss jetzt lernen, wie man ein NFL-Team von Woche zu Woche führt, während er gleichzeitig die Offensive Line verbessert und dabei mit einem offensiven Play-Caller arbeitet, der diesen Posten ebenfalls noch nie innehatte: Der stellvertretende Quarterbacks-Coach Parks Frazier darf sich jetzt daran versuchen.

Man könnte hier jetzt argumentieren, dass es so oder so kaum schlimmer werden kann, als der Auftritt beim 3:26 gegen die Patriots in der Vorwoche. Und sportlich mag das vielleicht stimmen. Aber man darf nicht unterschätzen, welche Signale Irsays Handlungen und seine Aussagen an den Rest der Liga senden.

Indianapolis Colts: Wie geht es jetzt weiter?

Wie also geht es jetzt weiter? Nachdem die Entscheidung, Matt Ryan zu benchen und Sam Ehlinger vermeintlich für den Rest des Jahres testen zu wollen, nur wenige Tage nach Ehlingers Bestätigung durch Saturday revidiert wurde?

Allzu viele Spiele werden die Colts in dem Setup, für das sie sich jetzt entschieden haben, vermutlich nicht mehr gewinnen. Vielleicht überrascht Saturday alle positiv und bringt sich tatsächlich in Position, um mehr als nur eine Interimslösung zu sein; es wäre aber genau das: eine große Überraschung.

Indianapolis wird vermutlich einen hohen Pick im kommenden Draft haben, wenngleich ich nicht vermute, dass die Colts es bis in die Top-3 "schaffen". Und hier kommt dann Ballard ins Spiel.

Wenn wir davon ausgehen, dass Irsay die treibende Kraft hinter dem Chaos ist, das wir mittlerweile in Indianapolis vorfinden, müssen wir auch davon ausgehen, dass er klare Vorstellungen davon hat, wie die Dauerbaustelle Quarterback behoben werden soll. Und nach den Erfahrungen der letzten Jahre gehe ich nicht davon aus, dass es die Colts nochmal mit einer Veteran-Lösung versuchen werden.

Das lässt nur eine Schlussfolgerung zu: Irsay hat im Zuge der Saturday-Vorstellung auf die Frage, ob Ballards Job sicher sei, geantwortet, dass er mit Ballard für 2023 plane und dieser ein "Siegertyp" sei. Ich denke, dass Irsay erwartet, dass Ballard ihm einen der Top-Picks im kommenden Draft serviert, was der auch kosten mag - um dann mit einem jungen Quarterback-Talent ein neues Kapitel zu öffnen.

Wer dann der Coach dieses Teams sein wird, ist eine andere Frage. Und hier muss man wieder zum Monarchen an der Spitze zurückkehren. Nach alldem, was in Indianapolis über die letzten Wochen passiert ist, und mit einem mutmaßlich angezählten GM: Welcher Head-Coach-Kandidat, insbesondere wenn er die Wahl hat, würde sich derzeit für die Colts entscheiden?