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Proteste gegen Trump: Never stick to Sports

Zahlreiche Spieler protestierten gegen die Aussagen von Donald Trump
© getty

Die vergangenen beiden Tage im US-Sport und insbesondere in der NFL waren bemerkenswert, ungewöhnlich und hoffentlich richtungsweisend. Die wüsten Beschimpfungen von Präsident Donald Trump, mit denen er aktiv versucht, die Meinungsfreiheit und das Recht zu friedlichem Protest zu beschneiden, haben eine ganze Welle des Protests ausgelöst. Und sie zeigen die Bedeutung sowie die unschätzbare Rolle von mündigen Sportlern. Ein Kommentar von SPOX-Redakteur Adrian Franke.

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"Stick to Sports".

Bleib beim Sport, anders gesagt: Schuster, bleib' bei deinen Leisten. Diesen Satz hat man in den vergangenen Monaten sehr häufig gehört und gelesen, sobald es um den Protest von Colin Kaepernick ging. Ob es sich dabei um Sportjournalisten oder auch um andere Profis handelte, die das Thema aufgriffen - viele Football-Fans wehrten sich gegen die Vermischung dieser beiden Dinge. Manche, weil für sie die Politik im Sport nichts zu suchen hat. Andere, weil sie der Protest selbst gestört hat und wieder andere, weil sie von dem Thema generell einfach nichts hören wollten.

Ich bin mir sicher, dass auch einige, die diese Zeilen hier lesen der Meinung sein werden, dass so etwas auf einer Sport-Seite nichts zu suchen hat. Doch die Aussage von Donald Trump hat dieser Argumentation endgültig - man möchte fast sagen: endlich - jegliche Grundlage entzogen. Seine Aussage nämlich zeigt die so elementare Bedeutung mündiger Sportler.

"Würden Sie nicht gerne hören, dass einer der Bosse der National Football League sagt, wenn jemand unsere Flagge nicht respektiert: 'Nehmt diesen Hurensohn sofort vom Feld! Er ist gefeuert!'? [...] Dies ist eine totale Respektlosigkeit gegenüber unserer Tradition und gegenüber allem, für das wir stehen."

Mit Kaepernick begann der Protest vor etwas über einem Jahr, um gegen Ungleichheit, Rassismus und Polizeigewalt zu demonstrieren: Er kniete während der Hymne. Kaepernick selbst hat dabei Fehler gemacht - etwa als er Socken trug, auf denen Comic-Schweine in Polizei-Uniform abgebildet waren - trotzdem war die Botschaft seines Protests ungemein wichtig und die Plattform genau richtig. Wenngleich das viele lange nicht anerkennen wollten.

Seine Botschaft ist über die vergangenen Wochen und Monate jedoch ein wenig untergegangen. Weil über den Protest selbst und die möglichen Konsequenzen daraus diskutiert wurde, anstatt den Inhalt im Blick zu behalten. Das änderte sich zu Saisonbeginn zaghaft, weil einige weiße Spieler ihre Sympathien für die Proteste ausdrückten. Der Funke ist jetzt erst vollends übergesprungen.

Trumps Beleidigung als Katalysator

Trump erntete für seinen beleidigenden Kommentar, der so weit über die Tatsache, dass er eines Präsidenten unwürdig ist, hinausgeht, während seiner Rede Applaus. Es wird ihm kaum klar gewesen sein, welchen Stein er mit dieser Aussage ins Rollen bringen würde; nicht, dass er dann zwangsläufig etwas anders gemacht hätte. Diese Äußerung brachte Spieler, die bislang vielleicht bestimmte Ansichten hatten, diese aber für sich behielten, dazu, sich öffentlich zu positionieren. Es war der sprichwörtliche Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.

Schon in den Stunden vor den ersten Kick-Offs am Sonntag herrschte eine eigenartige, elektrisierende Atmosphäre. In mehreren Städten trafen sich die Spieler spontan mit ihren Coaches, Team-Besitzern und anderen Verantwortlichen, um den Umgang mit der Thematik zu besprechen. Zahlreiche Besitzer übten in offenen Statements mehr oder weniger deutliche Kritik an Trumps Aussage, auch Commissioner Roger Goodell meldete sich zu Wort.

Es fing schon beim London-Spiel an, als aufseiten der Jaguars und der Ravens so viele Spieler knieten, wie bei noch keinem Spiel bislang. Jags-Besitzer Shad Khan unterstütze den Protest an der Seitenlinie; etwas, das man bisher noch gar nicht gesehen hatte. Anschließend sprach er davon, dass "die Kommentare des Präsidenten es schwieriger machen", die Vielfalt, welche die Bevölkerung der USA ausmacht, zu vereinen.

Das setzte sich bei den weiteren Spielen fort. Mehr Spieler als je an irgendeinem Wochenende davor knieten, zahlreiche weitere standen mit gemeinsam verschränkten Armen an der Seitenlinie, um respektvoll ihren Protest auszudrücken. Und die Buhrufe einiger Fans gegen die knienden Spieler zeigen nur, wie wichtig es ist, dass wir endlich an diesem Punkt angekommen sind.

Der Start einer prominenten Protestwelle?

Trump hat die NFL gegen sich und seine Ansichten vereint, und ich glaube nicht, dass das in diesem Ausmaß auf allzu viele andere Arten möglich gewesen wäre. Bei allen "Stick to Sports"-Kommentaren darf man zwei Dinge nicht vergessen: NFL-Spieler sind einerseits selbst Menschen und erleben in ihren Umfeldern und teilweise auch direkt am eigenen Körper - wie etwa Seattles Michael Bennett vor einigen Wochen - Diskriminierung und rassistisch motivierte Ungleichheiten. Viele haben diese Diskriminierung persönlich erfahren, bevor sie Football-Millionäre wurden.

Andererseits sind Spieler, und das ist nicht von der Hand zu weisen, große Vorbilder und Meinungsmacher innerhalb der Gesellschaft. Trump hat direkt zum Rundumschlag ausgeholt und auch in der NBA gewütet, was dort starke Reaktionen hervorbrachte. In der MLB gab es derweil am Wochenende den ersten Protest während der Hymne.

So könnten diese Tage den Wendepunkt markieren, an dem das, was Kaepernick vor über einem Jahr begonnen hat, schließlich doch auf die breite Masse übergeht. Eine Protestwelle, welche kritische Themen in den USA anspricht, die nicht zulässt, dass Themen wie Rassismus und Ungleichheit unter den Teppich gekehrt werden - und die so nur entstand, weil Spieler sich nicht scheuten, ihre Meinung zu sagen und für Gleichheit einzustehen. Indem sie den Blick auch vom Sport weg richten. Selbst auf die Gefahr hin, Jobs, Ansehen in einigen Kreisen, Werbe-Deals und dergleichen zu verlieren. Das erfordert Mut von Sportlern, die sich auch in ihr Geld zurückziehen könnten.

Dieser Mut ist in der heutigen politischen Lage so wichtig wie lange nicht. Worte wie Vielfalt, Respekt, Redefreiheit sowie die Kritik an "spaltenden Kommentaren", wie sie Goodell nannte, prägen endlich die Konversation. Und das vor allem jetzt weitläufig auf der Ebene der Team-Besitzer, was nicht nur dem Protest selbst eine ganz andere Legitimation gibt, sondern die Thematik auch in völlig andere gesellschaftliche Kreise bringt.

Natürlich ist es, das sei zum Abschluss noch erwähnt, kein Geheimnis, dass die Flagge und die Hymne für viele Amerikaner eine riesige Bedeutung haben. Durchaus in einem Ausmaß, das für viele Europäer befremdlich und unverständlich wirkt.

Trotzdem muss man hier differenzieren: Der Protest während der Hymne bedeutet nicht, dass die Spieler die Hymne oder die Flagge verachten oder respektlos behandeln. Es zeigt vielmehr das Gegenteil: Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, von dem zu viele Amerikaner noch immer eine Art Utopie-Vorstellung weit weg von der Realität im Kopf haben, soll genau das werden: das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Für jeden.

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