1. Lynchs merkwürdiger (Nicht-)Protest - und wie es richtig geht
So wirklich werde ich noch nicht schlau aus dem, was Marshawn Lynch während Oaklands Preseason-Auftakt in Arizona abgezogen hat. Lynch blieb während der Hymne vor dem Spiel sitzen und erklärte laut Head Coach Jack Del Rio anschließend, dass er das schon "seit elf Jahren" so mache und damit nur er selbst sei. Natürlich passierte das, was passieren musste: Wenige Stunden nach dieser Aussage machten über die sozialen Medien Bilder von Lynch die Runde, auf denen er sehr wohl während der Hymne stand.
Wirklich schlau werde ich daraus wie gesagt nicht. Will Lynch seine Unterstützung für Colin Kaepernick ausdrücken, der in der vergangenen Saison mit seinen Protesten gegen Rassismus und Polizeigewalt gegen Afro-Amerikaner für großes Aufsehen gesorgt hatte - und das noch immer tut?
Das Thema wird uns sicher noch begleiten, führt mich aber zum eigentlich zentralen Punkt: Dass sich Seattles Michael Bennett am Sonntagabend gegen die Chargers deutlich für Kaepernicks Sache aussprach und den Protest des Ex-49ers-Quarterbacks durch das Knien während der Hymne fortsetzte, war für mich ein unglaublich wichtiges Zeichen.
Mindestens genau so wichtig war das, was Bennett anschließend gegenüber Reportern erklärte: "Natürlich wird es auch Kritik geben. Das ist größer als ich, größer als Football. Hier geht es um die Menschen. Das ist größer als ein Sport. Ich sehe mich nicht als Vorbild, ich sehe mich eher als jemand, der versucht, junge Leute und Kinder zu inspirieren. Kinder unterschiedlicher Hautfarbe, unterschiedlichen Geschlechts, ganz egal. Ich will sie dazu inspirieren, ihre Umwelt und die Gesellschaft kontinuierlich zu verändern. Ich bin heute verwundbar, Leute werden mich attackieren - weil sie nicht an das glauben, woran ich glaube."
Weiter wolle er "diese Plattform nutzen, um die Message weiter durchzubringen und im Gespräch zu halten. Nur weil die Leute anders sind, weil sie anders riechen, etwas anderes essen oder einen anderen Gott anbeten, heißt das doch nicht, dass man sie nicht mögen kann. Ich will, dass die Menschen das verstehen. Es geht darum, ein Mensch zu sein." Bennett fügte hinzu, dass er während der kompletten Saison bei der Hymne aus Protest sitzen bleiben will.
So ist es ein klares Statement für Kaepernick, und das war notwendig. Rund um die Kaepernick-Debatte, darüber, wo er spielen könnte und warum er kein Team hat und wer die Bösen sind und ob es eine Verschwörung der Team-Besitzer gibt, hatte man in der Vergangenheit nämlich zu häufig das Gefühl, dass die tatsächlich zentrale Botschaft hier verloren ging. Die Frage danach, warum Kaepernick eigentlich protestiert hat. Bennett hat es sich ganz offensichtlich zum Ziel gesetzt, das nicht zuzulassen, und dafür muss man den Hut vor ihm ziehen.
Die USA sind ein in sich tief gespaltenes Land, das wurde gerade bei den Protesten in Charlottesville wieder schmerzhaft offensichtlich. Diese Spaltung ist real, für viele Menschen ein Teil des täglichen Lebens. Es ist immens wichtig, dass die Diskussionen darüber weiter im Gespräch bleiben und in der Öffentlichkeit diskutiert werden. Es ist der einzige Weg, wie sich langfristig Dinge ändern und Menschen hinterfragen werden.
2. Die Kritik an der Kritik der Elliott-Sperre
Eine Sache ist mir bei der am Freitag verhängten Sechs-Spiele-Sperre gegen Ezekiel Elliott besonders sauer aufgestoßen: Die damit einhergehende Hot-Take-Maschinerie, die auf vielfältige Art und Weise sofort dazu überging, die NFL zu kritisieren.
Ja, die juristische Anklage gegen Elliott wurde aufgrund widersprüchlicher Aussagen fallen gelassen. Aber haben wir uns im Fall Ray Rice nicht alle darüber aufgeregt, dass die NFL eine vorschnelle Entscheidung traf und ganz offensichtlich nicht allen Indizien nachgegangen war? Und ist hier nicht genau das Gegenteil der Fall?
Die Liga hat sich über ein Jahr für die Untersuchungen Zeit gelassen, über zwölf Zeugen befragt, mit dem Opfer gesprochen und alle Beweise gesichtet. Wenn die NFL nach alledem davon überzeugt ist, dass Elliott seine einstige Freundin geschlagen hat, und sie diese Überzeugung belegen kann, dann sind die sechs Spiele die Standard-Bestrafung für häusliche Gewalt. Es ist der strikte Strafen-Katalog, den sich nach dem Rice-Desaster alle gewünscht haben.
Und natürlich stellt sich die Liga damit über die öffentlichen juristischen Instanzen. Aber hier muss man differenzieren: Die Liga sperrt Elliott schließlich nicht in eine Zelle oder verbietet ihm, das eigene Haus zu verlassen. Die NFL sagt aber auch klar, dass man sich an ihre Regeln zu halten hat, wenn man in dieser Liga spielen will - und eine Verletzung dieser Regeln festzustellen obliegt der NFL selbst. "Selbst wenn ein Spieler nicht angeklagt wird, kann er noch immer gegen die Liga-Regularien verstoßen haben", heißt es im Statement der NFL, das hier in voller Länge verfügbar ist.
Der Punkt ist: Kein Außenstehender weiß, was genau zwischen Elliott und der Frau vorgefallen ist. Die NFL hat sich mit dem Vorfall länger und intensiver beschäftigt als irgendwer sonst. Und sie hat ihr Urteil gefällt. Ist es so abwegig zu behaupten, dass Stand heute niemand diesen Fall besser kennt als die Liga und ihre Ermittler? Elliott und das vermeintliche Opfer natürlich ausgeschlossen.
Abschließend: Was sollten die Folgen für Elliott sein? Ganz unabhängig davon, ob sein Einspruch Erfolg hat und die Sperre reduziert oder gar aufgehoben (ich würde gerade mit Letzterem nicht rechnen) wird, bin ich da bei meinem Kollegen Pascal: Elliott sollte das als Warnschuss nutzen und sich selbst ernsthaft hinterfragen. Dann kann ihm die Suspendierung zum Vorteil gereichen.