Wir schreiben den 18. Juni 1985. Es herrscht Feierstimmung im noblen Astoria Hotel in New York City. "Basketball ist zurück in New York City", verkündet Kommentator Pat O'Brien, während Knicks-GM Dave DeBusschere einmal tief durchatmet und die Fäuste ballt. Commissioner David Stern hatte gerade den Umschlag mit den Indiana Pacers gezogen.
Jedem im Raum war klar, was es bedeutet, dass nur noch die New York Knicks übrig bleiben würden. Sie hatten somit die erste Draft Lottery gewonnen, auf sie wartete ein Spieler, welcher die Franchise über Jahre prägen würde.
Und noch heute wird über diesen Moment diskutiert und gefragt, ob all dies nicht ein abgekartetes Spiel gewesen sei.
Tanking ein großes Problem in der NBA
Doch zunächst einmal von vorn: Tanking ist kein aktuelles Problem der NBA, das Modell existiert bereits seit Jahrzehnten. Es basiert auf dem Gleichgewichtssystem der Liga, die schlechtesten Teams sollen die besten jungen Spieler erhalten. So funktioniert das US-amerikanische Sportsystem - im krassen Gegensatz zum kapitalistischen Wirtschaftssystem.
Dass sich Verlieren lohnen kann, verstanden auch die Teams, vor allem zu Beginn der 80er Jahre. Vor allem die Houston Rockets hatten in den Jahren 1983 und 1984 gleich zweimal das Glück des Tüchtigen (?) und sicherten sich jeweils den ersten Pick (Ralph Sampson, Akeem Olajuwon).
Eine Draft Lottery gab es damals jedoch noch nicht. Stattdessen kamen nur das jeweils schlechteste Team jeder Conference in die Verlosung, anschließend wurde eine Münze geworfen, welches der beiden Teams zuerst wählen dürfte.
So kam es gerade im Saison-Schlussspurt immer wieder zu kuriosen Szenen, die Teams fanden immer neue Wege, um Spiele absichtlich zu verlieren oder eine Niederlagen-Serie aufrechtzuerhalten. Um eine Chance auf Olajuwon zu haben, verloren die Rockets zum Beispiel 20 der letzten 27 Spiele, in einer Overtime-Partie ließen die Texaner den 38-jährigen Elvin Hayes 52 von 53 Minuten spielen.
Patrick Ewing: Der beste College-Spieler seit Lew Alcindor
Das größte Problem waren aber die San Diego Clippers mit ihrem Besitzer Donald Sterling, der über dieses Thema öffentlich sprach, schon damals ein No-Go. "Man muss diese Pille schlucken. Wir können durch Verlieren gewinnen", merkte der Anwalt an und hatte damit absolut recht.
Das missfiel vor allem dem jungen, neuen Commissioner der Liga, einem gewissen David J. Stern. Beinahe im Alleingang drückte er innerhalb weniger Wochen die Umsetzung einer Lotterie um. Der Grund war simpel: Mit Patrick Ewing stand der womöglich beste College-Spieler seit Lew Alcindor (später Kareem Abdul-Jabbar) in den Startlöchern, ein weiteres Schneckenrennen sollte es nicht geben.
Ewing erreichte mit Georgetown in vier Jahren dreimal das NCAA-Finale, 1984 krönten sich die Hoyas mit Most Outstanding Player Ewing zum Champion. Der Center war bereits da bekannter als 90 Prozent der NBA-Spieler. Ewing konnte aus dem Post scoren, verteidigen, rebounden und hatte für einen Big Man sogar einen guten Touch. Es war klar: Wer Ewing bekommen würde, würde einen echten Star in seinen Reihen haben.
Drogen und schlechter TV-Vertrag: Die NBA in der Krise
Die Lotterie war aber zunächst nicht so konstruiert, wie es NBA-Fans heute kennen. Die Logik war simpler. 16 Teams erreichten die Playoffs, die anderen sieben Teams gingen in die Lottery und hatten alle die gleiche Chance auf den ersten Pick, nämlich 14,3 Prozent.
Aber wen sollte das groß interessieren? Die NBA fristete noch immer ein Schattendasein, galt als zweitklassige Profi-Liga hinter der NFL oder auch der MLB. Michael Jordan hatte gerade erst seine Rookie-Saison beendet, die Lakers-Celtics-Rivalität (also Magic gegen Bird) nahm erst jetzt richtig Fahrt auf. Unterdessen knabberte die NBA weiter an ihrem Imageproblem, welches spätestens 1982 seinen absoluten Tiefpunkt erreicht hatte.
Die L.A. Times schätzte damals in einem großen Feature, dass 75 Prozent aller Spieler Drogen nehmen würden. Seitens der NBA gab es sogar Überlegungen, die Liga von 23 wieder auf 17 Teams zu verkleinern! Umso wichtiger war es, dass man im Sommer 1985 einen neuen und guten TV-Vertrag aushandeln handeln konnte, was auch Auswirkungen auf die Draft Lottery hatte.