Der gemeinsame Traum von Ozzie und Daniel Silna sollte sich nie erfüllen. Trotz zahlreicher Anläufe, trotz eines Millioneninvestments blieb das Bruderpaar aus New Jersey immer außen vor. Ihr Traum war allerdings nicht der typische Traum zweier Jungs, die sich in den Basketball verlieben und sich auf der großen Bühne mit den Legenden des Sports messen wollen.
Zwar entwickelte sich bei den Söhnen lettischer Einwanderer bereits in der Kindheit die Liebe zum orangefarbenen Leder, allein das sportliche Talent fehlte. Die logische Konsequenz: "Ich habe immer gesagt, wenn ich nicht spielen kann, ist es das beste, einfach ein Team zu besitzen", scherzte Daniel 2011 in einem Interview mit Forbes.
Gleich mehrmals waren die Silnas tatsächlich nah dran, sich diesen lang gehegten Wunsch zu erfüllen. Was sie stattdessen bekamen, ist heute bekannt als der "beste Deal der Menschheitsgeschichte".
Die Silna-Brüder: Über die ABA in die NBA
Die Silnas häuften ein beachtliches Vermögen in der Textilindustrie an, die Voraussetzungen waren also gegeben, als sie Mitte der Siebzigerjahre den ersten Versuch starteten, sich in die NBA einzukaufen. 1974 waren die Detroit Pistons zu haben, doch Eigentümer Fred Zollner entschied sich gegen das Angebot der Silnas und für einen etwas lukrativeren Deal.
Enttäuscht, aber nicht entmutigt, schaute sich das Brüderpaar nach einem Plan B um - und fanden ihn in der American Basketball Association (ABA). Sieben Jahre zuvor wurde die ABA als Konkurrenzprodukt zur damals noch relativ jungen NBA ins Leben gerufen, als spektakulärere, glitzernde Variante mit einem farbigen Ball, einer Dreierlinie und einem gewissen Julius "Dr. J" Erving.
Ozzie und Daniel schlugen bei den Carolina Cougars zu, für die sie gerade einmal eine Million Dollar auf den Tisch legen mussten - deutlich günstiger als das Angebot, was sie für die Pistons abgegeben hatten. Anstatt sich also in den exklusiven NBA-Klub einzukaufen, setzten die Silnas ihre Hoffnungen in eine nahende NBA-ABA-Fusion, um über Umwege in die Liga zu kommen.
Spirits of St. Louis: Erst die Überraschung, dann das Debakel
Dafür investierten sie eine Menge Geld in die Franchise, um sie NBA-tauglich zu machen. Die Cougars waren dies nicht. Trotz loyaler Fanbase schien das Konzept der "Regional-Franchise" - die Cougars trugen ihre Heimspiele abwechselnd in Charlotte, Greensboro und Raleigh aus - nicht überlebensfähig.
So packten die Silnas die Koffer und zogen die komplette Franchise nach St. Louis um, damals die größte US-amerikanische Stadt ohne ein professionelles Basketball-Team. Sie investierten etwa fünf Millionen Dollar, damals eine beachtliche Summe und immerhin fünfmal so hoch wie der Kaufpreis, um das Team umzukrempeln.
Belohnt wurden die neuen Spirits of St. Louis mit einem 4-1-Erfolg in der ersten Playoff-Runde 1975 gegen den Titelverteidiger, die New York Nets um Dr. J. ABA-Legenden wie Marvin "Bad News" Barnes oder Freddie Lewis liefen damals für die Spirits auf, zwar reichte es nicht zum Titel, doch im Folgejahr sollte mit Moses Malone ein neuerlicher Angriff gestartet werden.
Die Topscorer der Spirits of St. Louis 1975/76
Name | Punkte | FG% |
Marvin Barnes | 24,1 | 50,3 |
Ron Boone | 21,0 | 48,5 |
Maurice Lucas | 20,4 | 46,0 |
Freddie Lewis | 14,8 | 42,3 |
Moses Malone | 14,3 | 51,2 |
Fusion der NBA und ABA: Der Traum zerplatzt
Dieses Mal ging das Vorhaben aber nach hinten los, sowohl in sportlicher als auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Die Playoffs waren außer Reichweite, dazu spielten die Spirits nur selten vor mehr als 1000 Zuschauern und das in einer auf 18.000 Plätze ausgelegten Arena.
Der nächste Umzug sollte Abhilfe schaffen, dieses Mal nach Salt Lake City. Dort hatten lange Zeit die Utah Stars ihre Zelte aufgeschlagen gehabt, das Team ging während der Saison 1975/76 jedoch Pleite. Die Silnas wollten mit den ehemaligen Spirits und nun Utah Rockies dieses Loch füllen, doch so weit kam es nie.
Die ABA war 1976 finanziell am Ende und es begannen Gespräche um eine Fusion mit der NBA, genau darauf hatten Ozzie und Daniel zwei Jahre zuvor spekuliert. Doch die finale Einigung muss sich wie ein Schlag in die Magengrube angefühlt haben. Vier ABA-Teams sollten in die NBA aufgenommen werden: Die Nets (heute die Brooklyn Nets), die Denver Nuggets, die Indiana Pacers und die San Antonio Spurs.
So kurz vor dem Ziel zerplatzte der Traum der Silnas.
ABA: Nur noch sechs Teams waren übrig
Gerade einmal sieben Teams hatten die finale ABA-Saison 1975/76 zu Ende gespielt, an deren Ende sich Erving und die Nets zum zweiten und letzten Mal zum Champion krönten. Die Virginia Squires zerbrachen direkt nach Saisonende, es blieben neben den Spirits also nur die Kentucky Colonels beim Merger außen vor.
Jeweils drei Millionen Dollar sollten die Eigentümer der beiden Franchises als Entschädigung erhalten. Die Colonels handelten 3,3 Millionen Dollar aus und gaben sich damit zufrieden. Nicht so Ozzie und Daniel Silna.
Das Gegenangebot: Die Silnas sollten eine finanzielle Entschädigung für die Spirits-Spieler, die von NBA-Teams aufgenommen werden, erhalten (diese Summe belief sich am Ende auf 2,2 Millionen Dollar) - und jeweils ein Siebtel der jährlichen TV-Einnahmen der vier verbliebenen ABA-Teams.
Ein Vertrag für alle Ewigkeiten
Auf solch ein Entschädigungspaket für die ausgeschlossenen Teams sollen sich die ABA-Eigentümer ohnehin bereits vor den Verhandlungen mit der NBA geeinigt haben. Die Nuggets, Nets, Pacers und Spurs willigten ein, einerseits, um die Fusion möglichst schnell über die Bühne zu bringen, andererseits wirkte das Angebot durchaus verlockend.
"Das war das Äquivalent zu 400 Hektar Wüste und irgendjemand sagt, er will die Förderrechte dafür haben. Da sagt man natürlich: 'Nimm sie'", erinnerte sich Michael Goldberg, der damalige Chefjustiziar der ABA, der bei den Verhandlungen dabei war, gegenüber NBC News. Zu dieser Zeit wurden die Finals noch spät Abends als Aufzeichnung im TV gezeigt: "Es gab keine signifikanten TV-Einnahmen."
Als Knackpunkt des Deals sollte sich Jahre später allerdings nicht die ausgehandelten Anteile an den TV-Einnahmen herausstellen - oder die Klausel, die den Silnas unabhängig von weiteren Expansionen einen Mindestanteil bescherte - sondern vielmehr ein kleiner Nebensatz im Vertragswerk. Der Deal sollte "solange die NBA oder deren Nachfolger existieren" Bestand haben. Quasi auf ewig.
Der St.-Louis-Coup: "Der beste Deal der Menschheitsgeschichte"
Als die Silnas 1980 erstmals eine Zahlung der NBA erhielten, betrug diese laut der New York Times 521.749 Dollar, grob gerechnet zwei Prozent der kompletten TV-Einnahmen. Ein überschaubarer Betrag, sicherlich, doch damals sah kaum jemand voraus, wie sich die NBA in den Folgejahren entwickeln sollte.
Zunächst katapultierten Magic Johnson und Larry Bird die Liga in ungeahnte Höhen der Popularitäts-Skala, dann eroberte Michael Jordan die Association und gleichzeitig die Herzen der Sport-Fans - nicht nur in den USA sondern weltweit. Die Einnahmen der NBA explodierten - und damit auch die der Silnas, die selbst nicht mit solch einem Erfolg der Liga gerechnet hatten.
Schon bald knackten die Zahlungen an die beiden Brüder die Millionen-Dollar-Marke, in den 90ern strichen sie etwa 4,4 Millionen pro Jahr ein. In der Saison 2010/2011 waren es schließlich 17,5 Millionen Dollar, die auf dem Konto der Silnas landeten. Obwohl ihr ehemaliges Basketball-Team keine einzige Minute in der NBA absolviert hatte und obwohl sie keinerlei Ausgaben für Spielergehälter oder Stadionmieten zu verzeichnen hatten.
Entsprechend ging es der NBA schnell gegen den Strich, dass sie monatlich 31 statt 30 Schecks für die TV-Einnahmen ausstellen mussten. Auch die Nuggets, Nets, Pacers und Spurs probierten es viele Male, die Silnas aus dem Deal herauszukaufen. Viele Male ohne Erfolg.[
"Ich kann nicht sagen, dass wir es nicht versucht hätten", gab der ehemalige Pacers-Präsident Donnie Walsh in der Los Angeles Times einmal zu. "Aber das ist der beste Deal der Menschheitsgeschichte. Was soll man noch mehr dazu sagen?"
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Silna-Brüder: Hoffnung auf ein NBA-Team nie aufgegeben
Erst im Jahr 2014 erzielten die NBA und die Silnas eine Einigung. Bis dahin hatten sie Schätzungen zufolge in knapp 40 Jahren bereits um die 300 Millionen Dollar aus den TV-Töpfen der Liga erhalten, weitere 500 Millionen Dollar der vier ehemaligen ABA-Teams auf einen Schlag beendeten die jährlichen Zahlungen.
Dabei ging es Ozzie und Daniel Silna bei dem Deal im Rahmen des NBA-ABA-Mergers gar nicht in erster Linie ums Geld, wie Daniel H. Forer, Regisseur der ESPN-Doku "Free Spirits" später erklärte: "Sie hatten immer die Hoffnung, dass sie eines Tages den Deal in ein NBA-Team umwandeln könnten. Wenn die Liga expandiert, wollten sie ihren Deal im Tausch für ein Team aufgeben."
Doch dazu kam es nie. "Ich hätte es geliebt, ein NBA-Team zu besitzen", sagte der 2016 im Alter von 83 Jahren verstorbene Ozzie Silna wenige Jahre vor seinem Tod der L.A. Times. "Aber wenn ich rückblickend betrachte, was ich in den Jahren bekommen hätte und es damit Vergleiche, was ich jetzt erhalten habe, dann bin ich trotzdem glücklich und zufrieden."