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NBA Finals – ESPN-Experte Kevin Arnovitz im Interview: "Nie im Leben waren die Warriors darauf vorbereitet"

Stephen Curry steht ausnahmsweise in den Finals nicht LeBron James gegenüber.
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Zu Beginn des Spiels sah es danach aus, als könne Cousins in fast jeder Possession attackiert werden. In der zweiten Hälfte kam Golden State defensiv aber sehr gut mit Boogie auf dem Court zurecht. Hätten die Raptors ihn nicht gezielter angreifen müssen?

Arnovitz: Es gibt da in Coaching-Kreisen seit Jahren die Debatte: Soll man Mismatches permanent attackieren, obwohl es nicht dem eigenen Game-Plan entspricht? Oder vertraut man auf das, womit man bis zu dem Zeitpunkt Erfolg hatte? Ich bin da gewissermaßen radikal. Steve Kerr ist jemand, Mike Budenholzer, auch Nick Nurse, die eher sagen: Bleib' bei deinem Spiel. Teams machen das ja beispielsweise auch gegen Toronto: Die Raptors switchen viel, also denken viele Teams, dass sie Lowry attackieren können, weil er so klein ist. Immer wieder schicken Teams ihre Forwards gegen ihn in den Post. Und dann blickt man auf die Zahlen: Das ist in den meisten Fällen schreckliche Offense! Damit bringen sich Teams um den eigenen Rhythmus. Man muss dazu sagen, dass die Warriors, wenn Cousins in der zweiten Hälfte doch mal attackiert wurde, viel schneller und besser ausgeholfen haben, weil sie realisiert haben, dass das nötig war. Es ist nicht die bevorzugte Spielweise der Raptors, permanent eine Schwachstelle zu jagen. Deswegen mache ich ihnen da keinen Vorwurf.

Sie haben sich als 'radikal' bezeichnet, passend dazu: Sie haben im "Lowe Post" Podcast kürzlich gesagt, dass Sie nicht der Meinung sind, dass Kevin Durant die Warriors wirklich besser macht. Können Sie das kurz erklären und bleiben Sie auch bei diesem spezifischen Matchup dabei?

Arnovitz: Viele halten diese Aussage für lächerlich. Ich frage dann oft: Okay, aber wie sieht dein Argument dafür aus, dass sie ohne ihn schlechter sind? Dann fehlt oft eine definitive Antwort. Darum geht es mir im Wesentlichen. Jedes Team mit Durant ist über 82 Spiele natürlich besser. Ich glaube nicht, dass Steph 2.800 Minuten pro Saison abreißen kann oder sollte, was ohne Durant vielleicht nötig wäre. Meine Ansicht ist aber, dass Durant sie nicht in einem einzelnen Spiel besser macht. Es wird nicht wie in der zweiten Hälfte von Spiel 2 jedem Korb ein Assist vorausgehen. Man verliert Draymond als Playmaker, wodurch seine Wurfprobleme entblößt werden, Klay wird schlechter, Curry rückt mehr in den Hintergrund. Die Warriors haben mit KD einen viel besseren Spieler auf dem Court, aber sie werden in der Summe nicht besser. Ehrlich gesagt geht es auch ein Stück weit um ästhetische Gründe. Ich schaue den Warriors ohne Durant viel lieber zu, ohne dass ich damit abstreiten will, dass er ein unglaublicher Spieler ist. Das ist er selbstverständlich. Aber ich glaube, dass er dem Stil der Warriors manchmal ein wenig schadet. Sind sie besser mit ihm? Ich weiß es nicht. Sie sind sicherlich nicht viel schlechter. Natürlich ist die Gemengelage jetzt aber anders. Wenn Klay ausfällt, Looney ausfällt, Curry dehydriert ist oder was auch immer, dann würde sie Durant natürlich viel besser machen. Im Großen und Ganzen haben mir die Warriors aber vor seiner Ankunft und seither, wenn er mal verletzt war, gezeigt, dass sie ohne ihn nicht schlechter zurechtkommen.

In den Finals zum Zuschauen verdammt: Kevin Durant.
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In den Finals zum Zuschauen verdammt: Kevin Durant.

Unabhängig vom Ausgang der jetzigen Serie: Dann sind Sie der Meinung, dass die Warriors nächste Saison auch potenziell ohne ihn einen Titel holen können? Oder bewegen wir uns auf das Ende der Dynastie zu? Auch Iguodala hat ja nun bereits mehrfach über einen möglichen Rücktritt gesprochen.

Arnovitz: Wir sind sicher im hinteren Teil ihres Runs angekommen. Aber solange Curry, Green und Thompson bleiben, und Green dann auch noch in einem Contract Year ist, sie mit ihrer Taxpayer Midlevel Exception einen soliden 3-and-D-Spieler holen, der vielleicht auf etwas Geld verzichtet, und ihre jungen Spieler entwickeln, wie sie es früher oft geschafft haben, dann müssen sie für mich auch kommende Saison der Favorit sein. Das Trio Curry, Klay und Draymond allein sorgt dafür. Stand jetzt jedenfalls - natürlich können wir diskutieren, sollte Kawhi zu den Clippers gehen oder anderswo wieder ein Superteam entstehen. Aber für den Moment spricht für mich wenig dagegen, dass die Warriors kommende Saison mit ihrer alten Identität direkt wieder Favorit sind.

Kevin Arnovitz über Zukunft von Kawhi Leonard: "Gibt nur Theorien"

Die Raptors wiederum stehen jetzt zum ersten Mal in den Finals, auch bei Ihnen ist die Zukunft aber ziemlich ungewiss. Da Sie ziemlich nah dran sind: Haben Sie bei Leonard so etwas wie ein Bauchgefühl, oder tappen Sie im Dunkeln wie alle anderen?

Arnovitz: Wir wissen es nicht - vor allem, weil wir hier über einen der undurchschaubarsten NBA-Spieler der Geschichte reden. Es gibt heute so viele Stars, die Botschaften über die Medien lancieren, die dieses Spiel spielen, bei Kawhi hingegen gibt es nur Theorien, weil weder er noch die Leute, die ihm nahestehen, viel von sich preisgeben. Ist die Heimat das wichtigste? Ist es die Gesundheit, sind es Siege? Es gibt Argumente für alles. Die Raptors haben ihm gezeigt, dass sie seine Gesundheit priorisieren und schützen können. Toronto ist eine tolle Stadt mit viel Kultur. Und man würde meinen, dass jeder weitere Sieg ihre Chancen erhöht, Kawhi zu halten. Nur: Vielleicht fühlt er sich in seiner Heimat Südkalifornien einfach wohler? Seine Familie ist dort. Kawhi hat in seiner Kindheit ein Trauma erlebt, als sein Vater ermordet wurde, die Familie ist ihm unheimlich wichtig. Und da er so zurückhaltend ist, können wir von außen einfach nicht vorhersagen, was für ihn an erster Stelle stehen wird. Ich denke, dass die Raptors alles richtig gemacht haben und richtig machen, um ihn zu halten, aber das garantiert ihnen nichts. Der Trade hat sich für sie aber natürlich trotzdem schon jetzt zu 100 Prozent gelohnt.

Und noch stehen ja definitiv ein paar weitere Spiele an. Haben Sie einen Tipp, wie die Serie ausgehen wird?

Arnovitz: Ach, da halte ich mich schon lange zurück. Sie werden auch bei ESPN nicht meinen Namen sehen, wenn Picks abgegeben werden. Wer weiß es schon? Wir sind ja zudem in einer Situation, in der wir von Spiel zu Spiel keine Ahnung haben, wer überhaupt dabei sein wird - oder wie fit Thompson oder Curry oder Kawhi beispielsweise sind. Das sind ja massive Variablen! Ich kann mich auch kaum an eine vergleichbare Finals-Serie erinnern. Wie viele von den besten acht Spielern der Warriors kann man im Moment als fit bezeichnen? Es hängt einfach so viel in der Schwebe.

"Für Basketball-Liebhaber sind das faszinierende Finals"

Das ist doch nach den letzten beiden Finals aber auch ein netter Kontrast, oder? Vor allem 2018 hatten die Cavaliers ja eigentlich keine Chance.

Arnovitz: Die Warriors sind in diesem Jahr auf jeden Fall verletzlich, weil sie von Spiel zu Spiel darauf angewiesen sind, dass beispielsweise Jordan Bell, Alfonzo McKinnie oder ein verletzter Cousins einen Beitrag leisten - das macht die ganze Situation unvorhersehbar. Außerdem: Die Raptors sind für mich besser als die Cavs-Teams der letzten beiden Jahre. Sie sind so viel besser in der Defense als Cleveland. LeBron war natürlich LeBron, aber Kawhi stellt ebenfalls eine extreme Herausforderung dar. Ich mag den Charakter dieses Teams.

Ist es gleichzeitig auch ein bisschen seltsam, LeBron das erste Mal seit 2010 nicht dabei zu haben? Spürt man da auch medial einen gewissen Unterschied?

Arnovitz: Schon. Sein Status ist natürlich auch ein extremer Kontrast zu Leonards reservierter Art und da man die Warriors eben doch recht gut kennt, kann ich mir schon vorstellen, dass es ein paar eher lose Beobachter gibt, denen bei dieser Serie vielleicht etwas fehlt, gerade hinsichtlich des Dramas auf der größten Bühne. Aber nicht falsch verstehen: Für einen Basketball-Liebhaber sind das absolut faszinierende Finals.

Das Interview wurde editiert. Die vollständige Tonspur gibt es beim Korbjäger NBA Podcast auf Patreon zu hören.

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