NBA

"Kareem, MJ, dann schon Dirks Flamingo"

Marcus Camby (l.) musste in seiner Karriere etliche Male gegen Dirk Nowitzki verteidigen
© getty
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SPOX: Sie haben Ihre erfolgreiche College-Karriere schon kurz angesprochen. Sie waren an der University of Massachusetts Amherst einer der ersten Lottery-Picks, die von John Calipari groß gemacht wurden. Mittlerweile hat Coach Cal in Kentucky schon gefühlt 200 No.1-Picks in die Liga gebracht, darunter Anthony Davis und Karl-Anthony Towns. Fühlen Sie eine gewisse Verbindung zu diesen Jungs?

Camby: Cal ist ein fleißiger Mann. (grinst) Ich fühle mich mit ihnen allen verbunden, mit Boogie, Davis, Towns, John Wall, Derrick Rose, wem auch immer - und das alles wegen Calipari. Er war wie eine Vaterfigur für mich und auch für all die anderen Jungs. Wir verdanken ihm alle unglaublich viel, weil er uns eine Chance gegeben hat und uns dabei geholfen hat, den Sprung in die NBA zu schaffen. Mittlerweile hat sich das natürlich längst herumgesprochen und deswegen sehen Sie auch, wie viele Toptalente sich jedes Jahr für Kentucky entscheiden. Diesen Status hat er sich hart erarbeitet.

SPOX: Mittlerweile bleiben die meisten Spieler ja nur noch ein Jahr am College, dennoch scheint es, als hätten die One-and-Done-Spieler aus Kentucky alle eine besondere Beziehung mit Calipari. Können Sie ein wenig erklären, wie er das in einer so kurzen Zeit schafft?

Camby: Calipari hat eine starke Persönlichkeit und Ausstrahlung, er ist aber vor allem auch unheimlich ehrlich. Er behandelt alle seine Spieler wie seine Söhne und ist immer bereit, über alles Mögliche zu reden - völlig egal, ob es dabei um Basketball geht. Das kann ich mit ihm heute auch noch, über 20 Jahre nach meiner College-Zeit. Und alles, was er mir jemals angekündigt hat, ist auch wahr geworden. Er hat mir zum Beispiel gesagt, dass er aus mir einen NBA-Spieler macht, wenn ich mich seinem Programm anschließe, und das ist auch passiert. Und so geht er mit all seinen Spielern um, nicht nur denen, die letztendlich auch Lottery-Picks werden. Er ist gewissermaßen der Godfather für uns alle. (lacht)

SPOX: Apropos Lottery-Picks: Sie waren Teil eines der besten Draft-Jahrgänge der Geschichte. Mit Kobe Bryant hat nun auch der letzte Akteur dieser Klasse aufgehört - ist damit für Sie eine Ära beendet?

Camby: Das würde ich nicht so sagen, einfach weil die NBA heute in so guten Händen ist. Die nächste Superstar-Generation hat ja längst übernommen und auch für die Zeit nach beispielsweise LeBron James stehen längst wieder aufregende neue Spieler parat. Und man sieht einige Dinge, die es zuvor einfach noch nicht gab: Russell Westbrook mit seiner Triple-Double-Saison, James Harden oder Anthony Davis mit ihren verrückten Zahlen... und dann ist da noch dieses Team in Golden State, das ganz ordentlich funktioniert. (lacht) Ich mache mir um die Liga daher wirklich keine Sorgen.

SPOX: Haben Sie eine Erklärung dafür, warum die Zahlen von insbesondere Westbrook und Harden so explodiert sind? Es gab über die letzten Jahrzehnte ja etliche dominante Spieler, dennoch sind ihre Leistungen fast ohne Vergleich.

Camby: Es ist verrückt, da haben Sie Recht. Die Liga ist schneller geworden, weshalb es etwas mehr Möglichkeiten für Punkte und Assists gibt, aber die beiden sind auch einfach außergewöhnliche Spieler! Ich wurde kürzlich gefragt, wer meiner Meinung nach der MVP dieser Saison ist. Ich habe erst gesagt, dass man den Award - wie jedes Jahr - LeBron geben könnte, weil er eben der beste Spieler der Welt ist. Aber mittlerweile denke ich, dass man die Leistungen von Harden und Westbrook einfach nicht ignorieren kann. Das sind absolut beeindruckende Saisons zweier außergewöhnlicher Spieler. Einer von beiden sollte meiner Meinung nach MVP werden.

SPOX: Kommen wir noch einmal auf Ihre Karriere zurück. Viermal führten Sie die Liga bei den Blocks an - gibt es einen Block, an den Sie sich besonders gerne erinnern?

Camby: Sie alle sind meine Lieblinge! (lacht) Und ich ärgere mich immer noch über jeden, den ich nicht erwischt habe. Diese Mentalität muss man als Defensiv-Anker haben. Daher sticht für mich keiner wirklich heraus.

SPOX: Sie haben in Ihrer Karriere für ziemlich viele Teams gespielt. Gibt es für Sie eine Franchise, der Sie sich noch immer "angehörig" fühlen?

Camby: Naja, es gibt da in New York so einen Spruch: "Once a Knick, always a Knick." [Die Affäre um Charles Oakley war zum Zeitpunkt des Interviews noch nicht passiert, Anm.d.Red.] Für mich ist New York daher gewissermaßen immer noch mein Zuhause. Ich bin in Connecticut aufgewachsen, was sich ziemlich nah am Big Apple befindet, und ich habe auch ziemlich viele Jahre direkt dort gewohnt. Und nicht zuletzt habe ich natürlich auch einige meiner schönsten Erfahrungen dort gemacht. Allen voran die '99er Saison, als wir als achtplatziertes Team diesen Run bis in die Finals hingelegt haben, auch wenn wir dort leider gegen die Spurs verloren haben. Aber das war einfach ein überragendes Team mit Latrell Sprewell, Allan Houston, Larry Johnson, Ewing... damals entstand ein Band, das bis heute besteht.

SPOX: Als Achter in die Finals - das hat vorher und nachher niemand geschafft. Wie war das überhaupt möglich? Insbesondere nachdem sich Ewing in den Playoffs verletzt hatte?

Camby: Nun, die Saison war eine ganz besondere. Wenn Sie sich erinnern: Das war ja eine Lockout-Saison, wir hatten bloß 50 Spiele. Und wir hatten zu Beginn noch Schwierigkeiten, weshalb wir unbedingt das letzte Spiel der Saison gewinnen mussten, um überhaupt die Playoffs zu erreichen. Ironischerweise war der Gegner in diesem Spiel Miami - und ein paar Tage später waren die Heat dann auch der Gegner in der ersten Playoff-Runde. Dort traf Allan diesen verrückten Wurf im entscheidenden fünften Spiel, der uns einen unglaublichen Boost verschaffte. Mit diesem Momentum sind wir dann einfach bis in die Finals durchmarschiert.

SPOX: Reicht dann wirklich ein einziges Play, um das Team so zu elektrisieren?

Camby: In diesem Fall war es so. Sein Wurf hat bei uns allen neue Energie freigesetzt und in der Folge haben wir gewissermaßen alle über unserem Limit gespielt. Und das ist in einer Stadt wie New York dann noch einmal etwas ganz Besonderes. Wenn die Knicks gut sind, verändert sich die Mentalität in der gesamten Stadt und alle stehen hinter dir. Es gibt nichts, was man damit vergleichen kann.

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