NBA

"LeBron muss nichts mehr beweisen"

In den Finals kommt es zum Rematch zwischen den Cavs und Warriors
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Steve Kerr gewinnt das Coaching-Duell klar

Ole Frerks: Schwierige These, einfach weil Lue noch keine brenzlige Situation meistern musste wie Kerr gegen OKC - wobei da, und das ist wichtig, auch jede Adjustierung für die Katz gewesen wäre, wenn Thompson in Spiel 6 nicht heiß gelaufen wäre wie ein Besessener. Dennoch hat es natürlich geholfen, dass Kerr wieder mehr auf Iggy gesetzt hat, auch wenn er das meiner Meinung nach durchaus schon früher hätte machen können. Unabhängig davon finde ich, dass Lue als Cavs-Coach ein wenig unterbewertet wird. Ich habe seine "Beförderung" am Anfang wie jeder andere belächelt, aber nach den Playoffs bisher muss ich schon sagen, dass er einiges bei den Cavs zum Besseren verändert hat. Die Offense sieht jetzt tatsächlich häufig aus wie die Idealvorstellung, die wir damals hatten, als sich das neue "Superteam" mit LeBron, Kyrie und Kevin Love gebildet hat. Und wenn es nicht läuft, scheut Lue sich auch nicht, LeBron mal die Meinung zu geigen oder beispielsweise Love im vierten Viertel draußen zu lassen. Das ist bei einem Rookie-Coach keineswegs selbstverständlich. Aber wie gesagt, richtig brenzlig wurde es noch nicht. Lue kann in diesen Finals erstmals zeigen, dass beziehungsweise ob er einer der wenigen Coaches ist, die in dieser Liga wirklich einen Unterschied machen können. Da Kerr das bereits bewiesen hat, muss der Vorteil vermutlich vor der Serie bei ihm liegen. Mich würde es aber nicht groß wundern, wenn wir danach anders über diese These denken.

Martin Klotz: Mich fasziniert bei Kerr diese Ruhe, die er ausstrahlt. Egal, in welcher Situation, er hat Vertrauen in sein Team und das sieht man ihm auch an. Dazu ist er einer der wenigen Coaches, die in der Auszeit auch mal einen Witz machen. Das klingt banal, aber es macht einfach etwas mit den Spielern. Taktisch ist er schon jetzt einer der besten Coaches der Liga und wenn Curry und Thompson mal zu sehr überdrehen, kann er auch dem Einhalt gebieten. Außerdem gefällt mir, wie stur Kerr auf seine Bank vertraut. Seine Rotation ist ja fast schon größer als in der Regular Season. Es ist also sie Vielzahl von kleinen Dingen, mit denen Kerr den Warriors hilft. Bei Lue ist es hingegen nur der taktische Aspekt, der aber - ohne Zweifel, Ole - einen positiven Einfluss auf das Team und die Ergebnisse hat. Dennoch stimmt bei Kerr einfach das Gesamtpaket und damit sehe ich ihn - was seinen Einfluss betrifft - vorn.

Moritz Fürste: Genau, Martin. Mit Kerr haben die Warriors schon einen Titel gewonnen, es gibt also keinen Grund für das Team, an seiner Taktik und seinen Worten zu zweifeln. Der Mann kann dir als NBA-Champion auf psychologischer Sicht ganz anders Gänsehaut vermitteln als Lue. Das gibt Kerr eindeutig einen Vorteil. Und auf taktischer Ebene hat er ebenfalls mehr Erfahrung.

Jonas Reckermann: Mo, du hörst doch ohnehin nicht auf die Trainer. Ich habe das Champions League Finale von euch gesehen, da hast du dem Coach nach einer Minute das Wort abgeschnitten und selbst die Ansprache gehalten. Ein bisschen wie LeBron James 2015 unter David Blatt. (lacht)

Moritz Fürste: Ja, so ähnlich war es wirklich. Bei Cleveland ist es relativ egal, wer an der Seitenlinie steht. Ich habe auch bei Lue nicht das Gefühl, dass er die letzte Entscheidungsgewalt hat. Und seien wir mal ehrlich in Bezug auf die Spielzüge nach Auszeiten: Die wenigsten spektakulären Buzzer-Beater waren bis ins Detail genauso geplant. Meist werden die ersten Optionen zugemacht und dann muss irgendjemand improvisieren. Und neben den Superstars ist Lue nicht mehr als ein Entertainer. Er muss versuchen, die Cavs auf Spur zu halten und die Ordnung herzustellen. Aber auf dem Court entscheiden werden LeBron und Irving.

Jonas Reckermann: Und genau das ist das entscheidende Argument, Mo. Egal, wie gut du als Spieler bist: In Stresssituationen, in denen man maximalen Druck verspürt, vergisst man manchmal die Basics. In den großen Momenten ist selten das Besondere entscheidend, sondern dass man seinen Job macht und sich auf die Basics konzentriert. Du kannst viel steuern, aber du kannst taktisch nicht alles immer sofort erkennen und dafür eine Lösung finden. Deshalb brauchst du einen starken Mann an der Seite, der den Blick auf das Ganze hat und in den entscheidenden Momenten taktische Feinjustierungen vornimmt. Daher auch meine Meinung: Der Coaching-Vorteil liegt bei den Warriors.

Marc-Oliver Robbers: Mo und Jonas, mir kommt Lue bei euch etwas zu schlecht weg. Dass die Cavaliers auf einmal wirklich ein funktionierendes System haben, muss man schon honorieren. Dass alles nur den Superstars zuzuschreiben, ist mir zu einfach. Natürlich hat LeBron wahrscheinlich den größten Einfluss, den ein Spieler in der NBA haben kann, aber ohne einen Coach, der in brenzligen Situationen die Ruhe bewahrt, kann man nicht gewinnen. Du hast es angesprochen, Jonas. Ich denke, wir sollen Lue nicht unterschätzen. Kerr ist nach jetzigem Stand aber natürlich der bessere Coach, weil er es eben bereits nachweisen konnte, dass er in der Lage ist, auch während des Spiels die richtigen Anpassungen vorzunehmen. Die Finals werden zeigen, ob Lue auch das Zeug dazu hat.