NBA

Der pflegeleichte Rodman

Draymond Green hat sich den Erfolg bei den Warriors mühsam erarbeitet
© getty

Ein zu groß geratener Zweier, gefangen im Körper eines Stretch Fours. Eine richtige Position hat Draymond Green nicht, aber das ist auch sein Vorteil. Trotzdem gibt es immer wieder Zweifler. Dabei beeinflusst er das Spiel der Warriors ungemein und ist das Mosaikstück zum ganz großen Wurf. Nicht umsonst vergleicht ihn sein Coach vor dem Spiel gegen die Los Angeles Clippers (So., 20.30 Uhr im LIVE-STREAM FOR FREE) mit Dennis Rodman.

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Wenn man schon einen Erstrundenpick aufwenden muss, um den Vertrag von JaVale McGee loszuwerden, dann lässt sich der aktuelle Nutzen von Zweitrundenpicks in der NBA relativ gut einschätzen. Sagen wir, er hält sich in Grenzen.

Womit in früheren Jahren noch hin und wieder Top-Spieler wie Manu Ginobili, Paul Millsap oder Kyle Korver gedraftet wurden, ist in Zeiten hochanalytischen Scoutings kaum noch ein echter Steal möglich.

Wenn man nicht gerade Sam Hinkie heißt, General Manager der Philadelphia 76ers ist und in den nächsten vier Jahren 13 Zweitrundenpicks zum Verbraten hat, ist die Wahrscheinlichkeit eines Glücksgriffs nicht wirklich hoch.

Mit einem guten Händchen gewinnt eine Franchise einen späteren Rollenspieler hinzu, mit Pech handelt man sich Karteileichen wie Chukwudiebere Maduabum, Eric Chenowith oder Magnum Rolle ein.

Oder man macht es wie Golden State und draftet Draymond Jamal Green aus Saginaw, Michigan - das entscheidende Puzzleteil, dass die Warriors gebraucht haben, um aus einem starken Team einen Titelanwärter zu formen.

Aufstieg von ganz unten

22 Jahre lang betrug der Radius, in dem sich Draymond Green bewegte, nur rund 100 km um seinen Heimatort am Westufer des Lake Michigan. In Saginaw besuchte er die High School, später war die Michigan State University der logische und naheliegende Schritt.

Im ersten Jahr sah es nicht danach aus, als hätte sich Dray damit einen Gefallen getan. Er hatte Probleme, bei den Spartans Fuß zu fassen und fand sich lediglich am Ende der Bank wieder. Doch während die Zahl der Zweifler wuchs, steigerte sich Greens Wille. Er nahm den Kampf mit seiner Situation an und begann, es seinen Kritikern zu beweisen. Einem nach dem anderen.

Angefangen mit einem festen Platz in der Rotation über die Auszeichnung zum Sixth Man of the Year bis hin zu seinem ersten Triple Double und der Wahl zum besten Spieler der Big Ten Conference ließ er jeden Skeptiker verstummen - und Green arbeitete sich immer weiter nach oben. Es war kein kometenhafter Aufstieg, es war ein harter Weg. Langwierig und beschwerlich.

Als Green 2012 zum erst dritten Spieler der Geschichte wurde, der beim NCAA Tournament ein zweites Triple Double auflegte und in einem Atemzug mit Oscar Robertson und Magic Johnson genannt wurde, schien sich die investierte Mühe endlich auszuzahlen. Doch sein Image war ein anderes als das der beiden früheren College-Stars.

Mehr Schwächen als Stärken

Zu klein, zu langsam, zu dick. Zu schwach, um auf den großen Positionen zu verteidigen, aber auch nicht athletisch genug, um es mit gegnerischen Flügeln aufzunehmen. All das konnte man vor drei Jahren in den Draft Reports lesen. Wer wollte schon einen undersized Power Forward von lediglich 2,01 m Größe haben?

Am Draft-Tag musste sich Dray lange in Geduld üben. Reihenweise gingen andere Forwards vom Board. Royce White, Andrew Nicholson, Perry Jones - sogar Arnett Moultrie und Jeff Taylor. Dann endlich, an Position 35, zogen ihn die Warriors mit ihrem dritten Pick des Abends. Und für Dray begann alles von vorn.

Deja-vu in Oakland

Dray war keiner der Rookies, deren Ankunft in der Bay Area noch in der Draftnacht gefeiert wurde. Niemand rannte in den nächsten Fanshop, um sich Greens Namen aufs Jersey drucken zu lassen. Er wusste das - und war dementsprechend zurückhaltend.

Im Gegensatz zu vielen Neulingen in der Liga zog er nicht in ein teures Haus in einer Metropole wie San Francisco, sondern nahm sich ein bescheidenes Apartment im 10.000-Seelen-Städchen Emeryville.

An Konkurrenz im Frontcourt mangelte es im Team nicht und so musste sich Dray wie an der MSU hinten anstellen. Erst durch die Verletzungen von Richard Jefferson und Brandon Rush wurden Minuten auf der Drei frei und er rutschte in die Rotation.

Während sich die Damian Lillards und Anthony Davis' seines Jahrgangs ins Rampenlicht spielten, blieb Green weitgehend unbemerkt. In seinem ersten Jahr scorte er lediglich ein einziges Mal zweistellig.

Ein Schritt nach dem anderen

In der Off-Season kam Dray seine unermüdliche Arbeitsmoral zugute. Er nahm 10 Kilo ab und ging jeden Tag in die Halle, um an seinem Dreier und seiner Defense zu arbeiten. Und das machte sich bezahlt.

Als Sophomore absolvierte Green alle 82 Saisonspiele, durfte sogar in zwölf Partien starten und legte vier Double-Doubles auf. Er machte keinen Sprung wie seine Draft-Kollegen Andre Drummond oder Terrence Ross, aber er machte Fortschritte. Langsam und stetig.

2014 war es wieder eine Verletzung, die Green die nächste Möglichkeit verschaffte, sich zu zeigen - und dieses Mal nutzte Dray seine Chance eindrucksvoll. In Abwesenheit von David Lee, der von Oktober bis Dezember mit Oberschenkelproblemen zu kämpfen hatte, dufte Green unter Steve Kerr endlich von Beginn an als Power Forward ran. Mit durchschnittlich 13,1 Punkten und 8,1 Rebounds verhalf er Golden State zum besten Saisonstart der Franchise-Geschichte.

M-I-P! M-I-P!

Auch in fast allen anderen Kategorien ist Green auf dem Weg zu einem neuen Karriere-Bestwert. Nicht verwunderlich ob der gestiegenen Spielzeit, aber auch auf 36 Minuten gerechnet, verbesserte sich Green in den Kategorien Punkte, Rebounds, Assists und Blocks.

Zwar lässt seine Freiwurfquote mit 65 Prozent noch deutlich Raum für Verbesserung, aber deshalb wird kein Team gegen die Warriors Hack-a-Draymond spielen. Demgegenüber hat Green seine Feldwurfquote von 33 auf 44 Prozent gesteigert, seine Dreierquote brachte er sogar von 21 auf 34 Prozent. Diese Zahlen schreien geradezu nach dem Most Improved Player Award.

Den vorläufigen Höhepunkt der Green-Festspiele bekamen die Chicago Bulls zu spüren, als Dray Anfang Dezember seinen vorheriges Career High mit 31 Punkten (7/13 Dreier) pulverisierte. Knapp einen Monat später folgte das erste Triple Double seiner NBA-Karriere. Beim Sieg gegen die Raptors wurde Green mit 16 Punkten, 11 Rebounds und 13 Assists zum dritten Frontcourt-Spieler nach Tim Duncan und Al Horford, dem in der laufenden Saison zweistellige Werte in diesen drei Kategorien gelangen.

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