Mit Detroit verbindet man in Zeiten der Wirtschaftskrise nicht viel Positives. Immer wieder muss die Motor City als abschreckendes Beispiel für die Auswirkungen der Krise herhalten. Leere Kassen, industrieller Verfall, verlassene Vorstädte und die höchste Kriminalitätsrate der USA sind nur ein paar Assoziationen, die immer wieder im Zusammenhang mit der Stadt Detroit genannt werden.
Da bietet der Locker Room der Pistons einen krassen Kontrast. Wenn man die in Marmor gravierten Erinnerungen an glorreiche Meisterschafts-Tage sieht, erinnert wenig an das Chaos und den Verfall nur wenige Kilometer weiter.
"Neuaufbau braucht Zeit"
Die monströsen, weißen Ledersofas in die sich Pistons-Center Greg Monroe beim Gespräch mit SPOX-Redakteur Jan-Hendrik Böhmer lümmelt, erinnern eher an die Lounge eines Luxus-Hotels und nicht an die Katakomben des eher rustikalen Palace of Auburn Hills.
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Und dennoch haben die Pistons mit ihrer Stadt einiges gemeinsam: Von außen betrachtet sieht es manchmal verheerend aus, im Inneren steckt man aber bereits mitten im Wiederaufbau.
Das bekräftigt auch Monroe im Gespräch mit SPOX. "Die Verantwortlichen hier in Detroit wissen, dass man nicht über Nacht plötzlich den großen Erfolg erwarten kann. Jeder hier ist sich bewusst, dass der aktuelle Neuaufbau seine Zeit braucht. Deshalb flippt auch niemand aus, wenn wir mal einen schlechten Run haben", berichtet der Center und sieht darin auch den Grund für den momentanen Aufwärtstrend der Pistons: "Diese Stabilität, die seit dem Verkauf der Franchise endlich eingekehrt ist, ist enorm wichtig für uns als Spieler."
Pistons setzen auf Draft
Im April 2011 übernahm Milliardär Tom Gores die Pistons und leitete den nächsten Rebuild ein. Detroit vertraut dabei ganz seinem Näschen im Draft. Bis auf Charlie Villanueva (7. Pick 2005, Toronto Raptors), Will Bynum (nicht gedraftet, Golden State Warriors) und Corey Maggette (13. Pick 1999, Seattle Sonics) begannen alle Spieler aus der aktuellen Pistons-Rotation ihre NBA-Karriere in Motor City. Neun Spieler aus dem 15-Mann-Kader wurden in den letzten sechs Jahren von Detroit gedraftet.
Das schafft Vertrauen, weiß auch Monroe: "Das gibt besonders den jungen Spielern die notwendige Ruhe, um sich richtig zu entwickeln. Man muss nicht befürchten, dass man nach einem schlechten Spiel degradiert wird. Dann traut man sich mehr und kann sich verbessern."
Die Playoffs sind aller Voraussicht nach auch in dieser Saison noch außer Reichweite, aber nach einem Katastrophen-Start mit acht Niederlagen in Serie haben die Pistons eine nahezu ausgeglichene Bilanz (14-16) erspielt. Die Macher vertrauen ihrem jungen Kader und verlieren dabei auch nicht die Geduld. Puzzleteil für Puzzleteil setzen sie den Kader zusammen, der mittelfristig an die erfolgreichen Championship-Zeiten anknüpfen soll.
Drummond soll die Zukunft sein
Eines dieser Puzzleteile ist Andre Drummond. Der 19 Jahre alte Center wird behutsam aufgebaut und kann im Schatten von Monroe reifen. Dabei lässt er schon jetzt sein enormes Talent aufblitzen. Mit seiner spektakulären Spielweise lockt er die Zuschauer zurück in die Halle, auch wenn der Zuschauerschnitt noch immer einer der schlechtesten der Liga ist.
"Natürlich ist es schade, dass die Zuschauerzahlen im Keller sind. Und ich denke, dass das nicht den Stellenwert widerspiegelt, den Basketball und Sport allgemein in Detroit einnehmen", sagt Monroe auf die Zuschauerresonanz angesprochen, sieht darin aber auch einen Vorteil für das junge Team. "Auf der anderen Seite ist Detroit aber auch ein guter Platz, um sich als junger Spieler abseits des ganz großen Rampenlichts zu entwickeln. Das hilft Spielern wie Brandon [Knight] und mir beim Übergang vom College zu den Profis."
Auch Point Guard Knight ist gerade erst 21, erzielt aber nach Monroe (15,5) die zweitmeisten Punkte in dieser Saison.
Zum dritten Mal in Europa
In London wartet aber nun die ganz große Bühne auf das Pistons-Team. Zum dritten Mal findet ein Regular-Season-Spiel in Europa statt. Im März 2011 traten die Nets und die Raptors gleich zweimal in Englands Hauptstadt an.
Dieses Mal geben sich neben den Pistons auch die New York Knicks die Ehre. Gegen den Championship Contender aus dem Big Apple sind Monroe und Co. nur Außenseiter. Die Knicks (24-13) sind momentan das zweitbeste Team im Osten und haben sich nach einer kleinen Schwächephase zuletzt wieder gefangen.
Den ersten Vergleich gewann New York im Madison Square Garden deutlich mit 121:100, auch weil die Pistons Carmelo Anthony nicht in den Griff bekamen. Der Superstar wird sich sicher auch dem europäischen Publikum in Bestform präsentieren wollen und hat zudem gute Erinnerungen an die O2-Arena. Im Sommer holten er und Tyson Chandler an gleicher Stelle olympisches Gold mit den USA.
Shumpert vor Debüt
Auch für Iman Shumpert wird der Trip nach London ein besonderer. Der Guard hat seinen Kreuzbandriss auskuriert und wird in der englischen Metropole sein Saisondebüt geben. Damit lichtet sich das Lazarett des ältesten Teams in der NBA-Geschichte zumindest ein wenig. Raymond Felton (Fingerverletzung), Marcus Camby (Fußverletzung) und Rasheed Wallace (Fußverletzung) werden weiterhin fehlen.
Letzterer hätte sich dabei sicherlich gerne gegen sein altes Team gezeigt. Wallace war Mitglied jenes Teams, dessen Erfolge 2004 zuletzt in die Marmorplatte im Locker Room der Pistons eingraviert wurden.
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