Wenn Andre Ward in seiner Wahlheimat Oakland gegen Paul Smith in den Ring steigt, enden für den US-Amerikaner 581 schier unendlich scheinende Tage. Mehr als 19 Monate ohne Kampf liegen hinter einem der talentiertesten Athleten der Gegenwart, der von vielen als bester Pound-for-Pound-Boxer nach Floyd Mayweather jr. gesehen wird. Denn trotz einer makellosen Bilanz war der Sieg gegen Edwin Rodriguez im November 2013 der vorläufige Schlusspunkt einer steilen Karriere.
Der Grund für die wohl schwierigste Phase seiner Laufbahn lag dabei keinesfalls zwischen den Seilen. Ganz im Gegenteil: Im sportlichen Bereich war Ward während seiner inzwischen zehn Jahre andauernden Zeit als Profi stets über jeden Zweifel erhaben. Siege über Carl Froch, Mikkel Kessler, Chad Dawson oder Arthur Abraham sowie ein spielerisch wirkender Triumph beim "Super Six World Boxing Classic" des Senders Showtime unterstrichen seine Ambitionen. Ein Ende des Siegeszuges war nicht in Sicht.
Im Hintergrund bröckelte es allerdings gewaltig. Immer wieder kam es zu Differenzen zwischen Ward und Promoter Dan Goossen, die letztlich gar in diversen Gerichtsgebäuden ausgetragen wurden. Ward, den zudem Verletzungen plagten, fühlte sich nicht entsprechend repräsentiert. Das Vorhaben, sich in einem Rechtsstreit aus seinem Vertrag zu lösen, scheiterte jedoch in sämtlichen Instanzen. Sein unglaublicher Lauf kam ins Stocken, der Linksausleger schien mehr und mehr in einer Sackgasse zu stecken.
Schock als Neuanfang
Erst ein Schicksalsschlag sollte für die Wende sorgen. Goossen, der Ward zum Champion managte und sich Tag und Nacht für seinen Klienten aufopferte, verlor im September des vergangenen Jahres nur wenige Wochen nach der Diagnose den Kampf gegen ein Krebsleiden. Mit einem Schlag traten all die Konflikte um Geld und Vermarktungspotential in den Hintergrund - auch für den gläubigen Ward, der nicht nur aufgrund seines Egos auf den Spitznamen "Son of God" hört.
"Ich bin von den Neuigkeiten über den Tod Goossens tief betroffen", gab der 31-Jährige in einem öffentlichen Statement bekannt: "Obwohl Dan und ich in den letzten Wochen und Monaten auf professioneller Ebene nicht einer Meinung waren, war er ein großartiger Mensch, Vater und Ehemann. Er wird der gesamten Boxszene fehlen. Ich werde für seine Familie einen Platz in meinen Gebeten haben."
Die Aufrichtigkeit hinter den Worten anzuzweifeln, ihm gar Heuchelei vorzuwerfen, wäre unwürdig. Schließlich wurde Ward selbst einst von dieser heimtückischen Krankheit in ein tiefes Tal gestürzt. So erlag sein Vater, zu dem er eine äußerst enge Beziehung hatte, im Jahr 2002 dem Krebs. Der Mann aus Oakland dürfte den Schmerz somit besser nachvollziehen können als so manch anderer. Dennoch eröffneten sich durch den plötzlichen Tod Goossens unerwartete Möglichkeiten.
In Gesprächen mit dem neuen Verantwortlichen von Goossen Promotions, Tom Brown, Schwager und rechte Hand des Verstorbenen, konnten beide Seiten schließlich eine Einigung erzielen. Es kam zum ersehnten Split. "Es ist ein Kapitel, das nun abgeschlossen ist", gab sich Brown, der zusammen mit Dans Sohn Craig einen Neuanfang anstrebte, zwiegespalten: "Es ist an der Zeit, weiterzuziehen."
Mayweather 2.0?
Als hauptverantwortlich galt mit Ward-Manager James Price jedoch ein anderer Protagonist. "Ich habe in der gesamten Situation auf seine Meinung vertraut", sagte Ward kürzlich über die Rolle des Strippenziehers im Hintergrund: "Wir haben uns oft darüber unterhalten und er fragte mich, ob ich bereit für diese Veränderung wäre. Er hat dann die weiteren Schritte unternommen. Ich denke, dass es für mich zu diesem Zeitpunkt meiner Karriere definitiv der beste Schritt war."
Ein Schritt, der Parallelen zu Landsmann Mayweather erkennen lässt. Erst als dieser im Jahr 2006 von einer Vertragsklausel Gebrauch machte, sich gegen eine Zahlung in Höhe von 750.000 US-Dollar von Top Rank Promotions löste und seine Geschicke selbst in die Hand nahm, bekam seine Karriere den entscheidenden Schub. Einen Effekt, den sich wohl auch Ward erhofft. Während sich Mayweather fortan selbst vermarktete, fand Ward bei Roc Nation Sports, einer von Musik-Mogul Jay-Z ins Leben gerufenen Promotion, eine neue Heimat. Die Zeit der Worte dürfte damit vorerst vorbei sein, im Fokus stehen von nun an wieder Taten.
Denn anders als Mayweather, der seit jeher durch einen extravaganten Lebensstil und etwaige Konflikte mit dem Gesetz für Aufsehen sorgt und sich so auch außerhalb des Seilgevierts vermarktet, muss Ward auf seine Leistungen im Ring bauen. Sein effektiver aber ebenso unspektakulärer Stil, der auf einer starken Defensive aufbaut, macht das Unterfangen, die Nachfolge Moneys auch bei den Zuschauern anzutreten, nicht unbedingt einfacher.