Als die Spieler ihre durchweg positiven Statements abgegeben hatten, betrat Bob Hanning die Mixed Zone in der Arena Zagreb. Der DHB-Vizepräsident lobte den Auftritt der Mannschaft ebenfalls, fühlte sich letztlich aber bemüßigt, ein wenig den Mahner zu spielen.
"Ich bin sehr dafür, dass wir diese Partie entspannt einordnen", sagte der 49-Jährige: "Es war ein starkes Spiel, es hat vieles geklappt, wir haben viele Dinge richtig gemacht. Aber niemand sollte dieses Spiel überbewerten. Ich warne vor zu viel Euphorie."
Was Hanning damit meinte, ist klar: Bei allem berechtigten Lob für die Bad Boys darf man nicht vergessen, dass Montenegro kein Maßstab war. Die von Verletzungssorgen geplagte Truppe von der südöstlichen Adriaküste war ein dankbarer Auftaktgegner - nicht mehr und nicht weniger.
"Wir waren so gut, nicht der Gegner so schwach", wehrte sich der überzeugende Philipp Weber gegen diese Sicht der Dinge: "Der Gegner ist immer nur so gut, wie wir es zulassen."
Christian Prokop: "Ein sehr gutes Gesamtpaket"
Deutschland hatte die Partie nach kleineren Schwierigkeiten zu Beginn nach wenigen Minuten komplett im Griff. Die Abwehr packte vor allem in Person von Patrick Wiencek entschlossen zu, dahinter erledigte Torhüter Andreas Wolff mit starken 46 Prozent abgewehrten Würfen den Rest.
Und auch im Angriff blitzte die schon in der Vorbereitung gesehene Flexibilität immer wieder auf. Gleich zehn DHB-Spieler trugen sich in die Torschützenliste ein, alle Formationen funktionierten offensiv und defensiv gut bis ordentlich. Jeder Spieler, der auf das Spielfeld durfte, wollte sich unbedingt zeigen und hat Gas gegeben.
"Wir haben ein sehr gutes Gesamtpaket auf die Platte gebracht", sagte Bundestrainer Christian Prokop: "In der Abwehr waren wir sehr beweglich, das wurde auch im Laufe des Spiels immer stärker. In der Offensive haben wir über weite Strecken ein gutes Tempospiel gezeigt, auch wenn wir in der zweiten Halbzeit ein paar Chancen ausgelassen haben. Was mir sehr gut gefallen hat, war die geringe Anzahl an technischen Fehlern."
Der Kapitän stimmte Prokop, der sein erstes Spiel als Bundestrainer überhaupt bei einem großen Turnier absolvierte, zu. "Wir sind konzentriert zu Werke gegangen, haben von Beginn an eine konsequente Leistung gezeigt. Wenn wir so auftreten und so aggressiv sind, wird es für jeden Gegner schwer", analysierte Uwe Gensheimer.
Andreas Wolff sorgt für Schrecksekunde
So blieb eine Situation um Wolff die einzige Schrecksekunde des Tages. Der Keeper vom THW Kiel musste zehn Minuten vor dem Ende für Silvio Heinevetter vom Feld. Erst wurde er auf der Bank am Sprunggelenk behandelt, Minuten später humpelte er durch die Katakomben.
Glücklicherweise gab es schon bald Entwarnung. "Er hat nach dem Spiel gesagt, dass es nicht so schlimm ist. Er hatte das in der Partie zunächst nicht gemerkt, mit zunehmender Spielzeit wurde es dann aber schlimmer. Ich denke, wir müssen uns trotzdem keine Sorgen machen", sagte Prokop.
Der EM-Held von 2016 könnte im nächsten Spiel dennoch eine Pause erhalten. Gut möglich, dass Prokop dem in der Vorbereitung so überzeugenden Silvio Heinevetter eine Chance gibt, um ins Turnier zu finden. Schließlich benötigt die deutsche Mannschaft, die mit Blick auf das Halbfinale zwingend vier Punkte und damit zwei weitere Siege mit in die Hauptrunde nehmen sollte, im weiteren Verlauf zwei Torhüter auf höchstem Niveau.
Slowenien ein ganz anderes Kaliber
Die kommenden Aufgaben am Montag gegen Slowenien (18.10 Uhr im LIVETICKER) und zwei Tage später gegen Mazedonien (18.10 Uhr im LIVETICKER) werden nämlich wesentlich kniffliger. Das zeigte sich schon im direkten Duell der beiden Teams. In einer hart umkämpften Partie setzte sich Mazedonien gegen den WM-Halbfinalisten von 2017 überraschend mit 25:24 durch.
"Jetzt heißt es, sich auf Slowenien einzustellen. Sie sind eine Mannschaft, die auf allen Positionen spielerisch sehr stark besetzt ist und viel Druck macht. Außerdem haben sie einen guten Torwart. Sie werden auch von vielen Fans unterstützt werden, von daher müssen wir am Montag eine Top-Leistung zeigen", gab Prokop die Richtung vor.
Vor allem die Atmosphäre in der gegen Slowenien angeblich tatsächlich mit 15.000 Zuschauern ausverkauften Arena Zagreb dürfte von nun an hitziger werden. Gegen Montenegro war "der Hexenkessel nur ein laues Lüftchen", wie Hanning feststellte: "Das wird jetzt ganz anders. Da warten nicht nur auf dem Spielfeld, sondern auch auf den Rängen ganz andere Kaliber."