Aus dem großen Fabio Capello wurde plötzlich ein bockiges Kind.
"Das ist doch alles nicht unsere Schuld, nicht meine Schuld. Wir waren exzellent", verkündete Russlands Nationaltrainer nach dem sieglosen Scheitern in der vermeintlich schwächsten WM-Gruppe. Capello verschränkte die Arme, stülpte die Unterlippe vor und schmollte.
Gut, beim 1:1 (1:0) im letzten Vorrundenspiel gegen Algerien in Curitiba zeigten die Russen ihre beste Turnierleistung. Für den für das Achtelfinale nötigen Sieg waren sie gegen die Underdog aus Nordafrika aber nicht stark genug. Dafür jedoch zog Capello alles und jeden zur Verantwortung. Und gab ein schwaches Bild für einen Trainer ab, der die Russen bis zur Heim-WM in vier Jahren zumindest in die erweiterte Weltspitze führen soll.
"Sie fragen mich, ob ich noch der richtige Mann für 2018 bin. Das sollten sie die Leute im Verband fragen", herrschte Capello einen englischen Journalisten an: "Und Sie sollten lieber dankbar sein: Ich habe Ihr Land 2010 zur WM und 2012 zur EM geführt. Und mit Russland habe ich mich erstmals seit zwölf Jahren für die Weltmeisterschaft qualifiziert. Ich denke, ich habe einen ziemlich guten Job gemacht." Ende der Durchsage.
Was der 68-Jährige dabei verschwieg: 2010 war er als Trainer der Engländer im Achtelfinale krachend an Deutschland gescheitert (1:4), 2012 nach Streitigkeiten mit dem Verband vor der EM beleidigt zurückgetreten. Und nun das WM-Aus mit Unentschieden gegen Südkorea und Algerien (jeweils 1:1) und einer Niederlage gegen Belgien (1:2).
Capello will bis 2018 weitermachen
Eine ziemlich dünne Bilanz für einen Trainer, der in Russland angeblich über acht Millionen Euro im Jahr verdient, pardon: erhält. Und das dürfte auch dem russischen Verband nicht entgangen sein. "Wenn der mich weiter haben will, mache ich auch weiter", sagte Capello, dessen Vertrag 2018 endet. 72 Jahre alt wäre er dann.
Altersweisheit legte er nach dem Remis gegen Algerien nicht an den Tag. Zunächst schimpfte er auf die Schiedsrichter: "Das war doch unser wahres Problem hier, deshalb sind wir ausgeschieden", polterte er, "gegen Belgien war das so, und heute gab es vor dem 1:1 auch ein Foul gegen uns. Nach dem Belgien-Spiel habe ich meinen Mund gehalten, das muss ich jetzt nicht mehr - wir sind ja nicht mehr bei der WM dabei."
Danach war es ein böser Fan: "Vor dem Ausgleich ist mein Torwart von einem Laserpointer geblendet worden, das konnte man auf den TV-Bildern klar sehen, dafür gibt es keine Entschuldigung."
Laserpointer sind eine schlimme Unsitte, aber dass sein Torwart Igor Akinfejew schon gegen Südkorea böse gepatzt hatte - für Capello kein Thema. Ebenso wenig die spielerischen Mängel, die mangelnde Durchschlagskraft im Sturm, das ideenlose Spiel. Dies einzugestehen, hätte Kraft und Größe erfordert. Dann schon lieber: Unterlippe vor.