SPOX: Von Hoffenheim ging es wieder zurück nach München, aber diesmal nicht zu den Roten, sondern zu den Blauen. Wurden Sie mit offenen Armen empfangen?
Hürzeler: Nicht von jedem, das sicher nicht. Aber es änderte sich dann auch relativ schnell. Mit Daniel Bierofka hatte ich erneut einen ganz anderen Typ Trainer, von dem ich einiges mitnehmen konnte. Jeder, der ihn kennt, weiß, wie ehrgeizig er ist. Bei ihm geht es um Tugenden wie Wille und Disziplin. Es geht darum, den inneren Schweinehund zu überwinden. Er brennt für den Fußball. Auch das ist ein Ansatz, der zum Erfolg führen kann. Ich bin dankbar, dass ich schon in jungen Jahren viele unterschiedliche Trainer und Philosophien kennenlernen durfte. Von allen habe ich etwas gelernt. In der Zeit bei den Löwen ist in mir dann auch langsam die Entscheidung gereift, dass ich meine Spielerkarriere nicht mehr weiterverfolgen, sondern mich jetzt selbst schon so früh als Trainer ausprobieren will.
SPOX: Das muss Ihnen sehr schwergefallen sein?
Hürzeler: Es war sicher nicht leicht, einen Schlussstrich zu ziehen und meinen großen Traum einer Profikarriere als Spieler, für den ich jahrelang so viel investiert hatte, aufzugeben. Da war ein weinendes Auge dabei. Es gab natürlich auch Menschen, die meinten, dass es der falsche Schritt sei. Aber ich war relativ überzeugt und hatte auch die Portion Mut, die man für diesen Schritt braucht. Ich wusste, dass es auch total schiefgehen kann, aber hey, manchmal muss man im Leben mutig sein. Ich war mir über meine Fähigkeiten bewusst, die ich in mir trage. Dass ich es verstehe, ein Spiel so ein bisschen wie aus der Vogelperspektive zu betrachten. Dass ich eine Gruppe führen kann. Dass ich die nötige Menschenkenntnis besitze. Es hat mich unheimlich gereizt, selbst vor einer Mannschaft zu stehen. Einen Gegner zu analysieren und die Trainingseinheiten vorzubereiten. Also sagte ich mir: Ich probiere es jetzt einfach aus. Ich war überzeugt davon, diese Herausforderung anzunehmen. Im Nachhinein muss ich aber sagen, dass das Trainerleben komplett anders ist, als ich es mir vorgestellt habe.
SPOX: Erzählen Sie.
Hürzeler: Die größte Überraschung für mich war wirklich, wie groß der Unterschied zwischen Spieler- und Trainerleben ist. Als Spieler fährst du zum Spiel und abends gehst du feiern, völlig egal, wie das Spiel gelaufen ist. Als Trainer kannst du Partys vergessen. Als Trainer bist du schon die gesamte Woche bis zum Anpfiff nur mit dem Spiel beschäftigt, mit der Frage der Aufstellung, mit der Frage nach Plan A und B - und ab einen Tag vor dem Spiel bist du eh kaum noch ansprechbar, so angespannt bist du. Wenn das Spiel dann aber gewonnen wird, habe ich die Erfahrung gemacht, dass es ein noch viel schöneres Gefühl ist und einem noch viel mehr gibt als zu Spielerzeiten.
SPOX: Und wenn das Spiel nicht positiv ausgeht?
Hürzeler: Dann ist das Wochenende gelaufen. Da bin ich nicht mehr unterwegs, da grübele ich. Da liege ich die ganze Nacht wach im Bett und kann nicht einschlafen, weil mir so viele Gedanken durch den Kopf gehen. Wenn Daniel Bierofka am Tag nach einer Niederlage in der miesesten Laune aller Zeiten in die Kabine kam, haben wir uns als Spieler immer gefragt, was mit ihm denn los sei. Jetzt kann ich ihn zu hundert Prozent verstehen.
Fabian Hürzelers Karrierestationen
Saison | Verein |
2012/13 | FC Bayern München II |
2013/14 | TSG 1899 Hoffenheim II |
2014 - 2016 | TSV 1860 München II |
seit 2016/17 | FC Pipinsried |
Fabian Hürzeler über seinen Beginn beim FC Pipinsried
SPOX: Dass Sie beim FC Pipinsried diese Chance erhielten, lag unter anderem daran, dass der damalige Präsident Konrad Höß ein Faible für junge Spielertrainer hatte.
Hürzeler: Wobei ich nochmal jünger war als alle seine Trainer davor. (lacht) Es war eine mutige Entscheidung, für die ich ihm auch sehr dankbar bin. Als ich die ersten Male über die Dörfer nach Pipinsried gefahren bin, war ich mir nicht sicher, ob es das Richtige für mich ist, aber jetzt kann ich sagen, dass es perfekt gelaufen ist.
SPOX: Das kann man wohl sagen. In Jahr eins haben Sie den Aufstieg in die Regionalliga geschafft. Eine Sensation. In Jahr zwei haben Sie den Klassenerhalt in der Regionalliga geschafft. Eine noch größere Sensation. Wie würden Sie die Zeit bis jetzt beschreiben?
Hürzeler: Es ist schon optimal verlaufen. Vor allem, wenn ich reflektiere, wie ich mich in den vergangenen zweieinhalb Jahren weiterentwickelt habe. Der Unterschied von damals zu heute ist wie Tag und Nacht. Ich lerne jeden einzelnen Tag dazu. Meine Eltern haben mir eingebläut, dass auch sie immer noch dazulernen. Jeden Tag dazuzulernen ist für mich mein Motto geworden. Von anderen Trainern. Aus anderen Sportarten. Vielleicht von Menschen aus ganz anderen Bereichen. Das Trainergeschäft besteht aus so vielen Facetten. Alleine der Umgang mit den Spielern ist so faszinierend. Ich beschäftige mich mit meiner Rhetorik und Körpersprache. Wie kann ich einen Spieler noch mehr packen? Die erste Ansprache eines Trainers ist ganz entscheidend. Du musst zeigen, dass du eine Autoritätsperson bist, aber gleichzeitig die Spieler ins Boot holen und gemeinsame Ziele und Erwartungen aufzeigen. Mit der Zeit merke ich, welchen Spieler ich streicheln oder mal härter ansprechen muss. Ich erfahre, wie ich mit Niederlagen und Krisen umgehe als Person. Das sind alles Dinge, die den Job des Trainers für mich so spannend machen.
SPOX: Im Moment spielen Sie auch noch selbst, was die Sache sicher besonders anspruchsvoll macht, oder?
Hürzeler: Es ist wirklich nicht ganz einfach. Zum einen muss ich schauen, dass ich trotz der Aufgaben als Trainer auch noch etwas für mich tue und fit bleibe. Dann muss natürlich vor allem die Leistung stimmen, weil ich als Spielertrainer unter besonderer Beobachtung stehe. Ich kann ja schlecht selbst die ganze Zeit Fehler machen und dann meine Spieler auf dem Feld anraunzen. Außerdem versuche ich auch auf dem Feld, so gut es geht das ganze Spiel einzuordnen. Ich wünschte, ich hätte Augen im Hinterkopf. Was macht mein Innenverteidiger in meinem Rücken? Schiebt er nach, wenn ich nach vorne schiebe? Ich habe hohen Respekt vor jedem Spielertrainer. Aktuell versuche ich, den richtigen Spagat hinzubekommen. Das Ziel ist, dass meine Mannschaft mich auf dem Feld nicht mehr braucht.