Sechs Jahre ist sie nun her, die größte Demütigung des FC Barcelona aus diesem Jahrhundert. Doch so mancher Cule fühlt sich in den letzten Wochen zurückversetzt in eine Zeit, die man eigentlich schon längst abgehakt hatte. Eine undisziplinierte und lustlose Mannschaft verlor damals mit 1:4 gegen Real Madrid und musste dem großen Erzrivalen im Santiago Bernabeu Spalier stehen.
Nun droht nach den erfolgreichsten Jahren der Klubgeschichte ein ähnliches Debakel. Am letzten Spieltag geht es gegen Atletico Madrid, erneut droht das Spalier - diesmal sogar im eigenen Stadion. Dabei wollte der FC Barcelona gerade nach der letzten Saison wieder angreifen. Eine neue Spielweise, endlich der gewünschte Plan B - all das versprach die Neuverpflichtung Gerardo Martino.
Erste Ansätze erkennbar
Bereits die ersten Testspiele erwärmten das katalanische Herz. Ein hohes und aggressives Gegenpressing, direktes, schnelles Spiel kombiniert mit Ballbesitzfußball und einer hohen Laufbereitschaft. Die Mannschaft wirkte fit und top motiviert, der einzige Neuzugang Neymar fügte sich nahtlos in das Kollektiv ein.
Martino schien der Mann zu sein, den Barcelona lange gesucht hatte. Jemand, der die Klubphilosophie kennt und verstanden hat, allerdings auch nicht vor Anpassungen zurückschreckt. Der Argentinier führte sein Prinzip weiter fort. Aus Barca wurde situativ eine Mannschaft, die im 4-4-2 agierte, ein tieferes Mittelfeldpressing spielte und teilweise sogar weniger Ballbesitz verbuchte als der Gegner.
"Philosophie ist unantastar"
Monate später steht Martino vor dem Aus. Die Meisterschaft scheint verloren, das Aus in der Champions League ist bereits besiegelt. Vor dem Finale in der Copa del Rey stehen die Vorzeichen nicht unbedingt auf Sieg.
Es ist das Ergebnis einer Debatte, die ihren Anfang noch zu Zeiten hatte, als Barcelona die Tabelle anführte und frühzeitig für das Achtelfinale der Königsklasse qualifiziert war.
Eine Debatte, wie sie nur in Katalonien entstehen kann. Die Mannschaft spiele nicht attraktiv genug, das Prinzip des FC Barcelona sei es, den Gegner zu dominieren und jederzeit selbst die Initiative zu übernehmen. Beschwichtigende Worte wie von Xavi, der erklärte: "Die Philosophie des Teams ist unantastbar und nicht veränderbar. Das hat uns Martino an seinem ersten Tag klargemacht", verpufften wirkungslos.
Die Rolle der Presse
Denn die Presse hatte ihr Opfer gefunden. Wochenlang drehten sich Pressekonferenz, ob Sieg oder nicht, um die Spielweise und das Zustandekommen der Ergebnisse. So lange bis sich Pedro Rodriguez zu der Aussage hinreißen ließ, man spiele "gar nicht so schlecht, wie alle sagen."
Ein Vorangehen, das Wirkung zeigte. Martino brach ein. Schritt für Schritt ging es zu alten Gewohnheiten zurück. Das Pressing wurde weniger, der Ballbesitz wieder höher. Die Presse verstummte, solange die Ergebnisse stimmten. Nun meldet sie sich zurück, inzwischen wurde auf manchem Titelblatt sogar die Entlassung des Trainers gefordert.