SPOX: Sie waren als Jugendtrainer verantwortlich für die U16 und U17 des DFB, dann wurden Sie beim Profi-Team der Spurs Co-Trainer - und sind nun Internationaler Technischer Koordinator. Wo sehen Sie sich zukünftig? Weiter in der Premier League?
Freund: Aufgrund meiner Erfahrungen als Spieler, Trainer und jetzt als Koordinator kann ich als Cheftrainer, aber auch als Sportdirektor Verantwortung übernehmen. Ich weiß, dass ich beides beherrsche und mit Inhalten ausfüllen kann. Sollte sich eine Möglichkeit ergeben, hätte ich nichts dagegen, weiter in England tätig zu sein. Ich weiß, worauf es in der Premier League ankommt, vor allem für Ausländer. Es geht darum, die englische Mentalität zu verstehen und sich darauf einzulassen. Viele Dinge werden hier lockerer gesehen. Wenn man beispielsweise im Stau steht und deswegen zu spät beim Training auftaucht, ist das keine große Sache. Man zahlt die Strafe, es ist vergessen und daraus entsteht kein Ballyhoo in den Medien.
SPOX: Welche Auswirkungen hatte Felix Magaths erfolgloses Wirken bei Fulham auf das Ansehen deutscher Trainer im Allgemeinen?
Freund: Für Felix Magath war es eine sehr schwierige Konstellation. Er war bei Fulham der dritte Trainer in einem halben Jahr und als er kam, war die Mannschaft Letzter der Premier League. Und wer die Liga kennt, der weiß, wie hart der Wettbewerb in der Breite ist und wie schwierig es ist, ein Team nach oben zu führen. Daher ist es keine Schande, dass ihm die Rettung, anders als in Bremen, Frankfurt oder Stuttgart, nicht glückte. In der englischen 2. Liga lief es dann sportlich leider katastrophal für ihn.
SPOX: Etwas überraschend etablierte sich hingegen Emre Can beim FC Liverpool - und das in ungewohnter Position als Verteidiger. Sie trainierten ihn bei der deutschen U17 und wurden mit ihm als Kapitän EM-Zweiter und WM-Dritter. Wie bewerten Sie seinen Werdegang?
Emre Can: Der frühreife wird erwachsen
Freund: Jeder denkt, dass die Position als Innenverteidiger in der Dreierkette ganz neu wäre für Emre. Aber er hat sie schon in der Landesauswahl Hessen gespielt und ist dann erst ins zentrale Mittelfeld gerutscht. Er war immer eher ein spielstarker Verteidiger als ein offensiv denkender Mittelfeldspieler, daher hatte ich gehofft, dass er eine solche Chance in Liverpool bekommt. Ihm kommt nun seine Vielseitigkeit zugute. Perspektivisch sehe ich ihn im zentralen Mittelfeld. Die Fähigkeiten prädestinieren ihn dazu. Zurzeit spielen dort zwar Steven Gerrard, Jordan Henderson, Lucas und Joe Allen, trotzdem sehe ich nächste oder spätestens übernächste Saison Emre als die neue Nummer acht von Liverpool - und damit als Gerrards Nachfolger.
Die Opta-Statistiken von Steven Gerrard und Emre Can der PL-Saison 2014/15
SPOX: Das mittlerweile heißeste Stürmer-Talent der Premier League heißt Harry Kane - und spielt bei Tottenham. Sie haben ihn selbst noch trainiert. Hätten Sie gedacht, dass Kane, der nie zu den Wunderkindern zählte, derart explodieren würde? Alleine in den letzten elf Liga-Spielen erzielte er zwölf Treffer.
Freund: Als ich 2012 bei Tottenham anfing, kehrte er gerade als U19-Nationalspieler zurück von der EM und startete verspätet in die Saison-Vorbereitung. Er spielte schon damals mit viel Herz und einer hohen Arbeitsmoral, doch er war noch zu jung und nicht gut genug. Daher liehen wir ihn nach Norwich und Leicester aus. Als er ein Jahr später wieder bei uns anfing, sahen wir einen anderen Harry Kane. Er erhielt in Norwich und Leicester nicht durchgängig seine Einsätze, trotzdem trat er wie ein gestandener Spieler auf, dem anzusehen war, dass er sich weiterentwickelt hatte. Vor allem seine Abschlusstechnik hatte sich enorm verbessert. Davon profitiert er jetzt: Er triff aus fünf, zehn oder 20 Metern, egal ob mit dem rechten oder linken Fuß. Seine saubere Schusstechnik ist die größte Stärke. Das sah man an seinem ersten Tor beim 5:3 gegen Chelsea, als er aus 23 Metern genau in die untere linke Ecke traf. Dazu hat er die Freistoß-Technik gelernt, um dem Schuss einen Topspin zu geben, sodass der eigentlich zu hoch geschossene Ball kurz vor dem Tor herunterfällt.
Harry Kane: Wie ein junger Thomas Müller
SPOX: Was für ein Stürmertypus ist Kane?
Freund: Ein klassischer Mittelstürmer, der im Sprint nicht der Allerschnellste ist, stattdessen im Strafraum die Körpernähe zum Verteidiger sucht und sich in ihn reindreht. Aber was spannend ist: Harry kann dank seiner Lauffreudigkeit auch hängend spielen. Das ist ein großer Vorteil für Mauricio Pochettino, weil er so bei einer offensiveren Aufstellung Roberto Soldado oder Emmanuel Adebayor als Neuner und Kane als Zehner dahinter aufstellen kann.
SPOX: Wie sehen Sie Kanes Rolle für die englische Nationalmannschaft?
Freund: In England werden gerade zwei Stürmer hoch gehandelt: Kane und Saido Berahino von West Brom. Anders als Berahino hat Kane in der Europa League bereits bewiesen, dass er internationales Format besitzt. Daher ist es für Nationaltrainer Roy Hodgson eine sehr wichtige Nachricht, dass er neben Wayne Rooney und Daniel Sturridge, der sehr lange verletzt war, plötzlich einen oder zwei gute Stürmer dazubekommt.
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