Im Interview mit SPOX und Goal spricht der gebürtige Landshuter über seinen Werdegang und seine heutige Tätigkeit. Er erklärt, warum keine tiefgreifenden Reformen im deutschen Fußball nötig sind und wie der Verband das Team um seine Teams herum stärkt, um zurück zur Weltspitze zu kehren.
Herr Haupt, bis 2014 standen Sie für den Amateurverein FC Ergolding selbst noch als Torhüter auf dem Rasen, ehe Sie sich voll und ganz Ihrer beruflichen Laufbahn widmeten. Vermissen Sie Ihre Zeit als Hobbykicker?
Tobias Haupt: Das Drumherum, vor allem das Kabinenleben, vermisse ich manchmal schon. Das ist ja das Besondere am Amateurfußball. Man sitzt auch nach den Spielen lange zusammen, isst und trinkt etwas, lacht viel. Andererseits wird man ja auch älter, die Prioritäten ändern sich. Auch wenn es eine tolle Zeit war: Ich habe kein Problem damit, nicht mehr selbst zu spielen.
Nahezu jeder fußballbegeisterte Mensch träumt in jungen Jahren von einer Karriere als Profi. Es sollte in Ihrem Fall nur zu ein paar Einsätzen in der Bayernliga reichen. Würden Sie auch die in Kreisliga-Sphären übliche Ausrede verwenden, dass Ihnen einzig eine schwere Knieverletzung den Weg nach oben verbaut hat?
Haupt: Nein, auf keinen Fall (lacht). Es hat einfach nicht gereicht. Ich weiß noch, wie ich mit neun Jahren zunächst als Innenverteidiger mit dem Fußballspielen begonnen habe. Das war allerdings eine mittlere Katastrophe und definitiv nicht zukunftsfähig. Die Position des Torhüters hatte mich schon von klein auf begeistert. Wegen meiner Größe wurde ich dann auch tatsächlich relativ schnell ins Tor gestellt - und bin dort auch geblieben. Es gab dann auch Zeiten, in denen ich dem Fußball in meiner Jugend viel untergeordnet und täglich intensiv trainiert habe, auch während meines Abiturs und meines Studiums. Mit 21, 22 war mir aber allmählich klar, dass es nicht über die damals vierthöchste Spielklasse hinausgehen würde. Meine Eltern haben mich glücklicherweise schon immer darauf hingewiesen, dass ich auch ein zweites Standbein benötige.
DFB zurück an die Weltspitze? Tobias Haupt: "Sind nah dran"
Das haben Sie sich über die Jahre aufgebaut. Mit 29 waren Sie Deutschlands jüngster Sportmanagement-Professor, arbeiteten bei Hannover 96 und dozierten an diversen Hochschulen. 2018 übernahmen Sie die Leitung der DFB-Akademie. Wie gelang Ihnen dieser schnelle Durchbruch?
Haupt: Man braucht immer Menschen, die an einen glauben und fördern. Das Wichtigste ist aber, seiner Leidenschaft nachzugehen. Nur wer das Privileg hat, das machen zu können, was ihm Spaß bereitet, ist bereit, überdurchschnittlich viel Zeit und Herzblut zu investieren, was dann oftmals dazu führt, auch überdurchschnittlich mehr als andere leisten zu können. Ich bin ein Kind des Fußballs, absolut fußballbesessen und habe immer das Ziel gehabt, eine Führungsaufgabe im Profibereich zu übernehmen. Durch meinen gesamten Ausbildungsweg und spätere berufliche Aufgaben habe ich dafür viel Wissen und praktische Erfahrungen gesammelt. Ich würde aber lügen, wenn ich sagen würde: So etwas ist planbar. Ich hätte nie damit gerechnet, dass es so schnell geht.
Wie kann man sich Ihre Aufgabe vorstellen?
Haupt: Es handelt sich um eine klassische Management-Aufgabe, die unwahrscheinlich spannend und vielfältig ist. Ich bin im permanenten Austausch mit Vereinen und Verbänden, Sportvorständen sowie -direktoren und Experten, aber auch mit Trainern und Spielern. Mein Team und ich haben in den vergangenen zwei Jahren gemeinsam viele wichtige strategische, konzeptionelle und personelle Entscheidungen getroffen, um die Weichen für die Zukunft des deutschen Fußballs zu stellen.
Heißt im Detail?
Haupt: Oliver Bierhoff hat nach der WM 2018 die Zielsetzung "Zurück an die Weltspitze" ausgegeben. Wer zurück an die Weltspitze kommen möchte, muss jeden einzelnen Kernbereich so optimal wie möglich gestalten. Eine unserer zentralen Zielsetzungen ist es, den Weg zu bereiten für unsere Mannschaften und die Experten um die Teams herum. Es geht im Kern um zentrale Bereiche wie Fußballfitness, Psychologie, Ernährung, Neuroathletik und Persönlichkeitsentwicklung, die im internationalen Spitzenfußball mit entscheidend sind. Jeden einzelnen Bereich gilt es, stetig zu verbessern, um die bestmögliche Leistung auf dem Platz herauszuholen. Wir brauchen keine tiefgreifenden Reformen, wie sie vor 20 Jahren nötig waren, weil wir mit dem deutschen Fußball aktuell gar nicht so weit weg sind von der Weltspitze. Im Gegenteil: Ich würde sogar sagen, wir sind nah dran. Wenn man sich die Leistungen der Bundesligisten auf internationaler Ebene ansieht, wird das umso deutlicher. Die Lage ist nicht dramatisch, es gilt aber, unseren Weg weiter konsequent zu gehen und die entscheidenden Stellschrauben weiter zu drehen.
Tobias Haupt: "Klopp lebt einen ähnlichen Spirit vor wie wir"
Haben Sie ein aktuelles Beispiel parat?
Haupt: Wir analysieren momentan mithilfe verschiedener Technologien das Schlafverhalten unserer Nationalspielerinnen und -spieler und werten es aus. Ein erster Testlauf fand bei der zurückliegenden Länderspielperiode in Köln statt. Insbesondere in Zeiten von Corona stehen alle unter extremer Belastung, weshalb das Thema Regeneration - sowohl körperlich als auch mental - ein immer bedeutenderes wird. Wir wollen hier unseren Spielerinnen und Spielern Lösungen an die Hand geben, wie sie sich diesbezüglich verbessern können. Unsere Erfahrungen und Lösungen geben wir dann auch transparent an die Bundesligisten weiter, so dass alle davon profitieren können. Wir sehen uns auch als Impulsgeber.
Cristiano Ronaldo ist dafür bekannt, verschiedene Schlafmethoden auszuprobieren, um seine Regeneration zu verbessern. Es heißt, Ronaldo schlafe mehrere Male über den Tag verteilt jeweils zwei bis drei Stunden, um nie in die Tiefschlafphase zu gelangen. Orientiert sich der DFB an solchen Sportlern?
Haupt: Cristiano Ronaldo ist nicht das einzige Beispiel. Auch Nico Rosberg oder Dirk Nowitzki haben sich aufgrund ihrer vielen Reisen durch unterschiedliche Zeitzonen intensiv mit dem Thema Schlafoptimierung beschäftigt. Wir stehen auch im Austausch mit Leuten aus der Wirtschaft, etwa internationalen Top-Managern, die ständig umherreisen. Es ist wichtig, über den Tellerrand hinauszuschauen. Wir fragen uns auch in anderen Bereichen immer wieder: Was machen andere Länder und Verbände? Von wem können wir uns etwas abschauen? Welche Erfahrungen aus den unterschiedlichsten Bereichen können wir für den deutschen Fußball nutzen?
Im Mai lobten Sie diesbezüglich den FC Liverpool.
Haupt: Weil Jürgen Klopp einen ähnlichen Spirit vorlebt. Er will sein Team und das Team ums Team herum stärken und nichts dem Zufall überlassen. Das ist bemerkenswert. Es gibt aber auch andere Vereine, von denen wir uns Dinge abschauen können. Der FC Barcelona liefert dafür ebenfalls ein gutes Beispiel. Unsere Spiel- und Datenanalysten arbeiten eng mit dem sogenannten "Barca Innovation Hub" zusammen, das sich viel mit der qualitativen Analyse seiner Jugendspieler beschäftigt und Empfehlungen gibt. Als Inspiration müssen aber nicht immer nur die großen Vereine dienen. Der FC Midtjylland aus Dänemark ist ein weiteres spannendes Aushängeschild, das hervorragende Arbeit bei der Spiel- und Datenanalyse leistet. Wir picken uns mehrere Mosaiksteinchen heraus, um uns weiterzuentwickeln - wohl wissend, dass wir unseren eigenen Weg gehen möchten. Die typisch deutschen Tugenden wollen wir natürlich weiterhin fördern. Und wenn man sich anschaut, wie vorbildlich und professionell bereits vieler Orts in der Bundesliga gearbeitet wird, ist es manchmal gar nicht nötig, nur ins Ausland zu blicken.
Tobias Haupt im Steckbrief
Geburtsdatum | 5. Februar 1984 |
Geburtsort | Landshut |
Wohnort | Frankfurt am Main |
Stationen im Amateurbereich | SV Gündlkofen, SC Bruckberg, SpVgg Landshut, SC Fürstenfeldbruck, FC Pipinsried, FC Ergolding, TSV Buchbach |
Berufliche Ausbildung | Bachelor-Studium Sport- und Eventmanagement (2004 bis 2008 in Ismaning), Master-Studium Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Sportmanagement (2008 bis 2011 in Seeburg), Promotion im Bereich Wirtschaftswissenschaften mit dem Schwerpunkt Fußballmanagement (2012 bis 2014 in Eichstätt-Ingolstadt) |