"Wegen mir die Zeitlupe erfunden"

Kastenmaier (2 v.l.) 1990 auf der Wiesn mit den Bayern Brian Laudrup, Augenthaler und Aumann
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Er war Teil der legendären Gladbacher Pokalsieger von 1995 und einer der torgefährlichsten Außenverteidiger der Bundesliga-Geschichte. Thomas Kastenmaier über den Anschiss seines Lebens, Disko-Abende nach Auswärtssiegen und Superstars, die den Fohlen durch die Lappen gingen.

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SPOX: Herr Kastenmaier, Sie wurden '90 Meister mit Bayern und '95 Pokalsieger mit Gladbach. Auf welche Momente Ihrer Karriere blicken Sie besonders gerne zurück?

Thomas Kastenmaier: Da gibt es viele. Ich muss allerdings sagen, dass es für mich eine große Ehre war, unter Jupp Heynckes spielen zu können, der mit Abstand beste Trainer meiner Karriere. Er wusste, wie er mit den Leuten umgehen muss, auch wenn das bei mir nicht immer ganz leicht war.

SPOX: Wie darf man das verstehen?

Kastenmaier: Ich war kein Spieler, der nah am Trainer gebaut war, sondern ein richtiger Münchner Stadtbursche. Je mehr man mich angeschrieen hat, desto mehr ist es auf der anderen Seite wieder herausgekommen. Jupp habe ich immer zugehört, auch wenn er mich angeschissen hat, was oft der Fall war. Ich erinnere mich an eine entscheidende Situation meiner Karriere. Ich spielte damals für die Bayern, bei denen es mir nicht leicht fiel, mich in die erste Elf zu kämpfen. In einem Testspiel habe ich dann in der ersten Hälfte zwei Tore geschossen und einen Elfmeter herausgeholt. Stolz wie Oscar saß ich in der Kabine, als Heynckes zusammen mit Uli Hoeneß reinkam, beide hatten einen feuerroten Kopf. Statt mich zu loben, hat Jupp mich so dermaßen zusammengefaltet, dass Klaus Augenthaler rechts und Hans Pflügler links mich zurückhalten mussten, damit ich nicht aus der Haut fahre.

SPOX: Bewahrten Sie die Beherrschung?

Kastenmaier: Ich habe tatsächlich nichts gesagt und Jupp nur angeschaut. Auge hat dann anschließend zu mir gesagt: 'Sei froh, dass er dich anschreit. Solange hat er noch Interesse, dich zu verbessern. Wenn er dich irgendwann mal nicht mehr anschreit, kannst du den Verein wechseln.' Den Satz habe ich mir mein ganzes Leben lang gemerkt.

SPOX: Heute betreiben Sie eine mobile Fußballschule für Kinder. Was kann man sich darunter vorstellen und was erwartet die Kids?

Kastenmaier: Ich reise zu den Vereinen, die meine Schule buchen. Das Training findet dann auf dem Vereinsgelände statt. Dort verbringen wir dann meist mehrere Tage zusammen, an denen wir an unterschiedlichsten Dingen arbeiten. Am Ende steht die Leistung aber nicht im Vordergrund.

SPOX: Sondern?

Kastenmaier: Auf jeden Fall der Spaß. Mir ist wichtig, dass die Kinder rauskommen und fit sind. Wir sind zu 99 Prozent bei ganz kleinen Vereinen, die die Schule als Highlight für die Kids buchen. Es ist einfach eine tolle Zeit. Wir trainieren zusammen, anschließend wird gemeinsam gegrillt oder gegessen, manchmal bleiben wir auch über Nacht. Wenn ich dann nach drei oder vier Tagen die Medaillen, Bälle und Trikots verteile und die Kinder lachen und sagen, es hat ihnen Spaß gemacht... Das ist das Entscheidende für mich. Und für die Eltern ist es auch besser, als den vierten oder fünften Gameboy zu kaufen.

SPOX: Ihr Trainerteam besteht aus ihren ehemaligen Mannschaftskollegen in Gladbach. Wie entstand die Idee dazu?

Kastenmaier: Das gehörte von Anfang an zum Konzept der Schule. Ich fand es immer schade, dass es bei Gladbach nicht üblich ist, die ehemaligen Profis im Verein weiter einzubinden. In meiner Schule ist das anders.

SPOX: Was glauben Sie, woran das liegt?

Kastenmaier: Das weiß ich nicht genau. Natürlich ist nicht jeder Ex-Profi dafür geeignet, nach seiner Karriere einen Job im Klub auszuführen. Aber dem Geist des Vereins würde es sicher gut tun, noch ein paar von den Jungs dabei zu haben. Ich warte ja auch immer noch darauf, dass die Borussia sich bei mir meldet. Ich hätte nichts dagegen. (lacht)

SPOX: Kennen die jungen Talente, die Sie trainieren, Sie eigentlich noch? Die Idole der Kids sind heute eher Messi, Ronaldo und Co.

Kastenmaier: Das stimmt schon, oft sind wir bei den Vätern bekannter. Aber ich sage dann immer zu den Kids, dass sie mal ihr Smartphone rausholen und meinen Namen bei Youtube eingeben sollen. Dann sehen sie mein Tor des Jahres und sind immer ganz baff. Wegen mir haben sie die Zeitlupe erfunden, ergänze ich meistens scherzhaft. (lacht)

SPOX: Haben Sie auch regelmäßig Kontakt zu den ehemaligen Mannschaftskollegen, die nicht für Sie als Trainer tätig sind?

Kastenmaier: Natürlich. Karlheinz Pflipsen, Peter Wynhoff und Stefan Passlack haben zum Beispiel eine Spieleragentur und sind gleichzeitig Geschäftsführer der Weisweiler Elf. Von Mai bis September haben wir da eigentlich jedes Wochenende einen Termin. Da sind dann zum Beispiel auch Bachirou Salou, Chiquinho, Ali Albertz und viele andere dabei.

SPOX: Die Weisweiler Elf gilt als die beste Traditions-Mannschaft Deutschlands und zieht immer viele Zuschauer in die Hallen. Wie läuft das ab, wenn Sie zu einem Turnier fahren? Werden Sie richtig gebucht?

Kastenmaier: Ganz genau. Wir bekommen Anfragen, dann sprechen unsere Geschäftsführer mit den Veranstaltern und es werden Verträge aufgesetzt. Da steht dann zum Beispiel drin, dass wir mit den Stars und nicht mit irgendeiner No-Name-Truppe kommen. Und dass wir vor Ort nicht auf Teams mit lauter 20-Jährigen treffen. Mittlerweile sind acht Pokalsieger in der Weisweiler Elf und für jeden ist es eine Ehre mitzufahren.

SPOX: Und anschließend gibt es das eine oder andere Bierchen?

Kastenmaier: Nach den Turnieren gemeinsam zu essen, über alte Geschichten zu reden und auch ein, zwei Bierchen zu trinken, gehört dazu. Die Vereine buchen uns ja nicht nur, damit wir gegen sie spielen.

SPOX: Im Tor der Weisweiler Elf steht meist Claus Reitmaier. Erinnern sich noch daran, dass er mal mit dem VfL Wolfsburg im Borussia-Park gespielt hat und unter seinem eigentlichen Trikot eines der Borussia trug?

Kastenmaier: Über diese Geschichte haben wir erst vor kurzem gesprochen. Claus war nicht nur ein bisschen Fan, Gladbach war immer sein Verein Nummer eins. Er wollte damals auch unbedingt vom Karlsruher SC zur Borussia wechseln, durfte aber nicht und musste nach Wolfsburg. Der Transfer ist an 100.000 Euro gescheitert. Für Claus war das damals ein halber Weltuntergang. Aktuell überlegt er, nach Gladbach zu ziehen, was mich sehr freuen würde. Er ist ein guter Freund von mir und wir haben eine gemeinsame Geschichte.

SPOX: Die da wäre?

Kastenmaier: Er ist einfach ein ganz feiner Kerl, mit dem ich mich immer super verstanden habe. Auch wenn er ganz schön viele Tore von mir gefangen hat. In Karlsruhe hat er mal drei Stück kassiert, zwei Freistöße und einen Elfmeter. Oder '92, als er bei den Stuttgarter Kickers war. Wir lagen zur Halbzeit 0:1 zurück, dann haben Hans-Jörg Criens und ich noch getroffen und die Kickers mussten in die zweite Liga.

SPOX: Sie haben die Rolle des Außenverteidigers immer sehr offensiv interpretiert. Wie haben sich die Aufgaben dieser Position inzwischen verändert?

Kastenmaier: Eigentlich gar nicht so viel. Die Jungs müssen heute auch nicht mehr laufen, Platz ist ebenfalls genug da. Oft fehlt es aber am Mut, sich mit in die Offensive einzuschalten, obwohl dies dringend nötig ist. Das Zentrum ist fast immer dicht, da bleibt nur der Weg über die Außen. Lange Bälle will kein Trainer mehr sehen, deshalb muss man als Außenverteidiger immer anspielbereit sein.

SPOX: Was halten Sie von den derzeitigen Außenverteidigern der Borussia?

Kastenmaier: Tony Jantschke und Julian Korb machen ihre Sache gut, vor allem in der Defensive. Im Spiel nach vorne müssten beide aber eine gesündere Mischung finden. Da kommt mir etwas zu wenig. Das ist aber alles eine Qualitätsfrage. Welche Möglichkeiten hast du? Kann man auch mal nach innen ziehen und mit dem schwächeren Fuß ein Tor schießen? Das fehlt den meisten, deshalb bin ich mir ziemlich sicher, dass es so schnell keinen Spieler mehr geben wird, der in 190 Spielen 40 Tore macht.

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