SPOX: Gab es mit dem neuen Trainer Andre Breitenreiter schon ein Einzelgespräch? Wie und wo plant er mit Ihnen?
Goretzka: Ja. Er hat darüber gesprochen, was er grundsätzlich von uns als Mannschaft und dem Einzelnen erwartet. Jeder Spieler hat natürlich eine bevorzugte Position. Bei mir ist es die Acht als Bindeglied zwischen Mittelfeld und Sturm. Andererseits sind unsere Mittelfeldspieler alle so flexibel, dass man während des Spiels kaum einen Unterschied zwischen den einzelnen Positionen bemerkt. Ich bin in den Testspielen bislang über rechts gekommen, dort habe ich auch zuvor schon gute Partien absolviert und mich sehr wohlgefühlt. Ich habe kein Problem mit dieser Position.
SPOX: Unter Breitenreiter scheint wie auf Knopfdruck eine andere Stimmung auf Schalke zu herrschen. Wie ist Ihr Eindruck?
Goretzka: Innerhalb der Mannschaft ist auf jeden Fall ein Unterschied spürbar. Wir wissen jetzt, dass es nicht reicht, nur gut mit dem Ball umgehen zu können. Die Bereitschaft, sich zu quälen, ist wieder da. Man sieht in den Gesichtern der Mitspieler, dass der Spaß zurückgekommen ist, auch Wege zu gehen, die wehtun können. Es hat in vielen Köpfen klick gemacht.
SPOX: Breitenreiter will deutlich früher als Vorgänger Roberto di Matteo angreifen, ein tiefes Pressing spielen. Wie neuartig ist diese Herangehensweise für das Team?
Goretzka: Es ist einfach ein anderer Schwerpunkt und daher schon eine Umstellung. Wir müssen von der Fitness her total da sein, um das auch umsetzen und dieses intensive Pressing spielen zu können. Wir sind derzeit dabei, die Grundlagen dafür zu schaffen. Dass es zu Beginn in den Testspielen noch nicht einhundertprozentig geklappt hat, ist völlig klar. So etwas funktioniert nicht von heute auf morgen, das dauert seine Zeit. Ich denke aber, dass wir das in den nächsten Wochen in den Griff kriegen und mit diesem neuen System Erfolg haben können.
SPOX: Für Sie ist es gewissermaßen ein Neustart auf Schalke, auch Ihr Kumpel Christoph Kramer schlägt bei Bayer Leverkusen gerade ein neues Kapitel in seiner Karriere auf. Wie intensiv war denn der Kontakt, als es Ihnen schlecht ging und er sich zum Shootingstar entwickelte?
Goretzka: Wir stehen eigentlich permanent im Austausch. Eine solche Verletzungsgeschichte kannte er von mir natürlich auch nicht. In Bochum standen wir beide bei jedem Spiel auf dem Platz und sind hoch und runter gerannt. Er hat sich daher oft erkundigt, wie es mir geht. Durch solche Gespräche mit engen Kumpels hatte ich das Gefühl, nicht vergessen worden zu sein. Das gab mir wirklich Kraft und Zuversicht.
SPOX: Kramer stand vor einigen Monaten stark in der Kritik, weil ihm manche ehrliche Aussagen in Interviews um die Ohren geflogen sind. War das für Sie nachvollziehbar?
Goretzka: Christoph ist ein sehr intelligenter Bursche, der schon immer das gesagt hat, was er denkt. Ich kann verstehen, was er damals sagte und meinte. Leider ist es heutzutage normal, dass Dinge aus dem Zusammenhang gerissen werden, um sie für die Leser attraktiver zu machen. Da muss jeder Spieler aufpassen. Vielleicht wäre es in diesem Fall auch bei Christoph angebracht gewesen, vorsichtiger zu formulieren.
SPOX: Wie schade ist es in Ihren Augen, dass man in der Öffentlichkeit drei Mal überlegen muss, was man sagt und sich dann meist für die lauwarme Variante entschieden wird?
Goretzka: Sehr schade. Andererseits kann es auch spaßig sein, die Medien mit Aussagen, die wenig gehaltvoll sind, abzuspeisen. Natürlich sollte man darauf achten, dass man sein Privatleben aus der Öffentlichkeit heraushält und sich grundsätzlich nicht angreifbar macht. Es liegt letztlich aber an jedem selbst, wie man das handhabt.
SPOX: Wie ging Kramer mit dem großen Echo auf seine Aussagen um, haben Sie mit ihm darüber gesprochen?
Goretzka: Er hat sich davon nicht verrückt machen oder beeindrucken lassen, sondern konnte das realistisch einschätzen. Er weiß, was er gemeint und gesagt hat. Am Ende hat er die Dinge relativ schnell wieder gerade gerückt, so dass es für ihn kein nachhaltiges Problem darstellte.
SPOX: Von Kramer weiß man, dass er großer Fan von Kult-Kicker Torsten Mattuschka ist. Wer ist denn für Sie kultig und warum?
Goretzka: Mein Mattuschka ist Slawo Freier (lacht). Mit ihm habe ich ja noch in Bochum zusammengespielt. Er ist ein super cooler Typ und ein sehr gutherziger Mensch, der immer für einen Spaß zu haben ist.
SPOX: Kult ist auch Bayerns Co-Trainer Herrmann Gerland, wie Sie ein Bochumer Junge. Er hat mal über Sie gesagt: Wenn man so gut ist, dann müsse man während der Karriere auch mal bei den Bayern gespielt haben.
Goretzka: Dazu fällt mir nur ein, was Christoph schon einmal sagte. Er meinte, wir seien in einer richtig geilen Zeit geboren, um Fußball zu spielen, aber zugleich auch in einer ganz schlechten Zeit, um in einer anderen Mannschaft Meister zu werden als bei den Bayern. Und genau da gebe ich ihm Recht: Es ist beim FC Bayern am einfachsten, Titel zu gewinnen.
SPOX: Einen Titel haben Sie leider verpasst: Sie standen vergangenes Jahr im vorläufigen Kader für die Weltmeisterschaft in Brasilien, wurden dann aber gestrichen. Wie sah während Ihrer Verletzungspause der Kontakt zu Bundestrainer Joachim Löw aus?
Goretzka: Wir haben nicht jede Woche telefoniert, aber ich habe mich gefreut, dass er mir hin und wieder eine SMS geschickt und mir gerade nach den Rückschlägen alles Gute gewünscht hat. Neben der Unterstützung aus dem Verein konnte ich mich auch daran wieder hochziehen.
SPOX: Im nächsten Jahr findet die EM in Frankreich statt. Wie weit weg ist die Nationalmannschaft derzeit gefühlt?
Goretzka: Das wird man letztlich sehen, wenn die Bundesliga wieder angefangen hat. Ich fühle mich jetzt am Anfang der Vorbereitung sehr gut und gehe davon aus, dass das gute Gefühl nicht schlechter wird. Ich habe mir die EM nicht als Ziel gesetzt, aber wenn ich wieder auf dem Platz stehe und meine Leistung abrufe, habe ich die Chance, dabei zu sein.
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