ATP Finals: Die Zverevs - eine einmalige Tennisfamilie

Von Jörg Allmeroth
Die Zverevs - eine enorm erfolgreiche Tennis-Familie
© getty
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Den größten Druck habe sich Sascha selbst gemacht

"Erst half Mischa seinem Bruder, sich im großen Tennis zurecht zu finden. Und dann rettete ihm Sascha seinerseits die Karriere", sagt Beobachter Becker, "was für eine Wahnsinnsstory." Sascha, der Jüngere, war bereits als Pimpf unter den ganz Großen dabei. Einfach so, als das buchstäbliche Kind des Tennis. "Er hat schon als ganz Kleiner mit den Stars zum Spaß gespielt, mit Rafael Nadal, mit Roger Federer", sagt Mutter Irina, "er hat einfach gefragt, ob er mal ein paar Bälle mit ihnen spielen darf. Er ist komplett natürlich in dieses Leben hineingewachsen. "Es habe, so sagt Irina Zverev, "keinen Zweifel gegeben, dass er mal Profi wird."

Beide, Mutter wie Vater, ließen dem Jüngeren mehr Spielraum, mehr Freiheiten, mehr Möglichkeiten, sich unbeirrt zu entfalten. Den größten Druck habe sich Sascha selbst gemacht, sagt die Mutter, "es galt oft genug, ihn zu bremsen. Und ihn natürlich auch immer wieder zu trösten, wenn er mal verlor." Früh verließen sich die Zverevs auch auf Hilfe von außen, sie erkannten, dass die Karriere des "Jahrhundertalents" (Tennis.com) nicht allein zu steuern war.

Manager Apey hat betreute schon Sabatini und Murray

Einer der Ersten, die in die Dienste der Zverevs traten, war dann der mit allen Wassern gewaschene Manager Patricio Apey, ein Mann, der vorher auch schon Klienten wie Gabriela Sabatini und Andy Murray betreute. Später folgten hochqualifizierte Serviceleute wie Fitnesscoach Jez Green oder Physiotherapeut Hugo Gravil. Die Besten ihres Fachs waren gerade gut genug für Alexander, den beinahe Zwei-Meter-Riesen. "Sie haben nie Kompromisse gemacht, hervorragend in die Karriere des Sohnes investiert", sagt John McEnroe, der legendäre Amerikaner, "das Ganze hat bei den Zverevs Hand und Fuß."

Große Hoffnungen, große Erwartungen begleiten Zverev, den Jüngeren, schon seit vielen Jahren. Er war schon seit geraumer Zeit die Projektionsfigur für all jene, die eine Blutauffrischung an der Spitze der Tenniswelt ersehnen - und das Ende der Dominanz der älteren Gentlemen um Federer, Nadal, Djokovic und Co. Aber die großen Helden blieben hartnäckig, selbst noch im Alter von 37 Jahren - wie Federer, der zu Saisonbeginn noch einmal die älteste Nummer eins aller Zeiten wurde. Zverev wurde gelegentlich schon bizarrer Weise als Versager in den sozialen Medien abgestempelt, weil ihm bei den kostbarsten Tennisturnieren, den Grand Slams, keine durchschlagenden Erfolge gelangen.

Becker freut sich über Deutschen mit Humor

Nun, mit dem Triumph von London, hat er die Kritiker erst einmal Lügen gestraft, mit einem Durchbruchsieg, mit der nicht mehr nur vagen Andeutung einer Zeitenwende in seinem Sport. Vielleicht beginnt auch das geneigte Publikum diesen jungen Kerl zu lieben, hinter dessen rauer Schale sich auch ein einnehmender Charme verbergen kann. Oft genug war Zverev in der Öffentlichkeit angeeckt, meist, weil er Sachverhalte mit einer brutalen, entwaffnenden Ehrlichkeit benannte. Zverev war nicht gerade der Chefdiplomat von Zverev, mit der Folge, dass man ihm wechselweise Arroganz, Hochnäsigkeit und Überheblichkeit attestierte. Zverev begann selbst ein wenig unter diesem Bild zu leiden, in einem Intervie sagte er, "dass es natürlich sehr schön ist, wenn einen die Menschen mögen und unterstützen. Mein Problem ist: Ich will immer total ehrlich sein. Das ist nicht immer gewünscht."

Doch an diesem WM-Wochenende hat er mehr als nur große Spiele gegen große Gegner gewonnen. Erst gegen Federer, dann gegen Djokovic. Er hat auch gezeigt, dass er als Mensch jenseits des Centre Courts gereift ist. Als ihn Federer-Fans am Samstag wegen einer Lappalie im Halbfinale auspfiffen - er hatte das Match einmal wegen eines Zwischenfalls mit einem Balljungen unterbrochen -, reagierte er besonnen, entschuldigte sich, erklärte sein Verhalten ruhig. So lange, bis das Publikum zu klatschen begann, lauter, immer lauter. Und am Sonntag, nach dem Triumph gegen Djokovic, hielt er eine launige, höchst unterhaltsame Rede, nahm seinen Vater ("Er wird jetzt bis nächstes Jahr weinen") und den Rest des Teams auf die Schippe.

"Ein Deutscher mit Humor, der reden und über sich lachen kann. Ein Star ist angekommen", gab da in der BBC Becker zu Protokoll, nicht sich selbst meinend. Um dann noch hinzuzufügen: "Das ist ein Moment, auf den die Tenniswelt lange gewartet hat." Ein Moment, der Zverev gehörte. Dem neuen Zverev. Dem Weltmeister Zverev.

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