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NFL - Week 16, Gewinner und Verlierer: Wie Joe Flacco die Zeit zurückdreht

Von Stefan Petri
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In Week 16 der NFL Regular Season gehören die Kansas City Chiefs und 49ers-Quarterback Brock Purdy zu den großen Verlierern, während bei den Baltimore Ravens der neue MVP-Favorit glänzt. Außerdem: ein beinahe fataler Münzwurf, ein aus der Zeit gefallener Quarterback, Wiedergutmachung für einen Rookie-Kicker und die verrückteste Statistik der Saison. Ach ja, und Eminem ist zu alt für Social Media. Die Erkenntnisse der Woche.

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NFL, Week 16 - Gewinner der Woche: Baltimore Ravens

Zuerst waren die San Francisco 49ers das vermeintlich beste Team der Saison. Dann die Miami Dolphins, die Philadelphia Eagles, vielleicht die Dallas Cowboys, für eine Sekunde irgendwann auch die Kansas City Chiefs - und zuletzt wieder die Niners. Und jetzt, nach 15 gespielten Partien? Gibt es nur noch ein Team mit nur drei Niederlagen. Ein Team, das das All-Star-Team aus San Francisco in dessen Stadion förmlich auseinandergenommen hat. Wir ziehen unseren Hut, Ravens!

"Unsere gute Bilanz ist kein Zufall", sagte Quarterback Lamar Jackson nach dem 33:19, das eigentlich deutlicher war, als es das Ergebnis aussagt: "Wir sind gut. Und das haben wir gezeigt." In allen Facetten des Spiels, wohlgemerkt, von der brutalen Defensivleistung (fünf Interceptions!) über die Special Teams und Justin Tucker (vier verwandelte Field Goals) bis hin zu Lamar selbst, der mit seinen Fähigkeiten im Scrambling die Niners-Defense entnervte und sich auch im Passspiel keinen Fehler leistete.

Der MVP-Award geht seit Dienstagmorgen nur noch über den Quarterback aus Baltimore. "Für mich hat er heute wie ein MVP gespielt", lobte Coach John Harbaugh. "Für eine solche Leistung braucht es das komplette Team, aber eben auch einen Spieler auf MVP-Niveau. Lamar war überall."

Kaum zu glauben, dass der 26-Jährige in der vergangenen Offseason lange um einen neuen Vertrag kämpfen musste - und mehrere Teams ohne Quarterback öffentlich ablehnten. Wieder einmal zeigte sich: Gerade wenn man nicht oft gegen ihn spielt, ist ihm kaum beizukommen. Von 21 Spielen gegen NFC-Teams hat er in seiner Karriere 20 gewonnen!

Die NFL derweil wird sich freuen, dass eine Szene früh im Spiel am Ende keine große Rolle mehr spielte. Da hatte nämlich ein Referee entscheidenden Anteil an der Safety des Superstars. Schaut Euch das an ...

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NFL, Week 16 - Verlierer der Woche: Brock Purdy (QB, San Francisco 49ers)

Unter der Woche machten die 49ers noch damit Schlagzeilen, dass Running Back Christian McCaffrey die Tradition übernommen hatte, der Offensive Line hochpreisige Geschenke zu Weihnachten zu kredenzen. Diese Aufgabe fällt eigentlich dem Starting Quarterback zu, doch als letzter Pick seines Draft-Jahrgangs verdient Brock Purdy in diesem Jahr gerade mal 870.000 Dollar, der Ärmste. "Das hätte ich mir finanziell nicht leisten können", kommentierte Purdy schließlich die feinsten Golfschläger und Tequila-Flaschen, die "CMC" allen Offensiv-Spielern besorgte - Purdy inklusive.

Diese Info war wichtig für folgende Pointe: Hätte Purdy sich mal selbst darum gekümmert - dann hätte er vielleicht keine Geschenke an die Ravens-Defense verteilt! Heyo!

Jetzt mal wieder ernsthaft: Verlierer waren eigentlich die kompletten Niners, inklusive Head Coach Kyle Shanahan. Bis auf vielleicht McCaffrey bekleckerte sich niemand gegen Baltimore mit Ruhm. Andererseits tut so ein Schuss vor den Bug ja manchmal ganz gut, und mit zwei Siegen aus den letzten beiden Spielen wäre man immer noch Top-Seed in der NFC. Bleibt Purdy, der auf der großen Bühne, im gehypten Matchup mit Lamar Jackson, das wohl schlechteste Spiel seiner Karriere machte. Bei mindestens zwei der vier Picks war auch ein bisschen Pech dabei, insofern kann man nicht alles an ihm festmachen. Aber dieser Auftritt war Wasser auf die Mühlen derer, die ihn als zu sehr gehypt angesehen hatten.

Der MVP-Award dürfte jetzt weg sein, auch wenn Purdy selbst den ohnehin bei McCaffrey gesehen hatte. Zeigt er sich in den Playoffs wieder von seiner besten Seite, wird dieses Spiel nicht viel mehr sein als eine Fußnote. Aber es ist auch nicht auszuschließen, dass Shanahan ihn im Schlussviertel aus dem Spiel nahm, um ihn zu schützen. Mit Backup Sam Darnold sahen die Niners plötzlich besser aus - und das kann dann doch Spuren hinterlassen.

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NFL, Week 16 - Statistik der Woche: Carolina Panthers

Man soll ja niemanden treten, der schon am Boden liegt, aber diese Statistik ist zu gut, um sie Euch vorzuenthalten: Die Carolina Panthers stehen bei 2-13. Beide Siege (15:13 über Houston, 9:7 über Atlanta) wurden mit einem Field Goal in letzter Sekunde erzielt, also quasi mit abgelaufener Uhr. Da die übrigen 13 Partien im Schlussviertel nicht mehr kippten, heißt das mit anderen Worten: Nach 15 Spielen haben die Panthers in dieser Saison im Schlussviertel noch keine Sekunde geführt. Noch keine einzige!

Ist das jetzt ein bisschen spitzfindig, angesichts der beiden Siege? Jap. Aber trotzdem einfach nur Wahnsinn. Das gab es nämlich in der Geschichte der Liga noch nie. Gegen Jacksonville und die Buccaneers bietet sich ihnen nun die Chance auf die "perfekte Saison".

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NFL, Week 16 - Kicker der Woche: Chad Ryland (Kicker, New England Patriots)

Wir haben uns in den letzten Wochen ja schon über das Quarterback-Karussell der Patriots ausgelassen, genau wie über die Zukunft von Bill Belichick, der die Patriots ja vielleicht verlässt, vielleicht auch nicht. Tut er ihnen überhaupt einen Gefallen mit Siegen in der Schlussphase der Saison oder würgt er dem Team sogar noch einen rein, indem er ihnen einen hohen Draft Pick vermiest ...

Wie dem auch sei. Diesmal soll es um Rookie-Kicker Chad Ryland gehen. Der war von Belichick im im Frühjahr in der vierten Runde gezogen worden, für einen Kicker unerhört früh. Konnte er das rechtfertigen? Ganz im Gegenteil, der 24-Jährige versenkte bis Sonntag gerade mal 65 Prozent seiner Field-Goal-Versuche - kein Starter war schwächer. Und dann verschoss er gegen Denver auch noch ein kurzes Field Goal und einen Extrapunkt. Keine guten Vorzeichen, um mit wenigen Sekunden auf der Uhr beim Stand von 23:23 aus 56 Yards anzutreten. Auswärts. Aber in diesem Moment bewies Ryland Nerven aus Stahl und verwandelte seinen Versuch zum Sieg. Chapeau!

Ob das so gut war für die Pats, das steht auf einem anderen Blatt: In der Draft-Reihenfolge sind sie aktuell nur noch Vierter. Wir vermuten ja, dass Belichick die Partie vor allem deshalb gewinnen wollte, um seine Bilanz gegen den Broncos als Head Coach der Pats auf 11-10 zu stellen. Jetzt hat nämlich kein einziges Team in diesen 20+ Jahren eine positive Bilanz gegen ihn.

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NFL, Week 16 - Verlierer der Woche: Kansas City Chiefs

Irgendwie ist man ja dann doch geneigt, an die Mahomes-Magie zu glauben, trotz des schwachen Receiving-Corps, der vielen Fehler, des alternden Travis Kelce, und und und. Es hat ja bekanntlich auch letztes Jahr geklappt, da waren ja auch schon Zweifel an den offensiven Waffen in Kansas City angemeldet worden. Aber irgendwann muss man vielleicht auch einfach sagen: "Komm, das wird dieses Jahr nichts mehr."

So sieht es zumindest aktuell beim Titelverteidiger aus: Die Defense ist zwar insgesamt stark unterwegs, aber die Offense wird gefühlt immer schlechter. Zwei Touchdowns, per Fumble und per Pick-Six, servierten Mahomes und die Chiefs den Raiders innerhalb von sieben Sekunden auf dem Silbertablett. Das war auch bitter nötig, schließlich ging offensiv bei Aidan O'Connell und Co. eigentlich überhaupt nichts. Aber wenn man TDs geschenkt bekommt, muss man selbst keine erzielen. Und Geschenke verteilten diesmal Mahomes und Co. - auch der MVP war diesmal nicht freizusprechen.

Die Playoffs wird man in der schwachen AFC West dennoch erreichen, aber Stand jetzt ginge es in der Wildcard-Runde daheim gegen die Bills. Und da wären die Chiefs derzeit mit ziemlicher Sicherheit Außenseiter. Zurecht.

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NFL, Week 16 - Fan der Woche: Eminem

Zum ersten Mal seit 1993 haben die Detroit Lions ihre Division gewonnen. Da ein beträchtlicher Anteil von Euch, liebe Leser, damals wohl noch gar nicht geboren war, ein schneller Crashkurs: Meat Loaf stand an der Spitze der Charts, in den Kinos lief "Demolition Man" mit Sylvester Stallone und in Köln gab es das berühmte Weihnachtshochwasser. Hätten wir das auch geklärt.

Der vielleicht berühmteste Sohn der Stadt Detroit kann sich an die Division-Krone - damals noch in der NFC Central - aber vielleicht noch erinnern, schließlich war er da schon 21: Eminem ist gemeint, glühender Anhänger des Teams. So begeistert war er vom anstehenden Playoff-Heimspiel, dass er an Heiligabend direkt einen Tweet absetzte. "@Lions Ich habs geschafft!!!" lautete der erste - und der zweite "WIR haben es geschafft, verdammt. Ich lerne immer noch, wie man das Ding hier benutzt." Marshall Mathers zu alt für X/Twitter? Puh, da fühle ich mich plötzlich auch nicht mehr jung ...

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NFL, Week 16 - Gewinner der Woche: Joe Flacco (QB, Cleveland Browns)

Erinnert Ihr Euch noch an die Saison 2011? Damals hatten mit Drew Brees (Saints), Tom Brady (Patriots) und Matthew Stafford (Lions) gleich drei Quarterbacks mehr als 5.000 Passing Yards auf dem Konto. 2023 haben zwei Wochen vor Saisonende gerade mal zwei QBs die 4.000-Yard-Marke geknackt, die einzige Minimalchance auf den Fünftausender hat Tua Tagoavailoa (aktuell 4.214 Yards).

Heißt das jetzt, dass das Quarterback-Play schlechter geworden ist? Die Offenses ausgeglichener? Die Defenses cleverer, gerade gegen Big Plays? Darüber würde sich eine Dissertation anbieten. Auf jeden Fall fühlt es sich so an, als gäbe es kaum noch Quarterbacks, die den Pigskin einfach rausfeuern, ohne Rücksicht auf Verluste (wo bist du, Jameis!?).

Und hier kommt Joe Flacco ins Spiel. Der fast 39-Jährige war eigentlich schon weg vom Fenster, durfte in Cleveland doch noch als vermeintlicher Notnagel ran - und hat sich jetzt offenbar fest vorgenommen, keinem Passversuch aus dem Weg zu gehen: Vier Spiele, 1.307 Passing Yards, 10 Touchdowns, 7 Interceptions, niemals Langeweile - und vor allem eine Bilanz von 3-1. Ein Mann aus einer gefühlt anderen Ära! Wer hätte gedacht, dass mit dem betagten Flacco under Center Leistungen möglich sind wie die 265 Receiving Yards von Amari Cooper gegen Houston?

Einen legendären Playoff-Run hatte Flacco mit Baltimore in der Saison 2012, gekrönt vom Gewinn des Super Bowls. Schlägt der Blitz tatsächlich zweimal ein? Noch sind die Browns nicht in den Playoffs, aber chancenlos dürften sie gegen keinen Gegner sein.

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NFL, Week 16 - Münzwurf der Woche: Jaire Alexander

Jaire Alexander wurde 2018 gedraftet, der Cornerback der Green Bay Packers hat also schon ein paar Jahre Erfahrung. Trotzdem hätte sich der 26-Jährige beinahe einen folgenschweren Fauxpas geleistet: Gegen die Panthers tauchte Alexander uneingeladen beim Münzwurf vor dem Kick-Off auf, mischte sich ein und sagte Tails - also Zahl - an. Das stimmte sogar, doch dann hatte der Defensive Back das Prozedere nicht richtig im Kopf: "Ich sagte: 'Ich will, dass unsere Defense anfängt', und sie schauten mich alle an, als wäre ich verrückt", erzählte er später.

Der Grund: Wer die zweite Hälfte mit Ballbesitz beginnen will, sagt das mit "defer" an, man schiebt also den eigenen Ballbesitz auf. Technisch gesehen ist das nicht das Gleiche wie "Defense", insofern hätte Carolina um ein Haar beide Hälften mit dem Ball begonnen. Lediglich eine Nachfrage von Referee Alex Kemp rettete Alexander: "Sie sagten: 'Meinst du defer?' Und ich so: 'Ja, ich schätze schon.'" Head Coach Matt LaFleur fand das überhaupt nicht komisch: "Das war ein großer Fehler", schimpfte er. Zum Glück sei er vor dem Spiel zu den Refs gegangen und hätte ihnen die Entscheidung für den Fall schon im Voraus mitgeteilt ...

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NFL, Week 16 - Weitere Gewinner

Baker Mayfield: Nächster starker Auftritt des Quarterbacks aus Tampa Bay beim 30:12 über die Jaguars - 31 Punkte im Schnitt legte seine Offense in den letzten drei Wochen auf. Seine gute Saison könnte für ihn am Ende viele Millionen Dollar wert sein, wenn sie in einer langfristigen Vertragsverlängerung gipfelt. In der vergangenen Offseason hatte er nur für ein Jahr unterschrieben.

Miami Dolphins: Niederlagen gegen die Bills, Eagles und Chiefs, das roch doch ein bisschen nach Papiertiger in Miami. Mit den Cowboys (22:20) wurde nun erstmals ein Team mit positiver Bilanz geschlagen. Gelingt das nächste Woche in Baltimore noch einmal, ist man sogar die Nummer eins der AFC.

Bryce Young: Viel zu feiern hatte der Rookie-Quarterback der Carolina Panthers in diesem Jahr bisher nicht. Beim knappen 30:33 gegen die Packers stellte er mit 312 Passing Yards ein Career High auf - und erinnerte phasenweise an seine starken Auftritte auf dem College. Das macht Hoffnung für 2024!

Josh Allen: Der Bills-QB ist der erste Spieler der NFL-Historie mit vier Jahren in Folge mit mindestens 40 Touchdowns (Passing und Rushing).

Mike Evans: Der Wide Receiver der Buccaneers schaffte zum fünften Mal in einer Saison mindestens zwölf Touchdowns. Das hatten vor ihm nur vier Legenden geschafft: Jerry Rice (8), Terrell Owens (7), Marvin Harrison und Randy Moss (je 6).

Marcedes Lewis: In seinem 266. Spiel in der NFL - damit schloss er unter anderem zu Peyton Manning auf - erzielte der 39 Jahre alte Tight End der Chicago Bears seinen ersten Touchdown der Saison.

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NFL, Week 16 - Weitere Verlierer

Jacksonville Jaguars: Von Tampa Bay gab es richtig auf die Glocke, bei Trevor Lawrence läuft aktuell nicht viel zusammen - und jetzt könnte er auch noch verletzt ausfallen. Verspielen die Jags nach einer zwischenzeitlichen 8-3-Bilanz sogar noch die Playoffs?

Tommy DeVito: Beim 25:33 der Giants gegen die Eagles musste "Tommy Cutlets", eine der großen Storys in dieser Saison, nach ganz schwacher ersten Hälfte auf die Bank. Ob er in Week 17 erneut starten darf, ließ Coach Brian Daboll offen. "Es ist hart, dieses Geschäft", sagte DeVito. "Sie suchen immer nach jemandem, um dich zu ersetzen, egal wo. Aber so ist der Job eben."

Denver Broncos: Wer in die Playoffs will, der muss diese Ausgabe der New England Patriots daheim schlagen. So einfach kann das manchmal sein.

Micah Parsons: Seit Monaten wartet der Pass Rusher der Cowboys, einer der besten Verteidiger der Liga, nun schon auf eine Flagge zu seinen Gunsten. Auf Instagram machte er seinem Ärger nun Luft: "Lasst mich frei! Was ich den Referees auch getan habe, es tut mir leid!"

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