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Top 5: Die wichtigsten Erkenntnisse aus Woche 14 in der NFL

SPOX-Redakteur Adrian Franke blickt zurück auf Week 12 in der NFL.
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3. Die Entlassung von Jon Robinson: Die DNA der Titans

Was zu Beginn der Vorwoche in Tennessee passierte, ist wirklich selten. Die Entlassung eines GMs während der Saison ist für sich schon äußerst ungewöhnlich. Dave Caldwell flog vor zwei Jahren Ende November in Jacksonville raus, aber die Liste ist sehr, sehr kurz.

Und sie ist noch kürzer, wenn man über ein Team spricht, das gerade dabei ist, seinen dritten Division-Titel in Serie zu gewinnen - auch wenn es gegen Jacksonville am Sonntag einen deutlichen Dämpfer auf diesem Weg setzte, in einem Spiel, das vielleicht auch ein Blick in die Zukunft war; eine Staffelstabübergabe, weil gerade einiges darauf hindeutet, dass Jacksonville seinen Franchise-Quarterback gefunden hat.

Aber ein Team, das einen positiven Record unter besagtem GM hat (66-43; die neuntbeste Quote in der NFL seit Robinson die Titans 2016 als GM übernommen hatte), das vor drei Jahren bis ins Championship Game vorgedrungen war, und dessen GM im Februar erst einen neuen Vertrag unterschrieben hatte.

Es ist nicht ganz einfach, hier vernünftige Daten zu sammeln, die weit zurückreichen. Ich kenne zumindest kein Beispiel, das mit der Entlassung von Jon Robinson, mit den oben aufgeführten Parametern, vergleichbar wäre. Nur mal zum Vergleich: Caldwell beendete seine Jaguars-Amtszeit mit einem 37-86-Record, Jacksonville stand 1-10 und war auf Kurs für den Nummer-1-Pick, als Caldwell entlassen wurde.

Natürlich ist das Timing auch aus einem anderen Grund kurios: Star-Receiver A.J. Brown, der im Rahmen des Drafts nach Philadelphia getradet wurde, legte acht Catches für 119 Yards und zwei Touchdowns gegen die Titans auf, zwei Tage später war Robinson weg.

Aber: So sehr ich mir nicht vorstellen kann, dass das ein Zufall ist, so klar sage ich auch, dass das nicht der alleinige Grund war. Hier muss es seit einer Weile hinter den Kulissen gebrodelt haben, mit dem Spiel gegen A.J. Brown und der damit sehr präsenten Erinnerung an diesen Trade lediglich als Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.

Jon Robinson: Zu viele Fehler in den letzten Jahren

Robinson hatte mehr als genügend gravierende Fehlentscheidungen in den letzten Jahren, welche dazu beigetragen haben, dass Tennessee den nächsten Schritt nicht machen konnte und stattdessen stagnierte.

Isaiah Wilson, Erstrunden-Pick 2020, entpuppte sich als komplettes Desaster. Nur ein Jahr später wurde er für einen Late-Round-Pick-Swap nach Miami geschickt. Die Dolphins entließen ihn drei Tage später, weil er zu spät zu einer Untersuchung erschienen und mehrere Workouts verpasst hatte.

Darrynton Evans, Tennessees Drittrunden-Pick in jenem Jahr, hielt sich nur ein Jahr länger; er wurde im März diesen Jahres entlassen.

Robinson griff 2021 allem Anschein nach erneut in der Offensive Line daneben, Zweitrunden-Pick Dillon Radunz ist bisher eine Enttäuschung, er ist aktuell noch ein Rotational-Guard. Davor hatte er Caleb Farley in der ersten Runde gepickt, der Corner kam mit ernsthaften Verletzungsbedenken in den Draft und konnte diese Bedenken bislang leider nicht beseitigen. Aktuell ist er zum wiederholten Mal auf Injured Reserve.

Drittrunden-Linebacker Monty Rice ist bislang bestenfalls Backup, in der vierten Runde tradete er mit drei Picks hoch, um sich Wide Receiver Dez Fitzpatrick zu sichern. Die Titans entließen ihn vor dieser Saison und holten ihn anschließend ins Practice Squad zurück - drei Picks nach Fitzpatrick fiel den Detroit Lions Amon-Ra St. Brown in den Schoß.

Der Trade von A.J. Brown: Hat es intern gekracht?

Der Trade für Julio Jones, der Vertrag für Bud Dupree - auch in der Free Agency findet man mehrere gravierende Fehltritte, insbesondere in der jüngeren Vergangenheit.

Wo Robinson früh in seiner Karriere mehrere sehr gute Drafts hatte (2016: Jack Conklin, Derrick Henry, Kevin Byard; 2017: Corey Davis, Adoree' Jackson, Jonnu Smith; 2019: Jeffery Simmons, A.J. Brown, Amani Hooker, David Long), schlug das Draft-Pendel zuletzt in die andere Richtung aus.

Diese beiden Punkte arbeiten dann zusammen. Ein Team, das unter Vrabel auf dem Platz eine klare Identität entwickelt hat und das über mehrere Jahre erfolgreich war, hatte mehrere enttäuschende Offseasons - und der Trade von A.J. Brown setzte dem aus sportlicher Perspektive die Krone auf.

Ohne Brown verlor die Offense eine tragende Säule, die nicht zu ersetzen ist. Und hier kann man diskutieren, wie schlagkräftig die Offense mit Brown gewesen wäre, wie weit die Titans hätten kommen können. Aber es ist eine Tatsache, dass Tennessee ein unangenehmer Gegner ist, ein Team, das vielen Gegnern Probleme bereiten kann - und das sportlich gleichzeitig limitiert ist, weil der Offense ohne Brown ein zu wichtiges Element fehlt.

Ich frage mich, inwieweit Mike Vrabel bei diesem Trade an Bord war. Inwieweit es intern im Zuge dieser Gespräche krachte. Inwieweit Vrabel nicht gewillt war, ein Übergangsjahr zu akzeptieren, welches der Brown-Trade ganz klar signalisierte. Seine Live-Reaktion, als der Trade verkündet wurde, lässt einiges an Interpretation zu.

Macht Vrabel es besser als Bill O'Brien?

Und es war nicht einfach nur so, dass die Titans Brown abgaben; Browns Aussagen stellten die Titans zusätzlich in keinem guten Licht dar. Brown gewährte vor allem Einblicke in die Vertragsgespräche mit den Titans und verriet, dass Tennessee ihm 16 Millionen Dollar pro Jahr geboten habe, in einem Vertrag, der ihm mit Bonuszahlungen maximal 20 Millionen pro Jahr eingebracht hätte. "Ich wäre geblieben, wenn sie mir 22 Millionen pro Jahr geboten hätten", sagte Brown Ende April nach dem Trade.

Das war ein Angebot, das signifikant unter dem Markt gelegen hätte - was sich nicht nur daran erkennen lässt, dass die Eagles ihm prompt einen Vertrag über 25 Millionen pro Jahr vorlegten. Damit rangiert Brown noch immer nicht an der absoluten Spitze des Receiver-Markts, aber es sortiert ihn auf Augenhöhe mit Spielern wie DK Metcalf und Deebo Samuel dahinter ein. Eine faire Einstufung, und Browns Impact auf die Eagles-Offense ist für jeden deutlich sichtbar - inklusive für die Titans am vergangenen Sonntag.

Aber nochmal: Hier muss mehr dahinter stehen als "nur" ein Receiver-Trade, der intern mutmaßlich kontrovers diskutiert wurde. Vielleicht aber führte dieser Trade zu einem Riss in der Beziehung zwischen Robinson und Vrabel? Klar scheint, dass Vrabel jetzt profitieren wird. Er dürfte deutlich mächtiger werden, es ist schwer vorstellbar, dass ein neuer GM jetzt hierarchisch über oder selbst nur auf Augenhöhe mit ihm agiert.

Vrabel hat eine klare Philosophie, eine klare Idee, wie das Team aussehen soll, wie es funktionieren soll - und ich denke auch, welche Spieler er dafür braucht. Und gleichzeitig kann das ein Drahtseilakt sein, wenn der Head Coach echte Roster-Building-Macht bekommt. Nicht viele Head Coaches kommen damit zurecht, die Titans haben in ihrer Division aus erster Hand gesehen, wie mit Bill O'Brien ein guter Coach ein Desaster als GM wurde.

Natürlich muss es so nicht laufen, und wer weiß, wie genau die Machtstrukturen sortiert werden, wenn nach der Saison ein neuer GM eingestellt wird. Aber dass Vrabel nach dieser überraschenden Entlassung in der Hierarchie hochklettert und sich in die Riege der mächtigsten Head Coaches in der NFL einreiht, steht für mich zumindest außer Frage.