Die Patriots-Dynasty: Kader-Planung und "Do your Job"
Auch sieht man immer wieder, dass Spieler auf Geld verzichten, um mit den Patriots ihre Titel-Chancen zu erhöhen. Danny Amendola wäre ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit. Gleichzeitig hat Belichick beim Zusammenstellen seines Kaders immer wieder gegen die Trends in der NFL gearbeitet.
Belichick legt beispielsweise weniger Fokus auf individuelle Pass-Rusher und gibt so an der Defensive Line - wo in der Liga die teuersten Defensiv-Verträge rausgegeben werden, die 17 teuersten Defense-Verträge gehören alle Defensive Linemen - deutlich weniger aus, als die Konkurrenz. Stattdessen steckt er Geld in die Secondary, wo die Elite-Qualität für weniger Gehalt zu haben ist, und sorgt über das Scheme dafür, dass Druck auf den Quarterback ausgeübt wird.
Auch ist New England gerade in diesem Jahr wieder eine absolute Anomalie was die Offensive Line angeht: In dieser Positionsgruppe kann eigentlich kein Team mehr Geld sparen. Zu dünn ist der Markt und zu hoch der Bedarf. Die Patriots sind das einzige Team, das dieses Jahr im unteren Drittel der O-Line-Gehälter rangiert und dennoch eine Top-Line aufbietet; herausragendes Coaching in Kombination mit Bradys Spielintelligenz und einem ausgeprägten Kurzpassspiel machen es möglich.
Und auch die Philosophie, die dem Team eingeimpft und von Brady und Belichick vorgelebt wird, spielt bei den Gründen für die Dynasty eine Rolle.
"Do your Job" wurde ein allgegenwärtiges Mantra, "es bedeutet, dass jeder versuchen soll, Egoismus zu unterlassen", versuchte McDaniels es zusammenzufassen. "Jeder soll seine Rolle erfüllen, um dem Team dabei zu helfen, Spiele zu gewinnen. Das heißt auch, flexibel genug zu sein, mal eine größere, mal eine kleinere Rolle zu haben; manchmal auch von Woche zu Woche. Es bedeutet, dass man Verantwortung übernimmt und seine Arbeit macht, um dem Team bestmöglich zu helfen."
Deflate-Gate, Spy-Gate - die Skandale
Wer weiß, wie die Patriots-Dynasty in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden würde, wenn sich die vergangenen knapp 20 Jahre auf rein sportliche Aspekte beschränkt hätten. Ein gewisses Maß an Neid und Wunsch nach Veränderung nur der Veränderung wegen wäre selbstverständlich dennoch vorhanden. Doch die Belichick-Brady-Ära hat aus den Patriots in der öffentlichen Wahrnehmung nicht nur das prägende Team dieses Jahrtausends gemacht - nicht selten werden Vergleiche mit dem Imperium aus Star Wars gezogen.
Ganze drei Tage lang - eine irre Zahl, wenn man bedenkt, wie lange später nach Deflate-Gate "ermittelt" wurde - dauerte die Untersuchung der NFL in der 2007er Saison, ehe man zu dem Schluss kam, dass die Patriots auf verbotene Art und Weise die Coaches der Jets an der Seitenlinie gefilmt hatten, um so Signale und Hinweise auf Spielzüge entschlüsseln zu können. Belichick bekam die finanzielle Höchst- und Rekordstrafe in Höhe von 500.000 Dollar aufgebrummt, weitere 250.000 musste das Team zahlen und gleichzeitig verloren die Pats ihren Erstrunden-Pick im 2008er Draft.
"Spygate" ist seither der größte Schatten, der über der Patriots-Dynasty hängt. Immer wieder tauchten über die Jahre Berichte auf, die weitere Spiele anbrachten, in denen die Patriots Signale gestohlen haben sollen und der große Rams-Running-Back Marshall Faulk ist bis heute sicher, dass die Patriots auch vor dem Super Bowl gegen die Rams betrogen haben, um an Tapes der Trainingseinheiten zu kommen, weshalb sie neu installierte Spielzüge lesen konnten.
Weniger schwerwiegend und dennoch aufgearbeitet in einem absurden Schauspiel war Jahre später "Deflate-Gate". Nach Vorwürfen im AFC Championship Game gegen die Colts 2015 kam der längst berüchtigte "Wells-Report" zu dem Schluss, dass die Bälle der Patriots weniger Luftdruck hatten, und dass Brady vermutlich davon wusste - trotz vieler Lücken im Bericht und einem eklatanten Mangel an Beweisen.
Obwohl spätere Studien die Vorgehensweise und die Beweislage des Wells-Reports stark kritisierten, wurde Brady nach langen Gerichtsprozessen schließlich gesperrt, die Pats mussten zwei Draft-Picks abgeben und eine Million Dollar Strafe zahlen.
Belichick und Brady: Die Größten aller Zeiten?
Dem Gesamtbild und der Wahrnehmung der Patriots-Dynasty haben beide Vorfälle ernsthafte Kratzer zugefügt, andere Fans hadern noch immer mit Ref-Entscheidungen zugunsten der Patriots. Das Tuck-Rule-Game in den 2001er Playoffs gegen die Raiders im alten Foxboro Stadium steht auf dieser Liste sicher ganz weit oben.
Die sportliche Leistung sollte dabei aber nicht vergessen werden. Die Brady-Belichick-Ära in Foxboro ist was sportliche Aspekte, Konstanz auf höchstem Level und die Fähigkeit angeht, trotz parmanentem Umbruchs konkurrenzfähig zu sein, einzigartig in der NFL. Belichick wird die Liga eines Tages als der größte Coach aller Zeiten verlassen, Brady als der - für die meisten zumindest - größte Quarterback aller Zeiten; ein Quarterback, der eine gewaltige persönliche Entwicklung hinter sich hat.
Gegenüber SI erinnerte sich Ex-Mitspieler Lee Johnson: "Was ich von Tom als Rookie gesehen habe, war so unterschiedlich von dem, was man jetzt von ihm sieht, gerade was diesen unbedingten Siegeswillen angeht. Für mich ist es völlig verrückt, was für ein Anführer er geworden ist, verglichen mit diesem Late-Round-Pick aus Michigan damals."
Bereits damals aber war seine Arbeitseinstellung erkennbar, wie Defensive Tackle Henry Thomas verriet. Brady war als Rookie im Training für die Rolle des Scout-Team-Quarterbacks zuständig, und Woche für Woche löcherte er die Starter mit Fragen, um den kommenden Gegner bestmöglich kopieren zu können: "Dafür hat er sich viel Zeit genommen. Er hat mit den Coaches gesprochen und ich bin mir relativ sicher, dass er selbst schon Tape geschaut hat. Wenn wir am Mittwoch mit dem Training begannen, hat er Dinge gezeigt, die wir auf Tape gesehen hatten."
Und dennoch fasste Tedy Bruschi die Stimmung im Team während jenes ersten Super-Bowl-Runs mit Brady so zusammen: "Ich denke, dass keiner von uns damals wusste, was wir da haben. Wenn ich mich richtig erinnere, war er für zwei Postseason-Touchdowns verantwortlich - ein Scramble im Schnee und der Pass zu Patten im Super Bowl."
Patriots: Kraft mit der Kampfansage an die Konkurrenz
Als die Patriots die Rams im Februar 2002 im Super Bowl schlugen, wurden sie gemeinhin als die sympathische Underdog-Story wahrgenommen. Das sieht vor dem Super-Bowl-Rematch 17 Jahre später selbstredend anders aus, auch wenn die Pats in den vergangenen Wochen ein wenig aus dem Nichts den etwas merkwürdigen Versuch starteten, sich in den Playoffs selbst zum Underdog zu machen.
Von NBC Boston darauf angesprochen, wann der spektakuläre Patriots-Lauf zu einem Ende kommen würde, hatte Kraft dann aber doch eine klare Botschaft parat: "Darüber haben wir gerade gesprochen. Ich verstehe es, wenn ich kein Patriots-Fan wäre, würde es mir ja genauso gehen. Aber wissen Sie was? An all diese Leute - wir hoffen, dass wir euch dieses Gefühl noch für eine ganze Weile geben können."
Ob es aber nicht sogar gut für die Liga sei, wenn es ein derart konstant dominantes Team gebe, das leidenschaftliche Reaktionen in beide Richtungen hervorruft, wollte der Reporter anschließend wissen. "Ich denke ja, das ist gut", antwortete Kraft und fügte hinzu: "Aber es gibt 31 andere Teams, die dem nicht zustimmen."
Dabei weiß Kraft gleichzeitig, dass auch die Patriots-Dynasty irgendwann zu einem Ende kommen wird. "Irgendwer da draußen wird hart arbeiten, um uns zu stoppen", erklärte er abschließend. "Ich hoffe aber, dass das nicht an diesem Sonntag passiert."