Es war ein absoluter Horrorstart für die Ravens-Offense. Baltimore fumbelte bei den ersten beiden Drives drei (!) Mal, zwei Mal Lamar Jackson, ein Mal Dixon - und beim dritten Mal schließlich schnappten sich die Chargers den Ball. Eine Ravens-Strafe später hieß es auch schon First-and-Goal; doch die Ravens-Defense hielt: die Chargers liefen von der 6-Yard-Line drei Mal, bei Third Down trotz der Interior-Line-Probleme durch die Mitte - und kickten dann von der 4-Yard-Line das Field Goal.
Und die Chargers blieben vorerst konservativ: viele Runs, wenig vertikales Passing Game und gleichzeitig darauf bauen, dass Baltimore gegen die eigene Defense den Ball nicht werfen kann - und der Plan sah anfangs zumindest defensiv gut aus.
Jackson (14/29, 194 YDS, 2 TD, INT) und seine Receiver waren mehrfach nicht auf einer Wellenlänge, die Chargers verteidigten den Run aggressiv und zwangen Baltimore mehrfach zum schnellen Punt. Ein etwas ungenauer - wenngleich fangbarer - Pass von Jackson wurde dann auch noch von Casey Hayward abgefälscht und von Phillips abgefangen.
Baltimores Defense verhinderte es zwar mit einer erneut spektakulären Leistung vor allem an der Line of Scrimmage, dass die Chargers davonziehen konnten und beendete Drives immer wieder - nach drei Field Goals aber ging L.A. mit 9:0 in Führung, und ihren besten Drive hatten sich die Chargers für die letzten eineinhalb Minuten der ersten Hälfte aufgehoben; ein viertes Field Goal gab den Chargers eine, angesichts der Ravens-Offense, solide Führung für die Pause.
Debakel für die Ravens-Offense - trotz Big Plays
Und auch die zweite Hälfte hätte für die Chargers nicht viel besser anfangen können: ein 73-Yard-Kickoff-Return brachte die Chargers schnell wieder in Scoring-Distanz, abermals stoppte die Ravens-Defense sie aber - und dann blockte das Special Team auch noch den Field-Goal-Versuch! Das war das Thema vor allem im dritten Viertel: beide Defenses dominierten komplett, und Big Plays kamen von allen Teilen außer den Offenses.
So gelang es der Ravens-Defense, Virgil Green den Ball tief in der Chargers-Hälfte aus der Hand zu schlagen und per Field Goal zu verkürzen. Wenig später blockte Baltimore den Chargers-Punt, stand aber erneut schnell bei Fourth Down; und wieder entschied Harbaugh sich für das Field Goal. Dieses Mal verfehlte Tucker aus 50 Yards allerdings, in diesem Moment hatten beide Teams noch kein einziges First Down in der ersten Hälfte.
Es folgte der Drive, der die Partie endgültig entschied. Rivers (22/32, 160 YDS) legte mit einem 28-Yard-Pass zu Mike Williams das bis dahin längste Offense-Play der Partie auf, und nach einer wilden Sequenz, in der den Chargers ein vermeintlicher Watt-Touchdown nicht gegeben wurde und Gordon anschließend beinahe gefumbelt hätte, marschierte Gordon schließlich in die Endzone.
Aber: Baltimore, so einseitig das Spiel über dreieinhalb Viertel war, war noch nicht geschlagen! Zwei Touchdowns in viereinhalb Minuten für die Ravens, die jetzt endlich ins vertikale Passspiel gingen, und mit zwei Minuten auf der Uhr hatten die Ravens eine Chance! Ein zweifelhafter Holding-Call gegen die Chargers sorgte für den Punt mit etwas über einer Minute auf der Uhr und Baltimore hatte eine Chance! Doch die Partie endete, wie sie begonnen hatte: Jacksons dritter Fumble beendete alle Träume von der Aufholjagd.
Ravens vs. Chargers - die wichtigsten Statistiken
Baltimore Ravens - Los Angeles Chargers 17:23 (0:6, 0:6, 3:0, 14:11) BOXSCORE
- Eine Statistik, die rund acht Minuten vor Spielende unvorstellbar gewesen wäre: Jackson beendete das Spiel mit mehr Passing-Yards (194:160) als Rivers, die Chargers verzeichneten auf das ganze Spiel gesehen nur ein Passing-First-Down mehr (8) als Baltimore. Beide Teams kamen auf jeweils exakt 90 Rushing-Yards, wobei Jackson (9 ATT, 54 YDS) hier das Feld anführte.
- Chargers-Kicker Michael Badgley verzeichnete mit seinem 53-Yarder das zweitlängste Field Goal in der Chargers-Postseason-Geschichte. Er verwandelte fünf von sechs Kicks, noch nie hatte ein Chargers-Kicker in einem Playoff-Spiel mehr als vier Kicks verwandelt.
- Zur Halbzeitpause hatte Lamar Jackson ganze acht Pässe geworfen - und davon zwei für 17 Yards angebracht, bei zusätzlich einer Interception. Es war bis Mitte des Schlussviertels eine desolate Vorstellung im Passing Game. Dazu kamen die drei Fumbles; von den letzten zehn Playoff-Spielen, in denen der Quarterback zwei Fumbles und einen Pick hatte, konnte lediglich Peyton Manning ein Mal gewinnen: Super Bowl 50 gegen die Panthers, als Cam Newton ebenfalls mehrere Turnover hatte.
- Mehr noch: Jackson hatte ein Passer Rating von 0 in der ersten Halbzeit. Der letzte Quarterback mit einem Passer Rating von 0 zur Halbzeitpause war Russell Wilson im 2014er NFC Championship Game gegen die Packers - welches Seattle nach 0:16-Rückstand zur Halbzeitpause noch mit 28:22 gewann.
Der Star des Spiels: Melvin Ingram (Chargers)
Bei aller berechtigten Kritik an Jackson, an Baltimores Play-Calling und am Mangel an Alternativen im Game Plan für Baltimores Offense: dass die Partie auf dieser Seite des Balls so einseitig war, lag maßgeblich auch am Pass-Rush der Chargers. L.A. verteidigte nicht nur den Run extrem aggressiv und diszipliniert, insbesondere Ingram hatte auch ein Monster-Spiel und dominierte Baltimores Offensive Line komplett. Am Ende führte er die Chargers in Tackles (7), Sacks (2) Tackles for Loss (2) und QB-Hits (2) an.
Der Flop des Spiels: Lamar Jackson (Ravens)
Die Ravens standen bei -1 Passing-Yards, als im dritten Viertel drei Minuten gespielt waren. 25 Passing-Yards bei drei (!) Completions kurz vor Ende des dritten Viertels. Man hätte ihm mit dem Play-Calling mehr helfen müssen, ihn im Run Game besser ins Rollen bringen und das Play-Action-Passspiel aggressiver über die Mitte betreiben müssen. Aber Jackson brachte offene Pässe nicht an, ging viel zu langsam und unsicher durch seine Reads und war in diesem Spiel, ganz im Gegensatz zur eigenen Defense, abgesehen von der Schlussphase nicht ansatzweise Playoff-tauglich. Das ist der oberste Grund dafür, dass Baltimore die Partie verloren hat.
Analyse Ravens vs. Chargers: Die Taktiktafel
- Baltimores Offense fand nicht ansatzweise ihren gewohnten Rhythmus - und das zumindest teilweise auch selbstverschuldet. Immer wieder versuchten die Ravens, ein Inside Run Game ins Rollen zu bringen, das aber verteidigten die Chargers exzellent. Wenn man in dieses Spiel mit Lamar Jackson geht, sollte der über designte Quarterback-Runs auch eine erhebliche Rolle im Run Game Plan haben. Baltimore nutzte das überraschend selten.
- Jacksons Runs kamen stattdessen unverhältnismäßig häufig über Scrambles zustande und im Passing Game gab es kaum mal auch nur den Versuch, vertikal über die Mitte zu werfen; etwas, das Jackson eigentlich kann. Baltimore schien seinen Rookie-Quarterback verstecken zu wollen.
- Das führte zu vielen mittellangen Third Downs, etwas, das diese Ravens-Offense überhaupt nicht sehen will. Die Chargers verteidigten in diesen Situationen mehrfach mit vielen Underneath-Zone-Verteidigern und zwangen Jackson so, lange Pässe zu versuchen - wozu der vor allem in der ersten Hälfte überhaupt nicht in der Lage war. Gleichzeitig verhinderte L.A. mit diesen Coverages Scrambles von Jackson.
- Generell merkte man den Chargers an, dass sie gegen diese Ravens-Offense gerade erst vor zwei Wochen gespielt hatten: L.A. war deutlich besser eingestellt. Die Chargers attackierten die Box ihrerseits aggressiv; die Defensive Line attackierte downfield, statt zu reagieren. Das zerstörte mehrere Ravens-Plays direkt, vor allem im Inside Run Game.
- Und die Chargers, bei denen Linebacker Jatavis Brown ausfiel, setzten außerdem permanent gleich zwei Safeties statt Linebacker in der Box ein und spielten quasi ohne Inside Linebacker. Die Safeties konnten die mit ihrer Geschwindigkeit besser auf Baltimores Run-Designs reagieren. Im Pass-Rush hatte L.A. gezielt James Hurst als Schwachstelle ausgemacht und attackierte ihn immer wieder - Hurst war für mehrere Sacks verantwortlich. Mitte des dritten Viertels wurde Hurst rausgenommen und durch Bradley Bozeman ersetzt.
- Bei aller Kritik an der Ravens-Offense kann man Baltimores Defense allerdings nicht genug loben. Nur ihr war es, mit all den Pressure- und Blitz-Paketen, mit einer aggressiven, mutigen Front, die das Geschehen weitestgehend komplett diktierte, zu verdanken, dass dieses Spiel in der zweiten Hälfte überhaupt noch eng war. Die Chargers spielten dabei auch zu viele horizontale Runs, was die Ravens mehrfach unsanft im Backfield beendeten. Generell wirkte L.A. in seinem Play-Calling sehr konservativ - möglicherweise mit dem Wissen im Hinterkopf, dass die Protection nicht standhalten kann.