1. Der Edelman-Ausfall tut in den wichtigsten Momenten weh
Es dauerte nicht lange, bis die Patriots traurige Gewissheit hatten: Julian Edelman hat sich einen Kreuzbandriss zugezogen und verpasst die kommende Saison. Vermutlich die häufigste Reaktion die ich auf Social Media gesehen habe, war diese: "Bitter und tut weh, aber New Englands Wide-Receiver-Corps ist tief genug." Manchmal noch ergänzt durch: "So lange Brady fit ist..."
Das mag grundsätzlich auch stimmen, die Patriots haben mit Brandin Cooks, Chris Hogan, Danny Amendola, Malcolm Mitchell und Austin Carr wirklich ein beachtliches Arsenal an Passfängern. Trotzdem sollte man die Bedeutung von Edelman für diese Offense nicht unterschätzen.
Edelman, ganz nebenbei auch ein sehr guter Punt-Returner, ist ein Crunchtime-Spieler: Bei Third Down - niemand hatte 2016 mehr Third-Down-Receiving-Yards als Edelman (431), der zudem die zweitmeisten Third-Down-Receptions (28) hatte - und anderen kritischen Situationen im Spiel sucht Tom Brady Edelman konstant, und das nicht ohne Grund. Edelman ist einer der besten Slot-Receiver der Liga und genießt außerdem das vollste Vertrauen seines Quarterbacks. Seine Position ist ein absolut zentrales Element in jeder Offense, und in der der Patriots nochmal ein wenig mehr. Das hat ganz einfach schematische Gründe.
New Englands Offense baut auf Option Routes. Bedeutet simpel ausgedrückt: Der Receiver muss die Defense seinerseits ebenfalls lesen. Je nachdem, wie sie agiert, stehen verschiedene, vorher festgelegte Routes zur Auswahl. Quarterback und Receiver müssen eine Defense also auf die gleiche Art und Weise lesen und verstehen, damit sie die gleichen Schlüsse ziehen. All das passiert in Sekundenbruchteilen und setzt ein hohes Maß an Vertrauen ineinander voraus. Und auf diesem Level hat Brady das mit keinem anderen Receiver.
Ich hatte mit Ex-Patriots-Tackle Sebastian Vollmer Ende letzten Jahres über dieses Thema gesprochen, und er hat das bestätigt: "Was man von anderen Spielern hört, die von anderen Teams kommen, ist, dass die Offense irgendwie anders ist, beispielsweise von der Terminologie her. Dazu kommen die Option Routes. Dafür müssen Receiver und Quarterback voll auf der gleichen Wellenlänge sein. Das kann kompliziert sein und das kann auch ein wenig Zeit sowie gemeinsames Training brauchen."
Cooks, Hogan und Mitchell sehe ich Outside, Amendola ist Stand heute derjenige, dem ich die Edelman-Rolle am ehesten zutraue. Allerdings ist der auch nicht gerade bekannt dafür, eine komplette Saison über fit zu bleiben. Carr wird - bei allem Talent das er fraglos mitbringt - Zeit in der Offense brauchen. Ein großer Trade so kurz vor der Saison ist allein angesichts der Komplexität der Offense unwahrscheinlich.
Stattdessen sind für mich andere Formationen denkbar. Mehr 2-Tight-End-Sets mit Gronkowski und Allen sowie ein stärkerer Einsatz der Running Backs im Passing Game und dabei auch mehr Formationen mit mehreren Running Backs. Der Edelman-Ausfall aber wird sich bemerkbar machen. Trotz Brady und des tiefen Receiver-Corps.
2. Bortles - ein Fehler in mehrerlei Hinsicht
Blake Bortles geht also doch als Jacksonvilles Starting-Quarterback in die Regular Season. Um zu wissen, dass ich das grundsätzlich bereits für einen Fehler halte, muss man nur meine Kolumne aus der vergangenen Woche lesen. Die Essenz: Bortles' ganze Wurfmechanik ist für mich eine einzige Baustelle - bestenfalls. Eine riesige Ausholbewegung, dazu eine furchtbare Fußarbeit und eine schlimme Wurf-Mechanik, die zu einem absurd langsamen Release führt. Bortles selbst hat sich vor einigen Monaten ja als "keinen natürlichen Werfer" bezeichnet. Man sieht's.
Dazu sagte Charlie Taaffe, Bortles Offensive Coordinator im College, vor einigen Tagen, dass er sich aufgrund von Bortles' Körpersprache Sorgen macht und glaubt, dass seine Probleme aktuell "mentaler Natur" seien. Das hebt die Meinung über Jacksonvilles Quarterback nicht gerade und deutet vielmehr an, dass noch tiefgreifendere Probleme eine Weiterentwicklung zusätzlich blockieren. Die Negativität und das Auseinanderpflücken eines jeden Wurfes tun Bortles sicher nicht gut. Dass die Mechanik aber mit einer besseren Einstellung und dem Vertrauen der Coaches plötzlich funktioniert, ist mir dann doch zu einfach gedacht.
Umso überraschter war ich von der Begründung von Coach Doug Marrone: "Ich schaue immer zuerst darauf, wer uns die beste Chance gibt, Spiele zu gewinnen. Dabei betrachte ich alles, nicht nur die Quarterback-Position - eben wie wir spielen wollen, was wir tun wollen. Ich glaube, Blake hat die Möglichkeiten, um Plays für uns auszudehnen, und das wird uns in meinen Augen helfen."
Bitte was? Auf die Nachfrage bezüglich Bortles' schlechter Entscheidungen auf dem Platz fügte Marrone noch hinzu, dass sein Gefühl gut genug sei, "um hier zu stehen und zu sagen, dass er uns die beste Chance gibt, Spiele zu gewinnen." Für mich ist diese gesamte Begründung so absurd, dass ich mich frage, ob Marrone die Entscheidung so letztlich von oben vorgegeben wurde - und er sie eben irgendwie der Presse verkaufen musste.
Denn auch der Zeitpunkt passt für mich überhaupt nicht, hatte Marrone doch gerade erst eine Woche zuvor das Quarterback-Duell für eröffnet erklärt. Sicher, Chad Henne hat dann am Donnerstag gegen die Panthers nicht gerade die Bühne im Sturm erobert - Bortles nach ihm allerdings auch nicht. In meinen Augen hätte dieses Spiel an der Quarterback-Hackordnung überhaupt nichts ändern sollen. Warum für einen so kurzen Zeitraum überhaupt das ganze Quarterback-Fass aufmachen, wenn die Entscheidung nach einem vergleichsweise nichtssagenden Spiel dann doch schnell getroffen wird?
Und es geht ja noch weiter, denn Bortles jetzt zum Starter zu machen birgt für Jacksonville ein großes Risiko: Die bereits gezogene Vertragsoption für 2018 ist nur für den Verletzungsfall garantiert. Sprich: Sollte sich Bortles hinter einer durchaus anfälligen Offensive Line schwer verletzen und seinen Medizincheck im kommenden Jahr nicht bestehen können, wären 18 Millionen Dollar fällig. Egal, welche Quarterback-Pläne die Jags bis dahin verfolgen.
Noch zwei Punkte, bevor ich das Thema abhaken will: Ich kann mir gut vorstellen, dass Henne rein sportlich gesehen die bessere Wahl gewesen wäre. Sicher, er ist das Sinnbild für risikoarmes, eindimensionales Quarterback-Play. Quasi Alex Smith auf Valium. Aber wäre das nicht die bessere Option gewesen, verglichen mit Bortles, der für wilde Turnover immer gut ist? Mit einem guten Run Game und einer sehr guten Defense hätte Henne Jacksonville zumindest in der Theorie in engen Spielen eine bessere Chance gegeben. Und abschließend verstehe ich nicht, warum die Jaguars keine weitere Quarterback-Option geholt haben, um zumindest perspektivisch im Laufe der Saison noch eine Möglichkeit zu haben. Das gilt umso mehr, nachdem Team-Besitzer Shad Khan öffentlich grünes Licht für Colin Kaepernick gegeben hatte.