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Erkenntnisse zum Sieg der Celtics über die Cavaliers: Die beste Rivalry in der NBA?

Von Stefan Petri
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Das Spitzenspiel in der NBA geht an die Celtics, Cleveland ist nicht mehr unbesiegt. Dennoch können die Cavs viel mitnehmen. Und: Tatum als MVP?

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Erkenntnis zu Celtics vs. Cavs: Die beste Rivalry der NBA?

Zwischenzeitlich sah es so aus, als würden die Celtics das Spitzenspiel mit einem Trommelfeuer von der Dreierlinie frühzeitig entscheiden. 14/22 Triples versenkte der Titelverteidiger in Hälfte eins, laut ESPN hatte man in diesem Jahrhundert vor der Pause noch nie so gut von draußen getroffen. Dementsprechend schwoll der Vorsprung auf 17 Punkte an - aber die Cavs kämpften sich zurück ins Spiel. "In der zweiten Halbzeit haben wir aufgedreht, aber es da war es schon fast zu spät", erklärte Head Coach Kenny Atkinson. Auf 105:110 verkürzte Donovan Mitchell (35 Punkte) gut drei Minuten vor dem Ende, bevor Boston den Vorsprung vor frenetischen Zuschauern im TD Garden mit 120:117 über die Zeit brachte.

Die bekamen den vielleicht besten Basketball zu sehen, den die NBA gerade zu bieten hat. Definitiv in der Eastern Conference. Die Stars auf beiden Seiten lieferten Highlight-Plays, schließlich wusste man, was die Stunde geschlagen hatte. Die unterschiedlichen Spielstile in Kombination mit großartigen Einzelspielern machten einfach Spaß. 22:10 Dreier für Boston, 60:36 Punkte in der Zone für Cleveland. Jayson Tatum (33, 12 und 7) legte eine MVP-Performance hin (s.u.), Mitchell machte im Schlussviertel 18 Punkte, auch die Rollenspieler lieferten auf beiden Seiten ab. Nur bei Darius Garland (3/21 FG) lief überhaupt nichts zusammen.

15-0 gegen 11-3, eine echte Standortbestimmung für beide Seiten. Kleinreden wollte das Duell anschließend niemand. "Sie waren unbesiegt und kamen in unsere Halle", erklärte Celtics-Guard Derrick White. "Und wir hatten im NBA Cup schon ein Spiel verloren. Es war also wirklich wichtig für uns." Die Cavaliers wiederum waren auf der Suche nach "Feedback" (Zitat Atkinson): Wie viel waren die 15 Siege zum Start in die Saison tatsächlich wert? Dementsprechend wehte ein Hauch von Playoffs durch die Arena, ein hartes Foul von Tatum gegen Mitchell sorgte für zusätzlichen Pfeffer.

Die beiden Teams kennen sich gut, im letzten Jahr traf man in den Playoffs aufeinander. Da verloren die Cavs in fünf Spielen, mussten aber komplett auf Jarrett Allen und in zwei Spielen auf Mitchell verzichten (Boston spielte ohne Kristaps Porzingis). Es gibt im Osten noch die New York Knicks, die aufmüpfigen Orlando Magic, vielleicht kommen sogar die Philadelphia 76ers noch aus dem Quark. Es war allerdings kein Zufall, dass beide Seiten nach dem Spiel schon dem Rematch Anfang Dezember in Cleveland entgegenfieberten. "Wir sehen sie in zwei Wochen wieder. Bis dahin können wir noch einiges verbessern."

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Boston Celtics und Cleveland Cavaliers im Vergleich

CelticsStatistikCavaliers
121,6 (2.)Punkte/Spiel123,7 (1.)
111,4 (13.)gegnerische Punkte/Spiel111,4 (12.)
9.8 (3.)Net Rating10.5 (2.)
97.8 (26.)Pace (Ballbesitze/Spiel)100.56 (8.)
51,1 (1.)Dreier/Spiel37,1 (13.)
37,0 (11.)Dreierquote (Prozent)41,9 (1.)
40,5 (29.)Punkte in der Zone54,0 (5.)
60,5 (3.)True Shooting (Prozent)63,6 (1.)
49,4 (18.)Rebound Rate (Prozent)50,3 (16.)
25,4 (14.)Assists/Spiel28,4 (7.)
11,6 (3.)Turnover/Spiel12,7 (8.)

Stand: 20. November

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Erkenntnis zu Celtics vs. Cavs: Cleveland ist ein Titelkandidat

Die Celtics wissen nach dem dominanten Titelgewinn im letzten Jahr, wo sie in der NBA-internen Hackordnung zu verorten sind. Bei den Cavs gab es trotz des sensationellen Saisonstarts noch ein paar Fragezeichen. "Wir wissen alle, dass wir bisher nicht den härtesten Spielplan hatten", hatte Atkinson vor dem Spiel zugegeben - und damit noch untertrieben: Nach gegnerischer Winning Percentage (.395) war es sogar der einfachste. Dennoch legt man nicht im Vorbeigehen einen der besten Saisonstarts überhaupt hin. "Man will natürlich Geschichte schreiben", gab Mitchell zu. "Aber das ist jetzt Vergangenheit. Wir hatten einen guten Lauf." Schließlich hat man in Cleveland größere Ziele vor Augen: "Im November gewinnt man keine Titel."

Ob man sich mit derartigen Ansagen bei den Cavs nicht zu viel zumutet? Nein, das zeigte der Auftritt in Boston deutlich. "Sie sind das Spiel angegangen wie ein Playoff-Spiel", analysierte Atkinson, "wir nur wie ein Spiel in der Regular Season." Wie sein Team in der hitzigen Atmosphäre zurückkam, sollte den Cavs-Fans, die auf einen tiefen Playoff-Lauf hoffen, aber definitiv Mut machen. Ohne in Panik zu verfallen, kämpfte man sich Stück für Stück ins Spiel zurück, dominierte vor allem unter dem gegnerischen Korb mit Evan Mobley und Jarrett Allen (beide legten Double-Doubles auf). "Ich hatte keine Zweifel daran, dass wir zurückkommen würden", betonte Mitchell, und auch Mobley (22, 11 und 6) zeigte sich nicht unzufrieden: "Alles in allem haben wir ziemlich gut gespielt. Das war ein guter Test. So wie ich das heute gesehen habe, können wir jeden schlagen."

Tatsächlich brauchte Boston eine überragende Dreierquote, um den Herausforderer in Schach zu halten, und der war gerade auf den Flügeln ersatzgeschwächt angetreten: Max Strus, Caris LeVert, Isaac Okoro und Dean Wade fielen allesamt aus. Dazu kam der schwarze Abend von Garland, der mit dem defensiv starken Backcourt des Gegners nicht zurechtkam. Dementsprechend sahen die Gäste noch Luft nach oben: "Man will wissen, wo man steht, aber dem Spiel gleichzeitig nicht zu viel Bedeutung beimessen. Wir werden weiter versuchen, uns zu verbessern."

Natürlich kann man das Spiel auch andersherum spielen: Wird die Cavs-Bank im Rückspiel Anfang Dezember wieder 15/21 aus dem Feld treffen, oder Boston nur sieben Turnover provozieren? Wahrscheinlich nicht. Fakt ist aber, dass die Cavs im Vergleich zum Vorjahr einen deutlichen Schritt nach vorn gemacht haben, und als 1b im Osten ein echter Titelkandidat sind. Der Trainerwechsel von J.B. Bickerstaff zu Kenny Atkinson in der Offseason war ein voller Erfolg, auch die Wechselgedanken von Mitchell in Richtung New York sind Geschichte.

Wahrscheinlich werden die Cavs ihr aktuelles Tempo nicht halten können, gleich mehrere Akteure werden gerade von der Dreierlinie nicht immer so gut treffen können. Aber der Fortschritt von Garland ist real, Mitchell ist weiterhin ein exzellenter Closer, und mit Mobley und Allen hat man gleich zwei Big Men, die sich in puncto Abschlüsse am Ring unter den Top-10 der Liga befinden. Und weil das Team so tief ist, muss kein Spieler mehr als 31 Minuten pro Partie ran. Perfekte Vorzeichen für einen Playoff-Run im kommenden Frühjahr.

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Erkenntnis zu Celtics vs. Cavs: Jayson Tatum spielt um den MVP-Award mit

"MVP"-Sprechchöre von den Tribünen sind nicht immer allzu aussagekräftig, doch diesmal hatte sie sich Tatum redlich verdient. 33 Punkte bei 11/22 aus dem Feld, dazu 12 Rebounds, 7 Assists und 2 Steals in 38 Minuten - im wichtigsten Saisonspiel zeigte der 26-Jährige eine seiner besten Saisonleistungen. So sammelt man Argumente im MVP-Rennen. Wie er am Ende des 3. Viertels Gegenspieler Okoro zu Boden schickte und dann in aller Seelenruhe den Dreier traf, ließ den Garden erbeben.

Die Zweifel daran, wie er seinen Bankplatz bei den Olympischen Spielen in Paris wegstecken würde, ob er seinen Jumper wieder in Form würde bringen können, sind längst Schnee von gestern. Aktuell steht er bei 46,4 Prozent aus dem Feld und über 39 Prozent von der Dreierlinie, und legt Karriere-Bestwerte von 29,9 Punkten und 5,9 Assists auf. Überhaupt spielt Tatum bislang extrem konstant: Nur einmal blieb er unter der Marke von 20 Punkten, mehr als 37 waren es auch noch nicht.

Ist in dieser Form sogar der MVP-Award drin? Tatum hätte zumindest das passende Narrativ parat - durch das tiefe Tal der Olympischen Spiele bis ganz nach oben gekämpft, das kommt gut an. Den Vorwurf, dass man mit ihm als Nummer eins keinen Titel gewinnen könne, hat er ja schon eindrucksvoll widerlegt. Sechster, Vierter und noch einmal Sechster war er im MVP-Voting in den letzten drei Saisons, und diesmal scheint durchaus eine erneute Steigerung möglich.

Ob es am einmal mehr überragenden Nikola Jokic ein Vorbeikommen gibt, das ist natürlich fraglich. Aber die Nuggets werden im engen Westen zu kämpfen haben, Joel Embiid ist weg vom Fenster und für Giannis Antetokounmpo wird es mit den schwächelnden Bucks auch schwierig. Luka Doncic hat mit den Dallas Mavericks einen Stotterstart hingelegt, Kevin Durant ist verletzt. Bleiben Shai Gilgeous-Alexander von OKC und Anthony Davis, der seinerseits bärenstark in die Saison gestartet ist. Trotzdem ist in dieser Form ein Platz in den Top-3 für Tatum drin - mindestens.

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