Die On/Off-Differenz beträgt fast genau 30 Punkte und ist damit größer als bei jedem anderen Spieler der Liga. Zum Vergleich: Durant liegt bei +11,2, Curry bei +19,3, und das sind sehr hohe Werte. Jokic steht nur deutlich drüber.
Wer ihn nicht als MVP-Kandidaten sieht, tut das nur aufgrund seines Teams - Jokic kann nur die Minuten beeinflussen, in denen er auf dem Court steht. Und diese Minuten sind sehr gut, überragend sogar. Was sich gut ins Gesamtbild fügt: Blickt man nur auf den nächsten harten Faktor, die Zahlen, dann gibt es derzeit eigentlich keine Debatte.
Für den MVP kann man natürlich andere Faktoren mit einbeziehen und daher ist es auch legitim, dass in der momentan ohnehin verfrühten Diskussion Curry und Durant bei fast allen in diesem Rennen vorne stehen. Aber wir sprechen hier ja auch über den besten Spieler der Welt - und das ist, rein statistisch betrachtet, derzeit eindeutig Jokic.
Nikola Jokic punktet effizienter als Kevin Durant
Der 26-Jährige sprengt derzeit diverse Advanced Metrics; er legt das höchste Player Efficiency Rating der Geschichte auf (34,2), er führt die Liga unter anderem an bei: Offensive Win Shares, Win Shares/48 Minuten, Offensive Box Plus Minus, Defensive Box Plus Minus, Box Plus Minus, Value Over Replacement Player. Klingt kompliziert, geht aber auch simpler.
Ein Spieler, der offensiv schon die vergangenen Jahre über jeden Zweifel erhaben war, ist besser geworden; er trifft 66 Prozent seiner Zweier und 38 Prozent von Downtown, holt mit Abstand die meisten Rebounds seiner Karriere. Eine (gerundete) Statline von 26, 14 und 8 gab es noch nie in der Geschichte, Jokic legt sie auf und ist dabei noch unheimlich effizient.
Alle Spieler, die vor Jokic beim True Shooting (66,4 Prozent) stehen, sind Play-Finisher; Jokic erarbeitet sich den größten Teil seiner Punkte selbst, ist Jump-Shooter, Post-Player, läuft Pick'n'Rolls, macht alles mögliche. Es gibt gerade keinen besseren Volume-Scorer in der Liga, selbst Durant (62,6) steht ein ganzes Stück hinter ihm. Er ist von jedem Fleck im Halbfeld aus gefährlich und trifft hochprozentig von jedem Areal aus dem Feld.
True Shooting: Die effizientesten Scorer der NBA
Rang | Spieler | True Shooting % | Punkte |
1 | Rudy Gobert | 74,1 | 15,4 |
2 | Richaun Holmes | 73,7 | 14 |
3 | Jarrett Allen | 72,3 | 16,8 |
4 | Ivica Zubac | 69,9 | 9,6 |
5 | Montrezl Harrell | 68,2 | 14,5 |
6 | JaVale McGee | 67,5 | 10,9 |
7 | Nikola Jokic | 66,4 | 26,3 |
8 | Domantas Sabonis | 65,6 | 18,3 |
9 | Pat Connaughton | 65 | 12,1 |
10 | John Collins | 64,5 | 17,2 |
Dabei ist das Scoring nicht Jokic' bester Offensiv-Skill. Das ist nach wie vor sein Passing Game, auch wenn er mit 7,5 Dimes pro Partie etwas weniger verteilt als im letzten Jahr. Jokic ist hier kein bisschen schlechter geworden, es macht sich höchstens bemerkbar, dass die beiden besten Verwerter seiner Pässe nicht zur Verfügung stehen.
Nikola Jokic: Auch die Defense passt mittlerweile
Auch die Geschichte vom schlechten Verteidiger ist veraltet, ähnlich übrigens wie bei Curry, der im Alter von 33 Jahren die beste Defense seiner Karriere spielt. Jokic hat sich auch hier in den vergangenen Jahren massiv entwickelt und ist mittlerweile ein positiver Faktor.
Jokic ist kein Rim-Protector wie Rudy Gobert, es gibt jedoch unterschiedliche Arten, gut zu verteidigen. Was ihm defensiv hilft, sind sein riesiger Körper, seine schnellen Hände (immer eine Gefahr für Steals) und die Spielintelligenz, die ihn auch offensiv so gut macht. Er ist mobiler geworden, zeigt dadurch auch Fortschritte in der Drop Coverage.
Die Nuggets erlauben weniger Dreier und weniger Abschlüsse am Ring, dafür mehr Mitteldistanzwürfe, wenn Jokic auf dem Court steht. Gegner treffen dabei vor allem aus der Mitteldistanz deutlich schwächer. Das war noch in der vergangenen Saison anders, aber die größere Mobilität erlaubt es Jokic häufiger, in der Floater Range als Hindernis aufzutauchen.
Denver Nuggets: Shooting Luck spielt eine Rolle
Jokic hat defensiv seine Makel, aber das Positive überwiegt. Ein nicht unwesentlicher Teil seines Beitrags sind auch die Rebounds - in seinen Minuten lässt Denver kaum Offensiv-Rebounds zu, vermeidet Fouls und ist momentan sogar in Transition-Situationen sehr solide.
Generell erlauben die Nuggets stolze 16,8 Punkte pro 100 Ballbesitzen weniger, wenn Jokic auf dem Court steht. Das Defensiv-Rating in diesen Minuten (104,1) würde aktuell für Platz drei ligaweit reichen. Shooting Luck spielt dabei eine Rolle: Derzeit treffen gegnerische Teams in Jokic' Minuten nur 33 Prozent von draußen, das ist ungewöhnlich schwach und liegt nicht komplett in seiner Kontrolle oder der Kontrolle der Nuggets im Allgemeinen.
Es ist aber auch nicht die einzige Kategorie, in der Jokic derzeit überzeugt. Die Nuggets haben es geschafft, um ihn herum eine solide bis gute Defense aufzubauen, mit Ausnahme der Vorsaison waren sie das auch in den Jahren zuvor. Das ist auf Dauer schwer, wenn der Spieler auf der defensiv wichtigsten Position wirklich so schlecht ist, wie er oft gemacht wird.
Nikola Jokic ist kein Außenseiter mehr
Womit wir wieder beim Ausgangspunkt angekommen wären: Die Leistungen passen bei Jokic einfach nicht (mehr) zu dem Bild, das viele von ihm haben. Wenn ein amtierender MVP sich im Vergleich zur Vorsaison merklich steigert, sollte das eigentlich weitaus höhere Wellen schlagen.
Und Jokic sollte kein Außenseiter sein, wenn es um die Frage nach dem derzeit besten Spieler der Liga geht. Er mag nicht den Konventionen entsprechen, aber er gehört mitten rein in diese Diskussion, bewegt sich auf Augenhöhe mit KD, Steph und Giannis Antetokounmpo.
Den Zahlen zufolge müsste Jokic momentan sogar ganz oben stehen. Niemand hat derzeit statistisch von Spiel zu Spiel einen größeren Einfluss auf das Geschehen als er. Natürlich erzählen die Statistiken nie die ganze Geschichte - die anderen Faktoren (Eye-Test, Respekt, Team-Erfolg) nur eben auch nicht. Jokic ist ein Paradebeispiel dafür.