Backcourt: Malcolm Brogdon (Milwaukee Bucks; 15,7 Punkte, 4,6 Rebounds, 3,5 Assists)
Der zweite Guard des Teams ist als ehemaliger Rookie of the Year sicherlich noch der Spieler mit dem größten Profil. Unter dem Radar fliegt der "President" trotzdem: Brogdon gewann den Award im lahmsten Rennen der Geschichte (man wollte Joel Embiid zum ROTY machen, obwohl er nur 31 Spiele absolvierte ...) und geriet danach schnell wieder fast in Vergessenheit, zumal er im zweiten Jahr dann auch nur 48 Partien absolvieren konnte und keinen echten Schritt nach vorne machte.
Als im Sommer darüber diskutiert wurde, wie Milwaukee sich weiterentwickeln könnte, wurden stets andere Namen genannt - der neue Coach Mike Budenholzer und Giannis natürlich, auch von Middleton oder Brook Lopez erhoffte man sich in unterschiedlicher Form einiges. Eric Bledsoe galt als Kandidat, um sich in seiner ersten ganzen Saison mit den Bucks signifikant zu steigern.
All dies übrigens vollkommen zurecht - die Bucks sind laut Net-Rating das beste Team der Liga, weil fast all diese Erwartungen sich bisher bewahrheitet haben. Die Leistungen von Brogdon sollten dabei aber nicht untergehen.
Mit seinen 26 Jahren hat sich der Guard in neuer Rolle massiv gesteigert - Brogdon startete bisher jedes Spiel, seine Quoten sind selbst in Videospielen nur schwer zu toppen. Aktuell steht er bei 51,8 Prozent aus dem Feld, 42,6 Prozent von Downtown und 96,6 Prozent von der Freiwurflinie - alles Career Highs, obwohl er kürzlich den dritten Freiwurf dieser Saison verwarf (die Flasche!).
Der 50-40-90-Klub ist also realistisch, und auch bei der effective Field Goal Percentage rangiert Brogdon unter allen Guards auf Rang zwei oder drei hinter Stephen Curry und Joe Harris (wenn man diesen als Guard sieht). Man könnte argumentieren, dass unter allen Bucks-Spielern nur Giannis mehr vom neuen Budenholzer-System profitiert hat als Brogdon.
Dieses fußt kurz gesagt darauf, so viel Shooting wie möglich rund um Giannis zu platzieren. Brogdon ist dabei bei weitem nicht der Spieler mit den meisten Versuchen, aber der effektivste Nutznießer - wenn der Grieche vier Verteidiger bindet und dann in die Ecken blickt, ist Brogdon seine wohl gefährlichste Waffe. Wie seine Shotchart zeigt: Den Dreier aus der Ecke nimmt er besonders gern. Generell folgen über 90 Prozent seiner Dreier einem Assist - fast genau 20 Prozent mehr als letzte Saison.
Brogdon ist aber nicht nur auf den Dreier beschränkt. Im Gegenteil: Seine meisten Abschlüsse nimmt er in unmittelbarer Korbnähe, wie die Heat-Map zeigt - gleichauf mit Bledsoe erzielt er nach Giannis die meisten Bucks-Punkte in der Zone. Seine Diät besteht zu einem sehr großen Anteil aus Dreiern und Layups - genau so, wie Budenholzer es sich vor der Saison wohl aufgemalt hat.
Brogdon ist dabei auch deshalb so wertvoll, weil er innerhalb eines Spiels verschiedene Rollen einnehmen kann. Mit Giannis auf dem Court spielt er primär abseits des Balles, auch in den knapp acht Minuten, die er pro Spiel ohne Antetokounmpo auf dem Court steht, kommt er aber gut zurecht: Seine Usage-Rate steigt, interessanterweise aber auch seine Effizienz. Er gehört zu den Hauptgründen, warum Milwaukee auch dann nicht einbricht, wenn der Grieche pausiert.
Mehr als die Hälfte seiner Abschlüsse in der Zone erfolgen unassistiert, er erarbeitet sich diese also häufig selbst - auch das ist wichtig im Bucks-System. Brogdon ist kein Sprinter, aber klug, und er beherrscht Richtungs- sowie Tempowechsel gerade aus dem Pick'n'Roll heraus wie ein Meister, sodass er üblicherweise an seinen Gegenspielern vorbeikommt. Gepaart mit seiner Länge und guter Defense macht ihn das mit aktuell 1,5 Mio. Jahresgehalt zu einem massiven Luxus für die Bucks.
Allerdings auch zu einem Dilemma. Da Brogdon 2016 in der zweiten Runde gedraftet wurde, wird er schon im kommenden Sommer zum Restricted Free Agent - und teuer. Bei den Bucks werden im Sommer unter anderem Middleton, Bledsoe und Lopez Free Agents. Middleton dürfte ziemlich sicher einen Max-Deal (oder etwas in der Richtung) bekommen. Ob auch alle anderen adäquat bezahlt werden können (und sollen), hängt aber wohl auch vom Erfolg in den Playoffs ab.
Wie der Markt für Brogdon aussehen wird, ist auch deshalb schwer zu beantworten, weil sein Entwicklungspotenzial schwer einschätzbar ist - er kam eben schon als "alter Mann" in die Liga. Gleichzeitig bringt er alle Fähigkeiten mit, die bei sekundären Guards in der heutigen NBA so gefragt sind. Aufgrund seines Fits neben Giannis darf Milwaukee eigentlich auch ihn schwerlich ziehen lassen.
Frontcourt: Joe Harris (Brooklyn Nets; 13,3 Punkte, 3,7 Rebounds, 2,4 Assists)
Was hat zwei Daumen, einen prächtigen Bart, diverse gute Spitznamen ("Joey Moses") und aktuell die zweitbeste Dreierquote der Liga? Richtig geraten: Joe Harris. Der Swingman setzt seiner guten Vorsaison, in der er knapp 42 Prozent von draußen netzte, noch einmal einen drauf und trifft aktuell brandheiße 47,3 Prozent von Downtown - nur Seth Curry ist ligaweit besser.
Harris ist indes nicht (mehr) so eindimensional, wie man manchmal denken mag. Seine Rolle im System von Kenny Atkinson hat sich verändert und vergrößert, speziell in dieser Saison, in der er erstmals in seiner Karriere dauerhaft starten darf. Während es im Sommer noch etwas verwirrt aufgenommen wurde, als Brooklyn für zwei Jahre und 16 Mio. mit dem 27-Jährigen verlängerte, hat sich diese Investition jetzt schon ausgezahlt.
Brooklyn ist auf Playoff-Kurs und während dabei insbesondere die beiden Guards D'Angelo Russell und Spencer Dinwiddie zumeist im Fokus stehen, bilden Spieler wie Harris oder auch DeMarre Carroll oder Jarrett Allen (mein ursprünglicher Pick für den Center dieses Teams) das solide Fundament um die Topscorer.
Harris wird dabei von Atkinson in Teilen wie Kyle Korver eingesetzt - schon als der Coach den Shooter vor einigen Jahren rekrutierte, äußerte er genau diese Vision, dass Harris um Blöcke rennen und reihenweise Triples ohne Dribbling versenken sollte. Das ist aber nur ein Teil seines Spiels. In den nun zweieinhalb Jahren, die Harris bei den Nets spielt, hat er sich zudem zu einem elitären - wirklich! - Driver entwickelt.
Joe Harris: Vom Salary-Dump zum Scharfschützen
Schon vergangene Saison entwickelte Harris als Antwort auf die harten Closeouts seiner Verteidiger einen Konter. Da sein Wurf so gefährlich ist, stehen ihm Verteidiger gern auf den Füßen, Harris nutzt das jedoch immer mehr, um dann einfach resolut an ihnen vorbeizugehen und entweder zum Korb zu gehen oder abzulegen.
Laut Second Spectrum erzielen die Nets bei Drives von Harris über 1,3 Punkte pro Ballbesitz, wenn er entweder abschließt oder direkt für einen Wurf passt - das ist der beste Wert in der gesamten NBA! Und eine Dimension, die Korver nie in der Art in seinem Spiel hatte. Harris, der vor zweieinhalb Jahren noch als Salary-Dump von Cleveland nach Orlando ging, um dort prompt entlassen zu werden, hat sich über die letzten Jahre unheimlich stark entwickelt.
Er gehört zu den besten Schützen der Liga im Catch-and-Shoot und nach Hand-Offs, mehr als viele Shooter seiner Klasse hält er den Ball aber auch gut in Bewegung und kann mit dem orangenen Leder mehr anfangen als nur abzudrücken. So unscheinbar sein Spiel teilweise auch wirkt, alles hat Hand und Fuß - er nimmt fast nie schlechte Abschlüsse. Seine eFG von 62,8 Prozent übertreffen folglich nur fünf Big Men, nicht einmal der eFG-Schutzheilige Stephen Curry rangiert in dieser Saison über Harris.
Man liest in den letzten Jahren recht regelmäßig vom positiven Wandel in Brooklyn, wo aus einer katastrophalen Situation langsam wieder eine erträgliche gemacht werden sollte - insbesondere Atkinson und GM Sean Marks werden dabei gerne gelobt.
Harris ist bisher vielleicht ihre größte Erfolgsgeschichte - vor nicht allzu langer Zeit sah es nicht danach aus, als würde diesem noch eine lange NBA-Karriere bevorstehen. Stattdessen hat er sich binnen kurzer Zeit extrem gut entwickelt und gehört heute zu den besten Rollenspielern auf dem Flügel.
Zumal er auch defensiv absolut solide ist, auch wenn er nicht als Stopper durchgehen würde. Dafür gibt es in diesem Team andere.