In einem Winter, in dem auf dem Free-Agent-Markt der MLB nicht wahnsinnig viel geht, tut sich vor allem ein Team hervor, das die Gesetze des Marktes gewissermaßen ignoriert: die Philadelphia Phillies.
Genau genommen ignorieren sie die Markt-Gesetze natürlich nicht, vielmehr nutzen Sie die aktuelle Lage zu ihren Gunsten. Deutlich wurde dies bereits vor Monaten, als man First Baseman Carlos Santana für drei Jahre und 60 Millionen verpflichtete. Kein anderer First Baseman - mit Ausnahme von Eric Hosmer - bekam solch einen annährend lukrativen Vertrag.
Ähnlich sieht es bei den Pitchern aus. Der Markt verläuft weiterhin schleppend, keiner will so wirklich Geld in die Hand nehmen - bis auf die Phillies. Sie schocken die Baseballwelt erneut mit der Verpflichtung von Jake Arrieta, der in den nächsten drei Jahren 25 Millionen US-Dollar jährlich einstreichen wird - unter Umständen sogar 135 Millionen US-Dollar über die nächsten fünf Jahre kassiert.
Die Phillies, die seit 2011 nicht mehr in den Playoffs waren und zuletzt eher darauf konzentriert waren, sich von Altlasten zu trennen und möglichst kein Geld in zukünftige Verträge zu stecken, werden nun zum aggressivsten Shopper auf dem Markt.
Philadelphia Phillies verfügen über viel Power
Was sich im Vorjahr schon angedeutet hatte, wird nun noch mehr unterstrichen: Die Phillies wollen wieder ernst genommen werden. Sie haben sich nach und nach einen Kader aufgebaut, der zwar noch längst nicht da ist, wo er sein soll, der aber auch schon im Hier und Jetzt aufhorchen lassen könnte.
Schaut man sich das Stamm-Lineup an, fällt auf, dass nahezu jede Position mit Power ausgestattet ist. Ein Lineup wie gemalt für den Hitter-freundlichen Citizens Bank Park, der generell viele Homeruns sieht. Neben Santana, der auch dank dieses Ballparks sicherlich ein Kandidat für 30 Homeruns oder mehr ist, darf man auch die zahlreichen Youngsters nicht unterschätzen.
Während der hochtalentierte Center Fielder Odubel Herrera vielleicht nicht den großen Slugger geben wird, sollten das letztjährige Phänomen Rhys Hoskins (18 Homeruns in 50 Spielen) sowie Nick Williams und Maikel Franco durchaus auch in der Lage sein, an den 30 Long Balls zu kratzen.
Batting Order | Spieler | Position | Alter |
1 | Cesar Hernandez | Second Baseman | 27 Jahre |
2 | Carlos Santana | First Baseman | 31 |
3 | Odubel Herrera | Center Fielder | 26 |
4 | Rhys Hoskins | Left Fielder | 24 |
5 | Nick Williams | Right Fielder | 24 |
6 | Maikel Franco | Third Baseman | 25 |
7 | Jorge Alfaro | Catcher | 24 |
8 | J.P. Crawford | Shortstop | 23 |
Generell jedoch dürfte das Lineup kompetent mit dem Schläger umzugehen wissen. Bemerkenswert ist in jedem Fall, wie jung sie alle sind: Nur Santana ist über 30 (31), der älteste Stamm-Positionsspieler abgesehen von ihm ist Cesar Hernandez mit 27 Jahren. Unter jenen ist auch Top-Prospect J.P. Crawford, der je nach Talentgurus entweder das beste oder zweitbeste Prospect der Organisation ist. Catcher Jorge Alfaro zählt ebenfalls zur Creme de la Creme, was den Phillies-Nachwuchs betrifft.
Philadelphia Phillies waren eine Macht im letzten Jahrzehnt
Was man bei den Phillies des Jahres 2018 nicht vergessen darf, ist, dass diese Franchise keineswegs ein regelmäßiger Underdog ist, der jetzt gerade drauf und dran ist, zum Ruhm zu kommen. Bereits von Mitte des letzten Jahrzehnts an gehörten sie zu den Topteams der MLB und waren jahrelang immer wieder einer der Favoriten.
Von 2005 bis 2010 heimste immer ein Phillies-Spieler einen individuellen Regular Season oder Postseason Award ein. Von 2007 bis 2011 stand Philly jeweils in den Playoffs, 2008 und 2009 gewann man die NL Pennant und 2008 sogar die World Series - erstmals seit 1980.
Jahr | Spieler | Position | Award |
2005 | Ryan Howard | First Baseman | NL Rookie of the Year |
2006 | Ryan Howard | First Baseman | NL Most Valuable Player |
2007 | Jimmy Rollins | Shortstop | NL Most Valuable Player |
2008 | Cole Hamels | Starting Pitcher | World Series MVP |
2009 | J.A. Happ | Starting Pitcher | NL Rookie of the Year |
2010 | Roy Halladay | Starting Pitcher | NY Cy Young |
Das Team gehörte zu den stärksten in der MLB und war stetig darauf erpicht, sich zu verbessern. Verpflichtungen von Top-Pitchern wie Cliff Lee (2009, 2011-2014) oder Roy Halladay (2010) unterstrichen die Ambitionen der Franchise deutlich. Und schon damals galt der Grundsatz, dass Geld keine große Rolle spielte. Von 2009 bis 2017 gaben sie nie weniger als 100 Millionen Dollar aus, von 2011 bis 2014 sogar weit über 160 Millionen jährlich.
Ab 2012 allerdings ging der Erfolg und nur Altlasten blieben übrig. Einstige Topstars wie Ryan Howard oder Jimmy Rollins verblassten allmählich und auch Investitionen wie die teure Verpflichtung von Bostons Star-Closer Jonathan Papelbon brachten nicht mehr den gewünschten Ertrag. Entsprechend blieben ab 2012 auch die Playoffs aus - 2012 stand am Ende eine 81-81-Bilanz, die Jahre danach beendete man konstant mit "Losing Seasons".
Letzte fünf Jahre für Phillies keine verlorenen Jahre
Ganz verloren jedoch waren diese Saisons auch nicht, denn immerhin warfen sie ein paar saftige Früchte ab. Durch den Misserfolg in jener Phase verbesserte sich auch stetig die Draft-Position des Teams. In den vergangenen fünf Jahren hatten die Phillies vier Top-Ten-Picks und begannen generell wieder, mehr Wert aufs Scouting von Talenten zu legen.
Im Jahr 2013 pickte man noch an Position 16, zog mit dem Pick allerdings in J.P. Crawford seinen heutigen Stamm-Shortstop. Der siebte Pick 2014 brachte Pichting Ace Aaron Nola ein. Was die Auswahl der drei Folgejahre betrifft, ist hier ein Urteil über die Qualität der Spieler noch verfrüht. Der First-Overall-Pick von 2016, Outfielder Mickey Moniak, scheint aber zumindest mal kein klarer Glücksgriff gewesen zu sein.
Ganz im Gegensatz zum 2015er Zweitrundenpick Scott Kingery, der als Second Baseman schon für 2018 in den Majors erwartet wird. Übertrumpft werden diese verheißungsvollen Namen aber wohl eines Tages von Pitcher Sixto Sanchez, dem wohl besten Prospect im System der Phillies. Der Rechtshänder zog schon jetzt wenig bescheidene Vergleiche zu Hall-of-Famer und MLB-Legende Pedro Martinez auf sich. Viel größere Schuhe sind in diesem Bereich kaum zu füllen. Die Phillies lassen es bei ihm aber langsam angehen, daher wird er wohl vor diesem September oder eher 2019 nicht in den Big Leagues aufschlagen.
Nichtsdestotrotz kann sich der aktuelle Kader sehen lassen. Von den acht voraussichtlichen Startern - neun, wenn man einen Platoon im Right Field zwischen Nick Williams und Aaron Altherr einrechnet - war nur Santana eine Free-Agent-Verpflichtung. Drei Spieler waren eigene Draftpicks, Herrera kam im Dezember 2014 als Rule-5-Draft-Pick aus Texas, zwei weitere wurden via Trade verpflichtet und zwei waren internationale Amateure. Die Zusammenstellung des Kaders könnte also ökonomisch effizienter kaum sein.
Schaut man sich die betont junge Rotation an - der abgesehen von Arrieta (32) älteste Spieler hier ist Jerad Eickhoff mit 27 Jahren - ist nur Arrieta als Free Agent gekommen. Nola war ein Erstrundenpick und die anderen drei stießen per Trade zu den Phillies.
Bullpen der Phillies als schwächstes Glied
Einzig beim Bullpen wurde vermehrt auf die Free Agency zurückgegriffen. Zu dieser Saison kamen mit Tommy Hunter, Pat Neshek und Fernando Abad gleich drei Neuzugänge hinzu. Der Bullpen war wohl auch die größte Baustelle dieses Kaders, auch wenn der letzte Platz der National League East aus der vergangenen Saison auch andere Gründe hatte.
Trotz der Neuzugänge ist anzunehmen, dass das Gesamtniveau hier weiterhin das schwächste Glied darstellt. Doch gerade in Sachen Bullpen kann man während der Saison am ehesten für Besserung schaffen, sollte sich die Notwendigkeit ergeben.
Ein weiterer Grund für das ergebnistechnisch schwache Abschneiden 2017 war die allgemeine Unerfahrenheit des Teams. Für viele war es schlicht noch ungewohnt, durch eine lange Saison zu gehen und konstant das Niveau zu halten. Gerade beim Pitching dürfte ein weiteres Jahr MLB-Erfahrung hier aber Abhilfe schaffen, denn das Potenzial ist zweifelsohne vorhanden.
Die Frage, die sich nun stellt, ist, was man von diesem Team realistisch für 2018 erwarten kann. Eine Leistungssteigerung sicherlich, denn mit den namhaften Neuzugängen und einer vollen Saison von Shootingstars wie Hoskins sollte mehr drin sein. Aber in jedem Fall kann 2018 nur der Anfang sein. Das Jahr, in dem man so langsam die Kurve bekommt und gewissermaßen den Grundstein für eine womöglich erneut große Zeit der Phillys legt.
Philadelphia Phillies gut positioniert für Winter 2018/19
Von "Win now" muss man in Philadelphia noch nicht sprechen, von "Win soon" darf man aber reden. Viele gute junge Spieler sind schon vorhanden, doch das Lineup könnte durchaus noch verbessert werden. Gerade im Right Field oder im Middle Infield, speziell auf der Position des Shortstops, Second Baseman oder Third Baseman wäre durchaus noch Platz für Ergänzungen.
Rein zufällig kommen im nächsten Winter Right Fielder und Superstar Bryce Harper sowie Shortstop/Third Baseman Manny Machado auf den Markt. Sicherlich werden beide horrend teuer und die Konkurrenz wäre groß, doch wie sagte Teameigner John Middletown erst im Februar: "Geld ist überhaupt kein Hindernis."
Konkret heißt das: Stand März 2018 haben die Phillies ganze 67 Millionen Dollar an garantierten Verträgen auf der Payroll für 2019. Oder anders betrachtet: Sie hätten 121 Millionen Dollar an Spielraum bis zum Erreichen der Luxussteuer-Grenze. Wollen sie also richtig zulangen auf dem Markt 2018/19, steht ihnen absolut nichts im Wege.
2018 ist auch ein Schaufenster für mögliche Free Agents, denen ein Engagement in Philadelphia schmackhaft gemacht werden soll. Zu diesen zählen im Übrigen auch Top-Pitcher wie Dallas Keuchel und eventuell sogar Über-Pitcher Clayton Kershaw. Wenn Geld keine Rolle spielt, könnte Philly also nach einem Jahr mit gutem Gefühl eine wahre Supermacht werden.
Dieser Artikel wurde ohne vorherige Ansicht durch die Major League Baseball veröffentlicht.