Der internationale Baseballmarkt ist nicht nur für Laien ein weitläufiges Feld. Viele schielen nach Südamerika, einige nach Asien. Die Frage, wer die besten verfügbaren Spieler sind, lässt sich in der Regel nicht einwandfrei klären. Jedes Team hat seine eigene Auffassung, seine Scouts, die unterschiedliche Maßstäbe ansetzen. Die Meinungen variieren folglich stark.
Bei einem Namen sind sich jedoch alle einig: Shohei Ohtani. Der 23-jährige Japaner ist der Star im Nippon Professional Baseball und der amtierende MVP der dortigen Pacific League. Und auch wenn er in diesem Jahr aufgrund von Oberschenkelproblemen kaum gespielt hat, gehen japanische Medien davon aus, dass er schon im Winter den Sprung in die MLB wagen wird.
Doch was macht Ohtani so besonders? Nun, er wirft einen Fastball mit 102 Meilen pro Stunde! Er hält sogar den NPB-Rekord für den härtesten Pitch eines Japaners überhaupt mit 102,5 Meilen pro Stunde! Hinzu kommen diverse beeindruckende Sekundär-Pitches wie ein Splitter, der bis zu 91 Meilen pro Stunde erreicht, ein Slider, der an 90 MPH kratzt sowie ein Curveball. Zudem soll er einen Sinker und einen Changeup im Repertoire haben.
Damit aber nicht genug. Ohtani ist zudem ein äußerst fähiger Hitter. Und zwar nicht wie etwa ein Madison Bumgarner, Clayton Kershaw oder wie diese Pitcher der National League alle heißen, die durchaus auch mal einen Homerun fabrizieren. Ohtani kann mehr. Ohtani ist ein Power-Hitter, der an seinen freien Tagen als Designated Hitter fungiert und einst sogar im Outfield unterwegs war. Er schlug 2016 in seiner MVP-Saison 22 Homeruns und hatte eine OPS von 1.004 - in der MLB schlagen derzeit genau fünf Spieler über 1.000!
Shohei Ohtani: Vergleiche zu Griffey, A-Rod ... und Strasburg
Hinzu kommt - und das bestätigen mehrere Scouting Reports - dass Ohtani mit seinen jungen Jahren noch Wachstumspotenzial hat. Die 1,90 Meter werden so bleiben, doch die 85 Kilogramm sind in Sachen Muskelmasse noch ausbaufähig. Scout Dave DeFreitas von 2080 Baseball etwa prognostizierte noch Ende 2016, dass Ohtani das Zeug dazu hätte, ein überdurchschnittlicher Outfielder zu werden, wenn er nicht mehr pitchen würde. Von seinem Speed und seiner Base-Running-Fähigkeit ist er ebenfalls angetan.
Jonathan Mayo, ein Scouting-Experte und Kolumnist für MLB.com, zitierte kürzlich einen International Scouting Director eines MLB-Teams mit den Worten: "Ich habe Ken Griffey Jr. in den Minor Leagues und Alex Rodriguez als Amateur gesehen. Die Begeisterung für Ohtani ist ähnlich wie bei diesen Jungs. Und ähnlich wie bei Pitcher Stephen Strasburg. Im Vergleich mit Griffey und A-Rod ist Ohtani ein nicht ganz so geschliffener Hitter und hat wahrscheinlich auch nicht dieselbe Upside. Aber er hat die Chance, ein Strasburg zu werden. Was ihn aber einzigartig macht, ist, dass er beides kann, also Hitting und Pitching."
Sollte Ohtani tatsächlich in die MLB übersiedeln und dort wirklich als Two-Way-Player auftreten, also sowohl als Pitcher als auch als DH, dann schriebe er gewissermaßen die Geschichtsbücher neu. Denn eigentlich ist diese Art Spieler ausgestorben. Spätestens seit die New York Yankees Babe Ruth von den Boston Red Sox erwarben, ihn zum Stamm-Right-Fielder umfunktionierten und ihn in Konsequenz nicht mehr pitchen ließen, war Schluss mit dieser Art Spieler.
Der Erfolg gab New York damals Recht, schließlich entwickelte sich Ruth zu einer Homerun-Maschine, wie sie die Welt bis dahin noch nie gesehen hatte. Heutzutage sieht man derartige Experimente höchstens noch in den unteren Minor Leagues sowie in High-School und College.
Shohei Ohtani: Parallelen zu Top-Picks im MLB Draft 2017
Im diesjährigen Draft wurden gleich zwei solcher Spieler in den Top 4 gezogen. Hunter Greene ging zu den Cincinnati Reds, Brendan McKay zu den Tampa Bay Rays. Stand jetzt dürfen sie erstmal beides spielen, doch die langfristige Tendenz geht bei Greene, der einen fähigen Shortstop spielt, ganz klar Richtung Mound. Bei McKay wird es Gerüchten zufolge die erste Base sein, obgleich er zunächst mal weiter beides machen darf.
Ohtani aber besteht wohl darauf, beides zu sein - ein Pitcher und ein Hitter - und zwar in der MLB und nicht nur in den unteren Klassen der Minor Leagues. Outfield könnte er spielen, tat dies jedoch seit 2014 nicht mehr. 2014 war indes auch eine seiner schwächeren Spielzeiten insgesamt, weshalb hier schon ein gewisser Zusammenhang vermutet werden kann. Regelmäßig im Outfield zu spielen und alle sechs Tage zu pitchen - in Japan sind Sechs-Mann-Rotations Standard - scheint wohl doch zu anstrengend zu sein. Aber an Off-Days als DH zu fungieren scheint ihm keine größeren Probleme zu bereiten.
"Ich mache das nun schon seit 26 Jahren und habe so viele Spieler gesehen wie kaum jemand sonst, aber ich habe noch nie ein Skill-Set wie dieses gesehen", zitiert Mayo einen erfahrenen Scout: "Dieser Typ ist geschliffen wie McKay und hat Greenes Fähigkeiten, aber er läuft schneller als Greene."
Der Weg in die Majors scheint für Ohtani vorgezeichnet. Doch die Timeline ist noch diskutabel. Japanische Medien sprechen von einem Transfer im Winter. Dieser Zeitpunkt wäre jedoch aus mehreren Gründen problematisch. Das seit dieser Saison gültige Collective Bargaining Agreement zwischen der MLB und der Spielergewerkschaft spielt dabei die Hauptrolle.
MLB: Internationaler Amateurstatus als Hindernis für Shohei Ohtani?
Das CBA reguliert die Verpflichtung von internationalen Amateurspielern. Dabei gilt, dass jemand als Amateur gilt, solange er nicht mindestens 25 Jahre alt ist und mindestens sechs Jahre in einer anderen Liga professionell gespielt hat. Ohtani vollendet sein fünftes Jahr in der Pacific League, ist zudem erst 23 Jahre alt. Und diese Umstände verkomplizieren die Geschichte ungemein.
Für einen internationalen Amateur haben MLB-Klubs nur einen begrenzten Bonus-Geld-Pool. In der Praxis heißt dies, dass Ohtani in diesem Winter höchstens 3,535 Millionen Dollar als Signing Bonus kassieren kann - wenn er zu den Texas Rangers geht, die noch am meisten Geld für diesen Zweck zur Verfügung haben.
Die New York Yankees, die in ihren letzten Trades noch extra "Pool-Money" akquiriert haben, dürften dem Japaner einen Scheck in Höhe von 3,25 Millionen Dollar aushändigen. Teams wie die Los Angeles Dodgers oder Boston Red Sox, die in den letzten Jahren ihren Bonus-Pool deutlich überschritten haben, sind in diesem Jahr auf Handgelder in Höhe von 300.000 Dollar beschränkt.
Ebenfalls zu beachten ist, dass Ohtani als Amateur wie jeder andere Debütant der MLB auch erstmal sechs Jahre unter Teamkontrolle stünde und in den ersten zwei bis drei Jahren einen vom Team festgelegten Betrag im Jahr verdienen würde. Normalerweise läge der im ersten Jahr bei verhältnismäßig mageren 550.000 Dollar. "Richtig" Kohle gäbe es in diesem Szenario wohl nicht vor seinem dritten oder vierten Jahr. Einen hochdotierten mehrjährigen Deal im Worst Case erst nach sechs Jahren in der Liga.
Wirklich abkassieren könnte Ohtani also in diesem Winter keineswegs. Würde er noch zwei Jahre warten, sähe die Sache anders aus. Dann nämlich wäre er auch nach MLB-Standards Free Agent und könnte direkt einen voll garantierten Major-League-Vertrag unterzeichnen.