SPOX: Ihr dreifacher Toeloop ging sowohl im Kurzprogramm als auch in der Kür daneben. Wie gegenwärtig ist bei Aljona und Ihnen das schlechte Gewissen, wenn es gerade nur an einem allein hängt?
Szolkowy: Es ist ein Teamsport, das wissen wir beide. Man lernt damit umzugehen, dass Fehler dazugehören. Und dass sie nicht immer gleich verteilt sind. Schuldzuweisungen darf es nicht geben, denn niemand patzt mit Absicht. Die kleinen Fehler wechseln sich ja auch ab. Manchmal sind es offensichtliche, und manchmal sind es Sachen, die man nur im Paar merkt oder der Trainer.
SPOX: Wie gut können Sie Fehler abhaken?
Szolkowy: Das geht eigentlich relativ schnell. Meistens liegt es am Timing, an der Technik oder man ist einfach schlecht drauf, nicht ganz bei Kräften.
SPOX: Wenn wie in Berlin bei Ihrem Einzelsprung eine halbe Drehung fehlt oder wie in Budapest beim eigentlich sicheren Wurfflip Abwurf und Landung nicht hinhauen, ist das immer eine Kraftfrage?
Szolkowy: So pauschal kann man das nicht sagen, aber bei der Deutschen Meisterschaft war es so. Die verschiedenen Elemente verlangen dem Körper ganz unterschiedliche Dinge ab. Bei manchen ist es Nerven-Kopf-Arbeit, andere beanspruchen eher den Körper. Je nachdem, was gerade besser funktioniert oder etwas angeschlagen ist, passieren diese kleinen Aussetzer.
SPOX: In Berlin haben Sie den dreifachen Wurfaxel gar nicht riskieren müssen, in Budapest stellte sich die Frage nach Aljonas Ausfall nicht mehr. In Sotschi aber werden Sie den Dreieinhalbfachen gegen Volosozhar/Trankov, die ihn nicht im Programm haben, vermutlich brauchen. Wie wird so ein Highlight-Element in den nächsten Wochen trainiert?
Szolkowy: Der ist normaler Trainingsbestandteil und wird wie die anderen Elemente auch trainiert. Wichtig ist beim Wurfaxel, dass wir Routine reinbekommen. Dass wir uns also nicht schon drei Elemente vorher einen Kopf machen und uns motivieren müssen. Eine solche Vorbereitung würde selbst der geübte Zuschauer sehen. Der Axel muss in Fleisch und Blut übergehen, dazu benötigen wir das Selbstvertrauen.
SPOX: Wie sieht dieses Training dann speziell aus? Kann es sein, dass es mal heißt, morgen drei Stunden Wurfaxel?
Szolkowy: (Lacht) Also drei Stunden wären vielleicht ein bisschen viel, aber dass wir uns mal ein Element eine Stunde lang besonders vornehmen, das kommt schon vor, dann heißt es: immer wieder Wurfaxel, bis zum Erbrechen. Natürlich machen wir vorher andere Sachen, um uns darauf vorzubereiten, ein gewisses Körpergefühl zu haben. Und dann läuft das sehr technisch ab. Es geht ohne Eis los, bis die Abläufe stehen. Dann geht's aufs Eis. Manchmal genügen zwei Versuche, weil das Element passt und das Gefühl stimmt. Aber manchmal werden es eben zehn, 15 Versuche, weil wir an einer bestimmten Stelle so lange herumpuzzeln müssen. Es muss ja für beide Seiten optimal stimmen.
SPOX: Als Einzelläufer könnten Sie ja in die Kür gehen, schauen, wie es läuft, und dann spontan entscheiden, springe ich an der bestimmten Stelle den Flip oder den Axel. Sie als Paar müssen das vorher klären. Wann legen Sie so etwas fest?
Szolkowy: Wir wissen vorher, was wir machen wollen. Aber es gibt während des Programms schon Möglichkeiten, auf gewisse Art und Weise zu kommunizieren. Da findet natürlich kein Dialog statt, aber wenn ich merke, ich habe heute ein Leistungstief, die Koordination lässt nach und ich kann Aljona nicht mehr so werfen, dass es vertretbar ist, dann muss ich das irgendwie mitteilen. Wenn Aljona sich nicht so fühlt, dass sie den Dreieinhalbfachen stehen kann, dann zeigt sie mir das genauso. Dafür laufen wir schon seit zehn Jahren zusammen, dass wir uns verstehen, ohne ganze Sätze zu reden.
SPOX: Was ist eigentlich aus dem Vierfach-Wurf-Element geworden, das Sie vor zwei Jahren schon einmal im Trainingsprogramm hatten?
Szolkowy: Das wurde tatsächlich mal angegangen. Wir haben dann aber gemerkt, dass wir uns lieber auf den dreifachen Wurfaxel konzentrieren sollten, weil wir da bessere Chancen haben und uns auch hier schon im absoluten Grenzbereich bewegen. Der Vierfache birgt ein großes Risiko. Wenn der mal schief geht, kann schnell eine ganze Trainingswoche ausfallen.
SPOX: Sie waren 2001 schon einmal Deutscher Paarlauf-Meister mit Claudia Rauschenbach. Dennoch war vor zehn Jahren überhaupt nicht abzusehen, dass Sie mal zu Ihren dritten Olympischen Spielen fahren würden. Nach dem Karriereende Ihrer damaligen Partnerin im Jahr 2002 schien Ihre Laufbahn ebenfalls vorbei, Sie hielten sich nur noch in einer Synchron-Formation fit. Jetzt steht Sotschi vor der Tür. Eine unglaubliche Entwicklung?
Szolkowy: Ja, in Sachen Eislaufen war es ein Auf und Ab. Die Entwicklung wird mir wohl erst bewusst, wenn alles einmal vorbei ist. Es ist fantastisch, was seither passiert ist.
SPOX: Die Spiele in Sotschi sind der Grund, dass Sie nach der Enttäuschung von "nur" Bronze in Vancouver überhaupt weitergemacht haben. Vier Jahre Arbeit für ein großes Ziel. Welche Rolle wird in diesem speziellen Moment der Kopf spielen?
Szolkowy: 50/50. Der Kopf ist nichts ohne den Körper, der Körper nichts ohne den Kopf. Beides funktioniert bei uns gut: Wir sind relativ nervenstark und vom Athletischen her haben wir es auch drauf. Von daher steht der Mission Gold nichts im Wege.
SPOX: Ganz neu wird in Sotschi der Teamwettbewerb sein. Allerdings beweisen die Veranstalter schlechtes Timing, denn er steigt nur wenige Tage vor ihrem so wichtigen Wettkampf. Werden Sie dennoch dabei sein?
Szolkowy: Nein.
SPOX: Nach Sotschi gäbe es noch eine Weltmeisterschaft in Japan. Ist nach Olympia dennoch tatsächlich schon Schluss?
Szolkowy: Ja, mit den Wettkämpfen definitiv.
SPOX: Und wie geht es für Sie nach der Amateurkarriere weiter?
Szolkowy: Wir werden uns nach den Spielen zusammensetzen, wir denken erst einmal nur bis zum 12. Februar...
SPOX: ... dem Tag der Kür in Sotschi. Machen Sie als Profis weiter?
Szolkowy: Uns wird es auf dem Eis weiterhin geben, mehr wird nicht verraten.