Man kann ihn lieben. Man kann ihn hassen. Doch eines kann man nicht leugnen: Robert Harting hat Eier! Vor Olympia hat er immer wieder von seinem ganz persönlichen Titel-Hattrick gesprochen. Europameister ist er, Weltmeister ist er. Nur dieser Olympiasieg hat ihm noch gefehlt. Bis zum 7. August 2012.
Robert Harting erfüllte sich in London seinen Traum und holte die erste Gold-Medaille von deutschen Leichtathleten bei Olympia seit Heike Drechsler und Nils Schumann 2000 in Sydney. Nachdem er solide in den Wettkampf gestartet war, sah es jedoch zuerst so aus, als würde der Iraner Ehsan Hadadi der Konkurrenz ein Schnippchen schlagen. Gleich mit seinem ersten Wurf auf 68,18 Meter schockte er die Favoriten.
Doch dann kam die fünfte Runde. Es kam Harting. Es kam die Explosion. 68,27 Meter, neun Zentimeter weiter als Hadadi. Der konterte zwar Sekunden später, fiel dabei aber aus dem Diskus-Ring. Ungültig. Durchpusten!
Als sein Olympiasieg feststand, drehte Harting in seiner bekannten Art und Weise durch! Das T-Shirt wurde zerrissen, die Freude einfach in den Londoner Nachthimmel hinaus gebrüllt. Dass er sich zudem als Hürdensprinter versuchte, passt auch zu ihm. Von Konventionen hält der 27-Jährige wenig. Sehr zur Irritation des Iraners (mehr dazu in den Sprüchen des Tages).
Der Tag zum Nachlesen im Ticker
Doch Harting war nicht der einzige deutsche Medaillengewinner am elften Tag der Olympischen Spiele. Nach einem tristen Montag erlebte das deutsche Team einen wahren Silberregen. Fabian Hambüchen am Reck, Marcel Nguyen am Barren und Maximilian Levy im Keirin gewannen Silber. Zweiter wurde auch die Dresssur-Mannschaft. Allerdings ging damit eine Erfolgsgeschichte zu Ende. Seit 1984 hatten deutsche Reiter bei Olympischen Spielen im Dressur-Mannschaftswettbewerb stets Gold gewonnen. Aber Kopf hoch: Silber ist besser als gar nichts.
Und mit Julius Brink und Jonas Reckermann im Beachvolleyball steht ja quasi die nächste Medaille bereits fest. Ob bei solch einem Ergebnis Tag 12 (9 Uhr im LIVE-TICKER) mithalten kann? Das wird vor allem von den Kanuten abhängig sein. Max Hoff, Sebastian Brendel und der Kajak-Vierer müssen es richten. Zudem kämpfen Timo Boll und Co. im kleinen Finale gegen Hongkong um Tischtennis-Bronze. Dazu gibt's noch die nächsten Auftritte von Usain Bolt und des Dream Teams.
Die Entscheidungen des Tages (Vorschau auf Tag 12):
Was sonst noch wichtig war:
Basketball: Die US-Girls spazieren weiterhin durch das Turnier. Im Viertelfinale setzte es für Kanada einen ungefährdeten 91:48-Erfolg. Das nächste Opfer wird am Donnerstag Australien sein. Ebenfalls in der Runde der letzten Vier steht das russische Team, das gegen die Türkei aber deutlich mehr zittern musste (66:63). Kurz vor Schluss hatte Birsel Vardarli die Chance zum Ausgleich. Doch ihr Dreier prallte nur auf den Ring.
Beachvolleyball: Was für ein Wetter an der Horse Guards Parade. Nichts war es mit Urlaubs-Feeling. Doch selbst der strömende Regen konnte Julius Brink und Jonas Reckermann nicht aufhalten. Glatt in zwei Sätzen setzte sich das deutsche Duo gegen die Niederländer Nummerdor/Schuil durch. Damit haben die beiden Silber schon mal sicher und treten das Erbe von Jörg Ahlmann und Axel Hager an, die 2000 Bronze holten. Im Finale warten Alison Cerutti und Emanuel Rego aus - was auch sonst - Brasilien. Bei den Frauen stehen derweil die US-Girls Misty May-Treanor und Kerry Walsh vor ihrer dritten Goldmedaille in Folge. Im Endspiel geht's gegen ihre Landsfrauen April Ross und Jennifer Kessy.
Fußball: Brasilien steht vor seinem ersten Olympiasieg. Im Halbfinale zockte die Selecao groß auf und zerlegte Südkorea mit 3:0. Nur zu Beginn hatte das Team um Superstar Neymar Probleme. Nach dem Führungstreffer wurde Brasilien allerdings seiner Favoritenrolle gerecht. Damit haben die Südamerikaner auch ihr fünftes Spiel in London gewonnen. Im Endspiel trifft der Rekord-Weltmeister auf Mexiko, das Japan mit 3:1 bezwungen hat.
Hockey: Das deutsche Team erlebte einen Tag zwischen Himmel und Hölle. Durch den Erfolg der Niederlande über Südkorea stand unser Team bereits beim Frühstück sicher im Halbfinale. Das abschließende Gruppenspiel gegen Neuseeland sollte nicht mehr als ein guter Test werden. Doch Kapitän Max Müller verletzte sich beim 5:5, als er nach 20 Minuten einen harten Ball auf die rechte Hand bekam. Sein Einsatz im Halbfinale gegen Weltmeister Australien ist unsicher.
Kanu: Viel Licht und nur einmal Schatten! So lässt sich der Tag der deutschen Kanuten wohl am besten zusammenfassen. Drei Boote erreichten die Finals am Donnerstag. Insgesamt stehen nach den Vorläufen über 500 und 1000 Meter sieben von acht DKV-Booten in den Rennen um die Medaillen. Allerdings schied mit der viermaligen Olympiasiegerin Katrin Wagner-Augustin die prominenteste deutsche Kanutin bei den Spielen im Einerkajak-Halbfinale aus.
Leichtathletik: Usain Bolt spulte mal wieder sein bekanntes Programm ab. Cooles Abschlagen mit dem Personal, vor der Kamera posen, starten, bei der Hälfte der Distanz darüber nachdenken, wem er als nächstes eine persönliche Audienz gewähren wird. Dass er locker das 200-Meter-Halbfinale erreichte, versteht sich von selbst. Auch sein härtester Konkurrent Yohan Blake gab sich keine Blöße. Für den Gastgeber platzten derweil alle Medaillenhoffnungen im Dreisprung. Phillips Idowu schied nach langwierigen Hüftproblemen bereits in der Quali aus. Besser lief es für das deutsche Speerwurf-Trio. Christina Obergföll, Katarina Molitor und Linda Stahl zogen geschlossen in den Endkampf ein.
Segeln: Es läuft einfach nicht. Nachdem sowohl Toni Wilhelm als auch Moana Delle das Podium knapp verpasst haben, erreichten die deutschen 470er-Segler Ferdinand Gerz und Patrick Follmann nicht mal das Medaillenrennen. Die Münchner mussten sich am Ende mit Platz 13 zufrieden geben. Besser erging es Kathrin Kadelbach und Friederike Belcher. Die Hamburgerinnen liegen nach acht von zehn Wettfahrten auf dem sechsten Rang der Gesamtwertung.
Mann des Tages: Liu Xiang
Im Zeitalter von Rekorden und Doping vergisst man gerade bei Olympia nicht selten die menschliche Seite des Sports. Liu Xiang erinnerte an Tag 11 ein ganzes Stadion daran, dass sich nicht alles um Edelmetall dreht. Keine Frage: Der Chinese wollte aufs Podium. Doch dieser Traum platzte im Vorlauf über 100 Meter Hürden bereits an der ersten Hürde.Wie 2008 scheint er eine schwere Verletzung an der Achillesehne des rechten Beines erlitten zu haben. Anders als in Peking verschwand der 29-Jährige allerdings nicht schnell in den Katakomben. Unter tosendem Applaus richtete er sich auf und hüpfte auf seinem gesunden Bein dem Ziel entgegen. Vor der letzten Hürde ging gar auf seine eigentliche Bahn zurück, legte beide Hände auf das Hindernis und küsste es.
Er schloss quasi Frieden mit seinem Albtraum, der vor vier Jahren begann. Dass der Ungar Balazs Baji auf ihn wartete und im Anschluss Lius Arm in den Himmel reckte, als könnte er ihn zum Sieger erklären, passte ins Bild. Pierre de Coubertin wäre wahrlich stolz auf ihn gewesen.
Frau des Tages: Josefa Idem
Ist es die gute Pasta von der Mama? Oder doch ab und zu ein Schlücken Rotwein? Man weiß es nicht. Aber irgendwas muss an Josefa Idem dran sein. Die Italienerin ist mittlerweile satte 47 Jahre alt. Eigentlich spricht man bei einer Dame ja nicht vom Alter, aber bei der Kanutin erweist man ihr damit eher Respekt. Ihre ersten Olympischen Spiele erlebte sie 1984 in Los Angeles. Damals startete die im nordrhein-westfälischen Goch geborene Idem übrigens noch für Deutschland.In London erlebt sie nun - 28 Jahre später - ihre achten Spiele. Ein Rekord für die Ewigkeit! Aber wie ist es eigentlich, gegen Konkurrentinnen anzutreten, die auch ihre Töchter sein könnten? "Wen interessiert schon das Alter", schmunzelte Idem, nachdem sie im Einer-Kajak ihr Halbfinale gewonnen hatte. "Die Stoppuhr sicherlich nicht!"
Außerdem trifft sie durchaus auf Leidensgenossen. Im selben Rennen war schließlich auch die Deutsche Katrin Wagner-Augustin. Die gehört mit ihren 34 Lenzen ja auch zum älteren Semester, schied aber im Gegensatz zu Idem aus. Lag's vielleicht an der fehlenden Pasta?
Sprüche des Tages:
"Das hat mir nicht gefallen. Die Leute in Deutschland sind so liebevolle Menschen, warum zerreißt er da sein Shirt, auf dem Deutschland steht, das verstehe ich nicht" (Ehsan Hadadi, der im Diskuswerfen Silber holte, wird wohl nie ein Bier trinken gehen mit Robert Harting)
"Das Radfahren war gut, das Laufen top - nur leider sind wir hier beim Triathlon und nicht beim Bike and Run." (Triathlet Steffen Justus erkennt die Tücken seiner Sportart)
"Weil ich so ein Pferdegebiss habe, freue ich mich über den Olympiasieg der britischen Reiter ganz besonders." (Robbie Savage, ehemaliger walisischer Fußball-Nationalspieler, erforscht seine Leidenschaft)
"Das ist nun mal so. Es ist jetzt passiert, ich kann es nicht mehr revidieren. Sie können das ruhig in Spots zeigen, da muss man drüber stehen." (Wasserspringer Stephan Feck am Tag nach seinem Rückenklatscher)
"Es ist toll zu wissen, dass ich mit Abstand die Kirchenmaus bin." (Radsprinterin Kristina Vogel nimmt Berichte zu ihrem Gehalt ganz locker)
"Wir sind kein Ufo mehr, auf der Erde kennen sie uns jetzt." (SVV-Präsident Werner von Moltke sieht die positiven Seite des Viertelfinal-Einzugs der Volleyballer)
"Es ist entscheidend, dass man sich wehrt und auf der Kampffläche eine kleine Zicke wird." (Taekwondo-Kämpferin Helena Fromm fühlt sich wieder wie auf dem Schulhof)
Zahlen des Tages:
1 Mal ist immer das erste Mal. Vom 3-Meter-Brett verpassten Chinas Wasserspringer zum ersten Mal in London Gold. Auch Chinesen sind halt (manchmal) nur Menschen.
9 Zentimeter lag Olympiasieger Robert Harting am Ende vor dem Zweitplatzierten Ehsan Hadadi.
24 Jahre dauerte es, bis ein Deutscher am Barren mal wieder eine Medaille holen sollte. 1988 war es Sven Tippelt, 2012 hieß der Glückliche Marcel Nguyen.
196 kg wog die Hantel, die Matthias Steiner niederstreckte. An dieser Stelle noch mal: Gute Besserung, Matze!
200 Meter war Taoufik Makhloufi im 800-Meter-Vorlauf gerannt, bevor er (absichtlich) aufgab. Die Folge: Olympia-Ausschluss. Über 1.500 Meter durfte der Algerier dann doch noch starten - und gewann.
1996 in Atlanta hat die USA das Synchronschwimmen gewonnen. Seitdem haben die Russen das Kommando übernommen und keinen Wettkampf mehr verloren. Auch in London sah man auf dem Podium das bekannte Bild.
Name des Tages: Thomas Stalker
Seine Gegner dürften schon alleine bei der Ringansage kalte Füße bekommen. "Aus Großbritannien, Thoommmmaaass STAAAALKKKEERR!" Der britische Boxer gehört im Halbweltergewicht zu den großen Favoriten in London. 2010 wurde er gar als bester Amateur-Boxer auf der Insel geehrt. Dabei war er in jungen Jahren ein ganz Wilder. "Ich habe Autos aufgebrochen. Ich war total neben der Spur. Das Boxen hat mich aus dieser Misere geholt", erzählte Stalker einst der "Boxing News". SPOX wünscht seinem Gegner im Viertelfinale schon mal viel Spaß!