SPOX: Einen Grand-Slam-Titel zu gewinnen, ist ein sportlicher Lebenstraum. Ein anderer heißt sicher Olympische Spiele, nachdem Sie für London verletzt passen mussten. Was verbinden Sie persönlich mit Olympia?
Petkovic: Ich verbinde mit Olympia vor allem ein Gemeinschaftsgefühl, das wir im Tennis nicht in der Form haben und das mir viel bedeutet. Deshalb blühe ich ja auch im Fed Cup immer besonders auf. Bei einem normalen Match auf der Tour kannst du dich auch mal sehr verlassen fühlen auf dem Platz, aber im Fed Cup habe ich dieses Gefühl nie. Egal, wie es mir geht, da steht die komplette Bank hinter mir. Alle ziehen an einem Strang, wollen gemeinsam ein Ziel erreichen und schöpfen daraus eine Menge Energie. Das ist ein unglaublich schönes Gefühl. Ich glaube, dass das bei Olympia, wenn sich alle deutschen Sportler gegenseitig unterstützen, auch so ist. Deshalb habe ich da total Bock drauf und bin sicher, dass es eine sehr coole Erfahrung wird.
SPOX: Was sind denn die Träume für die Zeit nach der Karriere? Eine eigene Familie gründen zum Beispiel?
Petkovic: Das weiß ich noch nicht. (lacht)
SPOX: Tatjana Maria hat das sogar schon während der Karriere vorgemacht und reist jetzt als beste Tennis-Mama durch die Welt.
Petkovic: Das könnte ich mir überhaupt nicht vorstellen. Ich kenne die Tadde schon sehr lange und bin sehr gut mit ihr befreundet, deshalb weiß ich auch genau, warum ich das niemals könnte und warum sie es aber kann. Tadde war schon immer der entspannteste Mensch, den ich kannte. Sie hat noch nie etwas gestresst. Wenn ich mir vorstelle, ich wache nachts um 3 Uhr auf, weil mein Kind schreit, würde bei mir schon Panik einsetzen. Ich würde sofort denken: Oh Gott, wenn ich jetzt eine Stunde nicht schlafe, dann kann ich morgen nicht spielen. Aber Tadde würde nur meinen: passt schon. Deshalb passt es zu Ihr auch so gut. Ich habe die Familie auch zusammen erlebt. Da herrscht so eine große Liebe und ihr Mann unterstützt sie so wahnsinnig toll - es ist echt schön zu sehen.
SPOX: Okay, das mit der eigenen Familie muss sich noch klären, was ist mit der Karriere nach der Karriere? Sie haben zum Beispiel mal laut überlegt, in die Politik zu gehen. Ist das immer noch eine Option?
Petkovic: Politik interessiert mich nach wie vor total, aber ich war sehr naiv, als ich das gesagt habe. Für mich war Politik immer so ein bisschen wie in amerikanischen Filmen. Ich gehe in den Plenarsaal, halte eine flammende Rede, alles ist geregelt und es herrscht Weltfrieden. (lacht) Mit 27 Jahren habe ich jetzt schon verstanden, dass die Welt ein bisschen anders läuft. Da wurde mir komplett die Illusion geraubt. Ich würde generell einfach sehr gerne etwas anderes machen als Tennis. Ich interessiere mich sehr für die Künste, ob das Film oder Literatur ist. Ich würde sehr gerne in dieser Richtung etwas machen, was auch immer das genau sein wird. Vielleicht in die Richtung einer literarischen Informationssendung a la literarisches Quartett, ich weiß es noch nicht. Ein eigenes Magazin gestalten, würde mich auch sehr interessieren. Aber das sind im Moment erstmal nur Spinnereien in meinem Kopf.
SPOX: Wie wäre es mit Sportjournalismus? Wollen Sie mal für einen Tag SPOX-Chefredakteurin spielen?
Petkovic: Vielen Dank für die Einladung. Dann würde ich Fußball erstmal weiter nach hinten verbannen (lacht). Sportjournalismus würde mich auch sehr interessieren, aber ich habe mir vorgenommen, nach der Karriere erstmal weg vom Tennis zu gehen und mir eine ganz neue Herausforderung zu suchen. Aber wer weiß, vielleicht komme ich später dann nochmal zum Tennis zurück.
SPOX: Sie meinten gerade im Spaß, dass Sie Fußball erstmal von der Seite schmeißen würden. Die Übermacht des Fußballs, gerade in der TV-Berichterstattung, ist ja absolut ein Problem. Bevor Spitzentennis gezeigt wird, kommt eher die Regionalliga live. Es gibt immer wieder Diskussionen, ob man Tennis nicht TV-kompatibler machen müsste, zum Beispiel die Sätze nur noch bis 4 spielen sollte. Wie ist Ihre Haltung dazu?
Petkovic: Ich bin da sehr traditionalistisch unterwegs und kann mir das ehrlich gesagt gar nicht vorstellen. Ich habe mich schon sehr darüber aufgeregt, als im Doppel die No-Ad-Regel und der Champions Tiebreak eingeführt wurden. Für mich ist es eigentlich perfekt, weil es kürzer ist und ich so auch mal Doppel spielen kann, aber ich will es trotzdem nicht. Jeder, der selbst Tennis spielt, weiß, was es bedeutet, wenn du dich nach einem 2:5-Rückstand auf 5:5 herankämpfst und wie viel passiert, bis es mal 6:6 steht. Wahrscheinlich würde sich das irgendwann geben, wenn man nur bis 4 spielt, aber ich kann mir echt nicht vorstellen, wie mich da jemand überzeugen will. An welche Matches erinnern wir uns? An die absurden 5-Satz-Matches bei den Grand Slams oder an Boris Beckers 6-Stunden-Schlacht im Davis Cup. Und ganz ehrlich: Wie hoch sind die Einschaltquoten beim Biathlon, nur weil es bei ARD und ZDF läuft? Wenn stattdessen den ganzen Nachmittag Tennis laufen würde, glaube ich nicht, dass die Leute nicht auch Tennis schauen würden. Vielleicht bin ich auch bescheuert, aber ich kenne keinen Menschen auf der Welt, der nicht mal selbst Tennis gespielt hat, auch wenn es nur einmal war. Das Grundinteresse am Tennis ist doch da.
SPOX: Die einzige Chance, dass es sich wirklich verändert, wäre wohl dennoch ein Grand-Slam-Triumph von Ihnen oder einer anderen deutschen Spielerin.
Petkovic: Da haben Sie Recht. Wenn wir die große Masse erreichen und Leute gewinnen wollen, die nicht eh schon interessiert sind, geht es nur durch ganz große Erfolge. Ich strenge mich an, versprochen. (lacht)
SPOX: Wir haben mit Ihrer Heimat angefangen, wenn Sie jetzt hier sitzen und daran zurückdenken, wie Sie mit 15 Jahren alleine in Antalya bei einem Turnier waren, es am Ende auch gewannen, und wie weit Sie jetzt gekommen sind - macht Sie das stolz?
Petkovic: Auf jeden Fall. Auch wenn ich schon immer hohe Ansprüche an mich hatte, hätte ich das als kleines Kind nie erwartet. Klar, ich habe davon geträumt und mir ausgemalt, dass ich eines Tages ein Grand-Slam-Turnier gewinne, aber ich habe erst letztens gemerkt, wie krass es eigentlich ist, dass ich überhaupt in diesem Kreise dabei bin. Ich sehe mich noch vor mir, wie ich als Kind einmal bei den French Open war, diesen Tag werde ich nie vergessen. Es hat den ganzen Tag geregnet und ich stand den ganzen Tag am Spielerausgang. Egal, wer auch rauskam, ob es die Nummer zwei der Welt war oder die Nummer 90 - ich stand mit großen Augen da und fand es unglaublich. Wenn ich mir überlege, dass ich jetzt eine von denen bin, die aus dem Spielerausgang kommen und von den Kindern bewundert werden, dann habe ich glaube ich schon eine ganz akzeptable Karriere gemacht.
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