Eine Saison mit Höhen und Tiefen endete für Angelique Kerber im Gefühlschaos. Stunden nach dem verpassten Halbfinale bei der WTA-WM war die 25-Jährige aus Kiel noch immer hin und her gerissen zwischen Enttäuschung und Zufriedenheit.
Nur eines stand für Kerber beim Abendessen mit ihrem Team in dieser milden Istanbuler Oktobernacht fest: "2014 wird ein leichteres Jahr als dieses. Weil ich jetzt beide Seiten kenne: Das Hochkommen und das Halten. Alles ist ein Lernprozess", sagte die Weltranglisten-Neunte nach dem 7:6 (7:3), 2:6, 3:6 gegen Petra Kvitova (Tschechien) im entscheidenden Gruppenspiel.
Bundestrainerin Barbara Rittner war trotz der vergebenen Chance beim Abschlussturnier stolz auf ihre Nummer eins. "Angie hat hier Herz und Seele gezeigt. Der nächste Schritt ist in Reichweite", meinte die 40-Jährige. Will heißen: Rittner glaubt fest an durchschlagende Erfolge von Kerber auf der ganz großen Bühne.
Keine Lust auf "weit weg"
In den kommenden drei Wochen will die Fed-Cup-Spielerin, die noch auf ihre erste Finalteilnahme bei einem Grand-Slam-Turnier wartet, erst einmal abschalten und sich den verdienten Urlaub gönnen. "Ich werde komplett drei Wochen frei machen und die Schläger in die Ecke stellen. Ich habe aber keine Lust, weit weg zu fliegen", sagte Kerber, die mit einem Trip nach Mallorca oder auf die Kanaren liebäugelt: "Aber ich will auch einige Zeit zuhause bei meiner Familie verbringen."
Bereits Ende Dezember beginnt in Brisbane die neue Saison. Der erste Höhepunkt steht wenig später mit den Australian Open in Melbourne (13. bis 26. Januar 2014) an. Die Linkshänderin will sich zusammen mit der Darmstädterin Andrea Petkovic auf das nächste Jahr vorbereiten. Eventuell in einem Trainingslager "irgendwo im Warmen."
Auf einem guten Weg
Kerber weiß, dass ihre Ausgangslage in der anstehenden Spielzeit eine gute ist. "Ich könnte unterschreiben, dass ich auf einem guten Weg bin, die beste Angie zu werden", sagte sie dem "SID2. Knapp zwei Jahre steht die Kielerin jetzt in den Top Ten. Diese Saison stellte allerdings Herausforderungen der besonderern Art an Kerber. Auch solche, die bittere Rückschläge und ebensolche Erfahrungen zur Folge hatten.
Die Zweifel holten die äußerst selbstkritische Spielerin wieder ein. "Es gab eine kurze Phase, in der es schwierig war, dem Druck standzuhalten", berichtete die einstige Nummer fünf der Welt, deren wundersamer Aufstieg mit dem Halbfinal-Einzug bei den US Open 2011 begann.
Es spricht für Kerber, dass sie 2013 die wüsten Internet-Beschimpfungen nach ihrem Zweitrunden-K.o. in Wimbledon letztlich ebenso wegsteckte wie überraschende Niederlagen. "Ich habe mich selbst da rausgeholt. Das war nochmal ein ganz wichtiger Schritt nach vorne und ein Wendepunkt." Am Ende einer schwierigen Saison blühte Kerber dann auch nochmal so richtig auf und gewann vor zwei Wochen in Linz ihr erstes Turnier in diesem Jahr.
Positiv wirkte sich ab dem Spätsommer auch eine taktische Umstellung aus. Kerber agierte aggressiver von der Grundlinie und verließ sich nicht nur auf ihre Stärken in der Defensive.
Schwachpunkt Aufschlag
Wie nützlich Offensiv-Qualitäten sein können, bewies Kvitova beim Spiel gegen die Kielerin in Istanbul. 30 ihrer insgesamt 38 Netzangriffe endeten erfolgreich für die Tschechin, die seit Anfang 2011 nur vier Partien in der Halle (Hardcourt) verloren hat. "Angie hat wirklich gut gespielt. Es war ein sehr enges Match", sagte die Weltranglistensechste Kvitova.
Schwachpunkt in Kerbers Spiel bleibt der zweite Aufschlag. Nur 38 Prozent der Punkte gewann sie gegen Kvitova, wenn sie über ihn kommen musste. Doch die 25-Jährige hat bewiesen, dass sie Defizite ausmerzen kann. Als letzte Deutsche hatte übrigens die fünfmalige "Weltmeisterin" Steffi Graf 1998 im Halbfinale einer WTA-WM gestanden. Kerber war im vergangenen Jahr die erste Deutsche gewesen, die seit Grafs Rücktritt vor 14 Jahren wieder den Sprung in die Top Fünf des Rankings schaffte. Gute Aussichten für 2014 also.
Angelique Kerber im Steckbrief