SPOX: Beim Euroleague-Final-Four in Istanbul könnte es zu einem griechischen Endspiel kommen, sollten sich ihr Klub Panathinaikos und Erzrivale Olympiakos jeweils im Halbfinale durchsetzen. Wäre es ein Traum-Finale - oder doch mehr ein Albtraum?
Saras Jasikevicius: Ich mache mir überhaupt nichts daraus, ob es gegen Olympiakos gehen könnte oder nicht. Vielmehr denke ich daran, wie großartig es wäre, wenn wir überhaupt das Finale erreichen würden. Dann hieße es nämlich, dass wir im Halbfinale ZKSA Moskau besiegt hätten, den großen Favoriten. Von daher denken wir nur an ZSKA - und verschwenden keinen einzigen Gedanken an Olympiakos.
SPOX: Aus dem Fußball sind einige Feindschaften bekannt: FC Barcelona gegen Real Madrid, Dortmund gegen Schalke oder Celtic gegen die Rangers. Wie lässt sich das Verhältnis zwischen Pana und Olympiakos beschreiben?
Jasikevicius: All die aufgeführten Rivalitäten erfassen nicht einmal ansatzweise, wie es zwischen Pana und Olympiakos zugeht. Ich habe selbst in Tel Aviv gespielt und Maccabi gegen Hapoel miterlebt. Ich war auch bei Barca und spielte gegen Real. Diese Teams mögen sich nicht - aber bei Pana und Olympiakos ist es eine Eskalationsstufe höher. Abgrundtiefer Hass trifft es am besten. In der Vergangenheit gab es so viele gewaltvolle Zwischenfälle, für die beide Fan-Gruppen verantwortlich zeichnen, die niemals hätten passieren dürfen. So etwas wie Pana und Olympiakos gibt es in keiner Sportart der Welt.
SPOX: Sie selbst sind ein hochemotionaler Spieler. Besteht die Gefahr, dass Sie bei einem möglichen Aufeinandertreffen gegen Olympiakos die Nerven verlieren?
Jasikevicius: Nein, das kann ich ausschließen. Es wird ja nicht mein erstes Derby sein, ich bin in meiner Karriere über 20 Mal gegen Olympiakos angetreten und weiß, was mich erwartet. Außerdem werden in Istanbul zwar zahlreiche Fans beider Teams anreisen, dennoch wird es dort niemals so hektisch und chaotisch zugehen wie in Athen.
SPOX: Im Halbfinale treffen Sie zunächst auf ZSKA Moskau und Superstar Milos Teodosic. Stimmen Sie zu, dass Sie sich ähnlich sind? Sie beide sind Point Guards, besitzen die gleiche Winner-Mentalität - und neigen zu Impulsivität.
Jasikevicius: Natürlich sind Parallelen vorhanden: ähnliche Größe, ähnliches Talent. Und wir kommen beide nach außen etwas anders rüber, als wir tatsächlich sind. Ich mag es prinzipiell nicht, einzelne Spieler hervorzuheben, aber Teodosic wird in der Zukunft einer der Schlüsselspieler des europäischen Basketballs sein und die Ära der Guards fortsetzen, wenn irgendwann Papaloukas, Diamantidis oder ich aufhören. Das ist der Kreislauf des Lebens: Großartige Spieler gehen, großartige Spieler kommen.
Teodosic im SPOX-Porträt: A Beautiful Mind
SPOX: Sie denken an ein baldiges Karriereende?
Jasikevicius: Das wollte ich damit nicht sagen: Ich bin zwar 36 und es wird immer schwerer, auf dem Level zu spielen, dennoch möchte ich meine Laufbahn so weit wie möglich in die Länge ziehen. Ich achte auf meinen Körper und bleibe in Form. Um es klarzustellen: Ich denke überhaupt nicht ans Aufhören.
SPOX: Sie sind eine Institution des europäischen Basketballs. Und Sie sagen: "Der beste Basketball wird immer in Europa gespielt werden, weil es Basketball ist." Wie meinen Sie das?
Jasikevicius: Ich definiere Basketball als Mannschaftssport - und die Regeln in Europa fördern den Mannschaftsgedanken: Ball Movement, Team Offense, Team Defense. In der NBA geht es hingegen darum, das Individuum zu bevorzugen. Neben den Regeln gibt es einen weiteren entscheidenden Grund: In Europa wird Basketball viel besser gelehrt. Ich glaube, nein ich weiß, dass die Trainer in Europa deutlich besser und qualifizierter sind als in der NBA. Ein Beweis dafür ist für mich, dass alle NBA-Franchises, die auf Dauer erfolgreich sind, eine europäische Identität besitzen oder zumindest den Mannschaftsgedanken in den Vordergrund rücken. Die Mavericks gewannen so im letzten Jahr die Meisterschaft.
SPOX: Sie wurden in den USA sozialisiert und gingen dort auf die Highschool und ans College. Man hätte mit etwas mehr Begeisterung rechnen können.
Jasikevicius: Ich habe das volle Paket "american way of life" mitbekommen. Ich weiß, wie es auf einem Prom, dem Abschlussball, zugeht. Ich weiß, wie das Leben an einer Highschool ist. Einige Dinge haben mir sehr gefallen, einige Dinge nicht ganz so. Dennoch möchte ich die Erfahrung um nichts auf der Welt missen.
SPOX: Wie verlief die Eingewöhnung als Teenager aus Litauen, der plötzlich in einem Dorf in Pennsylvania auf die Schule ging?
Jasikevicius: Es war tough, andererseits wusste ich immer, dass es die richtige Entscheidung ist. In Litauen gab es damals nichts. Wir hatten uns gerade erst von der Sowjetunion gelöst und deswegen war es die mit Abstand sinnvollste Option, in die USA zu ziehen, um die bestmöglich Ausbildung zu erhalten und dies mit dem Leistungssport zu vereinbaren.
SPOX: Gab es Überlegungen, nach der Highschool auf das College zu verzichten und als Profi in Europa sofort Geld zu verdienen?
Jasikevicius: Nein, nie. Ich wollte immer einen Uni-Abschluss.
SPOX: Umso erstaunlicher war es, dass Sie sich trotz Highschool und College so schwer taten, als Sie 2005 in die NBA wechselten. Sie sagten einmal: "Es gibt nur eine Person, der ich die Schuld dafür geben kann: mir selbst." Welche Fehler begingen Sie?
Jasikevicius: Ganz einfach: Ich hätte wissen müssen, dass ich für die NBA nicht bereit bin. Ich hätte wissen müssen, dass in der NBA keine Zeit ist zum Training und zur Selbstreflexion. Ich hätte wissen müssen, dass ich professioneller leben muss. Erst als ich nach den zwei Jahren in der NBA nach Europa zurückkam, konnte ich wieder zu mir selbst finden und mich verbessern. So waren zwei Jahre in meiner Entwicklung für den Müll.