Handball-EM - Timo Kastening im Interview: "Als ich zehn war, hat mich Dieter Hecking beim Rauchen erwischt"

Timo Kastening tritt mit dem DHB-Team bei der EM in Ungarn und der Slowakei an.
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Apropos Elternhaus: Sie sind in unmittelbarer Nachbarschaft zum bekannten Fußball-Trainer Dieter Hecking aufgewachsen. Stimmt eigentlich die Geschichte, dass er Sie als Kind beim Rauchen erwischt hat?

Kastening: Die Geschichte stimmt. Ich bin seit vielen Jahren und bis heute eng mit Dieters Söhnen Aaron und Jonas befreundet. Irgendwann, ich muss so zehn Jahre alt gewesen sein, spielten mein Bruder, Jonas, Aaron und ich bei uns auf dem Bauernhof Fußball. Irgendwie kamen wir auf die blöde Idee, dass der Verlierer zum Automaten gehen und eine Packung Zigaretten kaufen muss. Der Verlierer war ich. Wir haben uns neben dem Fußballplatz hinter eine Hecke gesetzt und erstmal eine geraucht.

Was geschah dann?

Kastening: Plötzlich kam der Dieter um die Ecke. Er hat uns nur einen unmissverständlichen Blick zugeworfen und wir wussten alle, dass es jetzt an der Zeit ist, sofort nach Hause zu gehen. Später wurden wir dann noch ziemlich ins Gebet genommen. (lacht)

Lassen Sie uns über die anstehende EM sprechen. Die vergangenen beiden Turniere liefen mit Platz 12 bei der WM in Ägypten und Rang sechs bei Olympia in Tokio nicht wie gewünscht. Das lag einerseits an einigen Ausfällen und Absagen. Muss man andererseits nicht feststellen, dass die öffentliche Erwartungshaltung - von einer deutschen Handball-Nationalmannschaft wird eigentlich immer das Halbfinale verlangt - schlichtweg zu hoch und damit unrealistisch ist?

Kastening: Der DHB ist der größte Handballverband der Welt. Deshalb ist es auf der einen Seite normal, dass man an Medaillen oder an Platzierungen gemessen wird. Klar ist aber auch: Abgesehen vom EM-Triumph 2016 wurden meistens nicht mehr die Ziele erreicht, die man sich erhofft hatte. Wenn sich diese Ergebnisse über einen so langen Zeitraum immer wieder bestätigen, muss man feststellen, dass man nicht mehr in den Top-Vier-Nationen vertreten ist. Das ist aktuell die Realität, entsprechend muss man die Erwartungshaltung ein Stück weit herunterschrauben. Dass wir aber in naher Zukunft wieder in die Weltspitze stoßen können und wir auch in der Lage sind, uns während eines Turniers in einen Rausch zu spielen, steht für mich außer Frage.

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Kastening: "Wir müssen Gislasons System weiter adaptieren"

Zwei schwächere Turniere, erfahrene Spieler wie Uwe Gensheimer oder Steffen Weinhold sind zurückgetreten, die Mannschaft befindet sich in einer Art Umbruch: Eigentlich ist die Situation diesmal ziemlich angenehm, weil der ganz große Druck, etwas Großes erreichen zu müssen, gar nicht da sein kann.

Kastening: Das ist die große Hoffnung. Wir haben eine junge, hungrige Truppe, die schnell als Team zusammenfinden muss. Wir müssen Alfreds System weiter adaptieren, einen guten Start ins Turnier hinlegen, von Verletzungen verschont bleiben und uns in einen Flow spielen. Dann ist vieles möglich. Das ist allerdings eben nur die Theorie. Wir haben eine Vorrundengruppe mit Weißrussland, Österreich und Polen, in der du alle Spiele gewinnen, aber auch an schlechten Tagen alle verlieren kannst. Wenn du die ersten beiden Spiele verlierst, ist alles, was du vor dem Turnier erzählt hast, völlig egal.

Wie schon bei den vergangenen Turnieren verzichten auch diesmal Spieler auf eine Teilnahme, obwohl sie nicht verletzt sind. Pekeler legt eine Nationalmannschaftspause ein, Fabian Wiede und Patrick Groetzki sagten aus familiären Gründen ab. Gislason meinte kürzlich, dass es ihm ein Rätsel sei, warum immer wieder Spieler freiwillig auf Turniere mit dem DHB-Team verzichten und dass dies bei anderen Nationen nicht so häufig der Fall sei. Haben Sie für die Absagen Verständnis?

Kastening: Ich bin ledig, bin kein Familienvater, spiele nicht international und muss entsprechend nicht alle zwei Tage reisen. Wenn wir als Beispiel Hendrik Pekeler nehmen, der eine Familie hat, gefühlt seit zehn Jahren Champions League spielt, im Mittelblock und im Angriff im Einsatz ist, dann kann man das nicht vergleichen. Entsprechend steht es mir nicht zu, darüber ein Urteil zu fällen. Ich kann nur für mich persönlich sprechen: Ich liebe meinen Job, weil er gleichzeitig mein Hobby ist und es sich deshalb nicht wie Arbeit anfühlt. Und ich bin stolz, für die Nationalmannschaft zu spielen.

Juri Knorr wird bei der EM fehlen, weil er sich nicht impfen lassen möchte.

Kastening: Ich habe weder mit Juri darüber gesprochen, noch kenne ich die exakten Hintergründe. Deshalb will ich da kein Fass aufmachen. Ich persönlich bin jedenfalls ein totaler Impf-Befürworter und davon überzeugt, dass wir nur weiterkommen, wenn sich alle impfen lassen.

Mit Johannes Golla hat das DHB-Team nach dem Abschied von Gensheimer einen neuen Kapitän. Eine gute Wahl?

Kastening: In der jetzigen Kaderkonstellation ist er die ideale Besetzung. Obwohl er erst 24 Jahre alt ist, ist Johannes bereits sehr weit im Kopf. Er ist im Angriff und in der Abwehr absolute Weltklasse und verkörpert diese neue Art von Kapitän. Er ist kein Haudegen und kein Lautsprecher, versteht es aber sehr gut, im Hintergrund in ruhigen Gesprächen die Dinge zu managen.

Alfred Gislason
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Alfred Gislason

Kastening: "Gislason zeichnet ein guter Mix aus"

Gislason war früher ein harter Hund, im Laufe der Zeit ist er aber deutlich lockerer und milder geworden. Was beeindruckt Sie am Bundestrainer am meisten?

Kastening: Er hat alles erreicht, alles gewonnen und jede Situation schon mindestens dreimal erlebt. Er muss gar nicht laut sein, weil schlichtweg seine Aura dafür sorgt, dass man ihm zuhört. Alfred zeichnet ein guter Mix aus. Er weiß, wann der Ton mal etwas rauer werden muss, und spürt, wenn die Mannschaft eine Verschnaufpause benötigt.

Für Gislason war 2021 ein hartes Jahr. Er erhielt einen abscheulichen Drohbrief und vor allem musste er den Tod seiner Frau verkraften. Konntet Ihr ihn als Mannschaft in irgendeiner Form unterstützen?

Kastening: Ich habe es so wahrgenommen, dass es für Alfred ganz gut war, dass wir diese Themen von unserer Seite nicht ständig aufgemacht haben. Es ging eher darum, ihm einen normalen Alltag in seinem Job zu ermöglichen. Da haben wir uns alle sehr viel Mühe gegeben.

Corona wird leider auch bei der EM wieder eine große Rolle spielen. Wie gehen Sie mit dem Thema um?

Kastening: Es bleibt uns nichts anderes übrig, als die Situation so anzunehmen, wie sie ist. Ich persönlich versuche, mir darüber keinen Kopf mehr zu machen und mich darauf zu konzentrieren, was ich persönlich beeinflussen kann. Klar ist, dass keiner von uns in halbleeren oder ganz leeren Hallen spielen möchte.

Abschließende Frage: Ab wann wäre die EM für das DHB-Team ein Erfolg?

Kastening: Ich glaube nicht, dass es besonders clever wäre, mit einer konkreten Zielvorgabe um die Ecke zu kommen. Wenn, dann machen wir das intern. Entscheidend ist für mich, den Zuschauern zu zeigen, dass wir um jedes Tor und um jeden Punkt kämpfen. Alles andere kommt dann von alleine.

Handball-WM: Spielplan der deutschen Gruppe

DatumUhrzeitTeam 1Team 2
Fr., 14. Januar18 UhrDeutschlandBelarus
Fr., 14. Januar20.30 UhrÖsterreichPolen
So., 16. Januar18 UhrDeutschlandÖsterreich
So., 16. Januar20.30 UhrBelarusPolen
Di., 18. Januar18 UhrPolenDeutschland
Di., 18. Januar20.30 UhrBelarusÖsterreich
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