SPOX: Sie haben Ihre Karriere bei den Rhein-Neckar Löwen beendet - nach insgesamt 16 Jahren als Profi. Wie fühlt es sich an?
Roggisch: Ich beschäftige mich mit dem Gedanken ja schon ein paar Monate. Deshalb ist es nicht ganz so schwierig, wie man vielleicht denkt. Ich habe verstanden, dass es jetzt vorbei ist und freue mich nun auf die kommenden Aufgaben. Mir wird nicht langweilig, es muss sich also keiner Sorgen machen.
SPOX: Das Ende Ihrer letzten HBL-Saison hätte bitterer nicht sein können. Wegen zwei Törchen wurden nicht die Rhein-Neckar Löwen, sondern der THW Kiel Meister. Tut es immer noch weh?
Roggisch: Es gibt immer wieder Momente, in denen man darüber nachdenkt, weil man darauf angesprochen wird. So wie jetzt, danke dafür (lacht).
SPOX: Die Löwen hätten den Titel ebenso verdient gehabt wie der THW.
Roggisch: Das sagen viele Leute - und das stimmt ja auch. Aber im Handball kann es eben auch ums Torverhältnis gehen. Und da war Kiel halt um zwei Tore besser. Deshalb geht das in Ordnung. Trotzdem: Das Feedback, das wir für unsere Saison bekommen, ist unglaublich wertvoll. Es wird trotz des Endes anerkannt, dass wir eine super Saison gespielt haben. Irgendwann können wir uns vielleicht über den zweiten Platz freuen und denken nicht mehr darüber nach, dass wir den ersten Platz verspielt haben.
SPOX: Trotzdem musste in der Nacht nach dem Drama erstmal der Frust bewältigt werden. Sie und einige andere Spieler waren bis in die frühen Morgenstunden unterwegs. Hat der Alkohol geholfen?
Roggisch: Naja, es wurden schon ein paar Bier getrunken. Aber es ist doch normal, dass man nach so einem Tag nicht abends nach Hause gehen und ruhig schlafen kann. Es war rückblickend auch wichtig, als Mannschaft nach so einem Erlebnis etwas zu unternehmen. Das Team ist sehr gut damit umgegangen. Wir haben danach übrigens nur ein paar Stunden geschlafen - dann war mein Abschiedsspiel.
SPOX: Eine traurige Veranstaltung?
Roggisch: Gar nicht. Es war ein überragendes Abschiedsspiel in einer ausverkauften Halle, was mich sehr stolz macht. Jeder von uns durfte spüren, wie stolz die Fans auf uns als Mannschaft waren. Es war unglaublich zu sehen, dass auch ein zweiter Platz derart gefeiert werden kann. Das war für viele von uns Balsam auf die Seele.
SPOX: Sie durften in Ihrer Karriere glücklicherweise auch einige absolute Highlights erleben. Vermutlich steht der WM-Titel 2007 ganz oben, oder?
Roggisch: Sicherlich war die WM großartig und auch die Europapokalsiege. Aber ich habe als Kind nie davon geträumt, eine Weltmeisterschaft zu spielen. Mein Traum war eine Olympia-Teilnahme - und der hat sich erfüllt. Deshalb steht das sehr weit oben bei mir. Obwohl es sportlich nicht so toll war, war es ein Wahnsinnserlebnis. Mit der Mannschaft einzulaufen, die ganze Atmosphäre - grandios.
SPOX: Sie sind als Abwehrspezialist bekannt geworden und deshalb für viele ein reiner Zerstörer. Fühlen Sie sich mit dem Begriff Zerstörer in eine Schublade gesteckt oder macht es Sie ein stück weit stolz, sich den Ruf des harten Hundes erarbeitet zu haben?
Roggisch: Man muss einfach sehen, dass Abwehr im Handball nicht ganz unwichtig ist. Und wenn man dann Namen wie Zerstörer verpasst bekommt, heißt das ja, dass es für den Gegner unangenehm ist. So viel Aufmerksamkeit, wie ich als Abwehrspieler in der Vergangenheit bekommen habe, ist doch relativ selten. Das kommt nicht von ungefähr und deshalb kann man da schon stolz drauf sein. Und so ganz unfair und brutal war ich ja auch nie.
SPOX: Das wird so mancher Gegenspieler anders sehen.
Roggisch: Ach, nein. Klar habe ich immer hart gespielt. Aber wenn es um derart unsportliche Fouls ging, die in Richtung Rote Karte gingen, war ich selten dabei.
SPOX: Gibt es etwas, das Sie beim Rückblick auf Ihre Karriere bereuen?
Roggisch: 2002 mein Wechsel nach Essen war vielleicht nicht optimal, weil ich damals hinter Dimitri Torgovanov am Kreis die Nummer 2 war und im Angriff kaum noch zum Zug kam. Aber eigentlich war es ja auch wieder ganz gut für mich. So entwickelte ich mich als Abwehrspieler weiter. Wer weiß, ob ich überhaupt so weit gekommen wäre, wenn ich damals nicht das Hauptaugenmerk auf die Abwehr gelegt hätte. Unter dem Strich bin ich relativ zufrieden mit meiner Karriere.
SPOX: Und Sie sind wohl der einzige Nationalspieler, der jemals die Frechheit besaß, einen Bundestrainer ins Bett zu schicken.
Roggisch (lacht): Das war nach einem gewonnenen Qualifikationsspiel in Griechenland. Da saß ich nachts mit ein paar anderen Spielern auf dem Balkon und habe getrunken - womöglich ein bisschen zu viel. So um drei oder halb vier Uhr nachts fiel mir auf, dass ein Mann ganz seltsam vom Balkon gegenüber zu uns rüber sah. Ich erkannte ihn nicht, aber es war ihm wohl zu laut. Ich fühlte mich aber belästigt und forderte ihn auf, wieder ins Bett zu gehen. Das tat er dann auch. Am nächsten Morgen kam Heiner Brand zu mir und meinte ganz trocken, dass er noch nie von einem Spieler ins Bett geschickt worden sei. Erst in diesem Moment hat es bei mir Klick gemacht.
SPOX: Gab es Ärger?
Roggisch: Nein. Heiner hat es locker genommen.
SPOX: Kommen wir zu Ihrer persönlichen Zukunft. Vielleicht bleibt trotz zweier Jobs ein wenig mehr Zeit als bisher. Wovon träumen Sie?
Roggisch: Also ich vermute ehrlich gesagt, dass es weniger Zeit sein wird. Das ist übrigens nicht schlimm. Sofort in einen neuen Job einsteigen zu können, ist nämlich ein Privileg, das ich sehr zu schätzen weiß. Der Vorteil könnte sein - wobei ich mir auch da nicht ganz sicher bin - dass meine Freizeit ein wenig besser planbar sein könnte. Sollte das klappen, möchte ich einfach möglichst viel reisen. Zu Hause sitzen kann ich jedenfalls nicht, ich habe irgendwie Bienen im Arsch.
SPOX: Sie werden bei den Löwen in der Geschäftsstelle und Teilzeit als DHB-Teammanager arbeiten. Was werden Ihre Aufgaben sein?
Roggisch: Bei den Löwen ist es noch nicht so ganz klar, weil es einen Umbruch gibt. Geschäftsführer Thorsten Storm zieht es bekanntlich zum THW Kiel. Deshalb muss man sehen, ob es womöglich sogar ein bisschen mehr wird - mal abwarten. Mein Aufgabengebiet beim DHB wird es sein, alles um die Mannschaft herum zu organisieren. Außerdem soll ich das Bindeglied zwischen DHB-Vizepräsident Bob Hanning und der Mannschaft sein. Auch mit DHB-Präsident Bernhard Bauer werde ich in engem Kontakt stehen. Beide können nicht bei jedem Lehrgang dabei sein, das werde ich übernehmen. Ich werde auch weiterhin ganz engen Kontakt zu Martin Heuberger haben und bin ein kleiner Beobachter. Wenn ich beispielsweise Dinge im Training sehe, werde ich die ansprechen. Und die Organisation rund um die Spiele wird ebenfalls meine Aufgabe sein. Wie gesagt: Ich freue mich wirklich sehr drauf.
Seite 1: Roggisch über das Polen-Spiel und den Zustand des deutschen Handballs
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