Dribbelkönig Littbarski, Superstürmer Rummenigge, Elfmetermaschine Kaltz und die Führungsspieler Stielike und Breitner. Diese fünf waren gesetzt. Stielike hatte verschossen, die Franzosen Six und Bossis auch. As es darum ging, sich jetzt der Verantwortung zu stellen, waren die anderen nach hinten getrippelt. Er, Hrubesch, war stehen geblieben, ein Baum von einem Mann. Er war dran. 40 Meter bis zum Ball, ein Schuss und Deutschland stünde im Endspiel der WM 1982. Horst Hrubesch machte sich auf den Weg.
Von der sechsten Liga in deutsche Elf
Wie jedem anderen kleinen Burschen der 50/60er Jahre waren auch Horst Hrubesch die Nachwehen des Wunders von Bern in die Wertematrix eingeschrieben. Jeder noch so kleine Jugendturniersieg in Hamm und Umgebung umwehte die Aura von Herberger, Fritz Walter oder Uwe Seeler. Elf Freunde müsst ihr sein. Erst die mannschaftliche Geschlossenheit, dann der Erfolg. Mit 24 Jahren noch hatte Hrubesch beim SC Westtünnen in der 6.Liga gekickt. Dann der erste Profivertrag bei Rot-Weiß Essen, wo Willi Lippens anfangs glaubte, sein Name wäre Horst Rehbusch. Weiter ging's zum HSV, mit dem er Deutscher Meister wurde. Immer hatte der Mannschaftsgedanke für Hrubesch an erster Stelle gestanden. Mit 29 Jahren gab er als einer der ältesten Spieler aller Zeiten sein Debüt für Deutschland.
Im fünften Länderspiel hatte Hrubesch seine ersten beiden Tore erzielt. Im EM-Finale gegen Belgien. Andere hätten sich für diese Leistung abfeiern lassen, Werbeverträge abgeschlossen: "Wie ich Deutschland zum Titel köpfte". So etwas war Hrubesch fremd. Er hatte seinen Job als Torjäger erledigt und Punkt. Sein selbstverständlicher Beitrag zur Mannschaftsleistung, warum darum Aufhebens machen? Lange hatte Hrubesch geglaubt, alle anderen dächten genauso wie er. So lange, bis er Paul Breitner kennenlernte.
Breitner-Comeback im Zentrum
Die am Ende völlig verkorkste WM 1982 begann für Deutschland genau genommen bereits ein Jahr zuvor. Eine neue Generation um den überragenden Bernd Schuster war auf begeisternde Weise Europameister geworden. Die Gelegenheit für Paul Breitner, auf den fahrenden Zug aufzuspringen. Breitner hatte seit 1975 kein Länderspiel mehr bestritten, zeigte nun aber Interesse, bei der hochtalentierten Truppe mitzumachen. Selbstverständlich nicht mehr als Linksverteidiger sondern als Chef im Mittelfeld. In dieser Rolle hatte Breitner die Bayern zurück an die Spitze gebracht. Kapitän Rummenigge und die Boulevardzeitungen wusste Breitner auf seiner Seite - kein anderer Spieler lieferte so viele Schlagzeilen wie er. Und der führungsschwache Jupp Derwall würde gegen die öffentliche Meinung eh nichts unternehmen.
Eine Win-Win-Situation schien gegeben, ein tolles Team würde durch einen gestandenen Leader noch besser. Mit Offensive pur wollte Deutschland zum Titel stürmen. Im zweiten Länderspiel nach seinem Comeback im Mai 1981 gegen Brasilien sah das deutsche Mittelfeld wie folgt aus: Schuster-Breitner-Magath-Hansi Müller. Was für eine Power auf dem Weg nach vorne! Dummerweise beanspruchte jeder die Chefrolle, vor allem der alte Neue. Als es Elfmeter gab, schnappte sich Breitner das Leder. Und verschoss. Der Schiedsrichter ließ gnädigerweise den Elfer wiederholen. Wieder ließ Breitner keinen anderen ran und verschoss ein zweites Mal!
Deutschland verlor das Spiel mit 1:2. Ein starker Trainer hätte das Experiment Breitner nach dessen Egotrip vielleicht wieder beendet. Derwall war kein starker Trainer. Nicht Breitner, sondern Bernd Schuster wurde als Sündenbock auserkoren. Der musste nach einem Tritt von Andoni Goikoetxea verletzt miterleben, wie Breitner im Vorfeld der WM die öffentliche Meinung gegen ihn und seine Frau Gabi anheizte. Schuster - eh ein introvertierter Typ - reagierte trotzköpfig und geriet in die Isolation. In ihrer Karriere standen Schuster und Breitner exakt 135 Minuten gemeinsam auf dem Platz.
Der Plan Breitners ging auf. Wäre Schuster im Team geblieben, hätte Breitner für ihn arbeiten müssen, ganz einfach weil Schuster der bessere Fußballer war. So wurde Breitner unumstrittener Anführer und Vorzeigefigur. Für 150 000 DM ließ er sich vor der WM den Bart stutzen, um für ein Rasierwasser Werbung zu machen. Dann beeinflusste er tiefgreifend die Aufstellung. Zwölf Monate nach seinem Comeback bestand das Mittelfeld der Deutschen nicht mehr aus vier grandiosen Technikern. Nein: die biederen Handwerker Dremmler und Bernd Förster reichten dem Vorarbeiter Paul Breitner die Kelle.