SPOX: Herr Nielsen, wie sieht die Zukunft des Fußballs aus?
Michael Mio Nielsen: Wir sollten mit einer etwas leichteren Frage beginnen.
SPOX: Was unterscheidet das Ausbildungskonzept des FC Kopenhagen von dem anderer Klubs in Europa?
Nielsen: So groß dürften die Unterschiede nicht sein. Ich kenne natürlich nicht die Vorgaben in anderen Vereinen, aber im Prinzip wird sich das mit denen bei uns decken. Ich gehe davon aus, dass die meisten Vereine ihre Spieler ausbilden, um einen vernünftige Basis für den Seniorenbereich zu legen. Wir gehen vielleicht noch einen Tick weiter. Unser Ziel ist es, eigene Spieler so auszubilden, dass sie später als Profis beim FC Kopenhagen nicht nur Fußball spielen. Wenn wir sie ausbilden, pflanzen wir ihnen auch unsere DNA ein. Sie repräsentieren unsere Werte und Normen, weil sie das Produkt unserer Ausbildung und Erziehung sind. Dieses Wir-Gefühl ist kostbar, deshalb arbeiten wir jeden Tag an seinem Erhalt. Natürlich werden wir immer auch Spieler kaufen. Das Fundament der ersten Mannschaft soll aber immer aus unseren eigenen Spielern bestehen.
SPOX: Sie haben also nicht vor, für den "Markt" auszubilden, sondern in erster Linie noch für sich selbst?
Nielsen: Wir bilden unsere Jugendspieler aus, damit sie später einmal in unserer ersten Mannschaft auflaufen können. In unserem Trikot - nicht in einem anderen. Wir wollen grundsätzlich nicht verkaufen, wir "produzieren" nicht für den Markt. Wir bilden Spieler für unseren eigenen Bedarf an. Das war so und das wird hoffentlich auch so bleiben.
SPOX: Was ist die entscheidende Botschaft, die Sie an einen jungen Spieler haben?
Nielsen: Man benötigt Geduld! In den Medien wird gerne auf die Top-Spieler verwiesen, die mit 17, 18 oder 19 Jahren den Durchbruch im Profigeschäft schaffen. Aber Spieler wie Neymar oder Mario Götze sind absolute Ausnahmen. Das sind ein, zwei Spieler unter Tausenden, die alle denselben Traum träumen. Die entscheidende Message bleibt wie vor zehn oder 20 Jahren dieselbe: Selbst der teuerste Spieler setzt sich nicht durch, wenn er nicht gut genug ist. Was glauben Sie, wie oft Spieler bei mir auf der Matte stehen und auf einen Wechsel zu einem Klub ins Ausland drängen? Ich frage sie dann: ‚Zähl' mir doch mal alle Spieler unter 18 Jahren auf, die in einer der Top-Ligen in Europa regelmäßig zum Einsatz kamen.' Dann geht's los: Leo Messi, Christian Eriksson... Ende! Sie bekommen nicht einmal zehn Spieler zusammen, wollen mir aber erklären, dass sie das nächste große Ding sind.
SPOX: Ist das nicht verständlich bei einem Teenager?
Nielsen: Das mag aus seiner Sicht der Dinge nachvollziehbar sein. Aber ich bin dafür da, ihn wieder auf den Boden der Tatsachen zu holen - wenn das schon andere aus seinem engeren Umfeld nicht schaffen.
SPOX: Was ist so verwerflich daran, in jungen Jahren schon einen nächsten großen Schritt zu wagen?
Nielsen: Bei allem Respekt vor Klubs wie Twente, Heerenveen oder Hoffenheim, das sind tolle Vereine mit einer guten Jugendarbeit - aber warum sollte eines unserer Talente da hin wechseln? Hier können wir ihnen alles geben, was sie brauchen und ihnen eine realistische Perspektive aufzeigen. Keiner darf spielen, nur weil er jung ist! Die Qualität entscheidet. Und die muss man sich erst hart erarbeiten. Oder glauben Sie, dass ein Spieler wie Andres Iniesta in der ersten Mannschaft in Barcelona auch eine Chance bekommen hätte, wenn er nicht das entsprechende Format mitgebracht hätte?
SPOX: Eher nicht.
Nielsen: Ein Problem ist, dass viele nicht diesen ganzheitlichen Ansatz sehen. Oder sehen wollen. Es gibt Eltern, die enormen Druck machen. Für die ist eine tragende Rolle ihres Sohnes in einer Profimannschaft längst eingeplant. Aber das entspricht nicht der Realität. Es setzt sich heutzutage nicht mehr derjenige Spieler durch, der nur auf dem Rasen besser ist als die anderen. Der Job des Profis ist ein Full-Time-Job. Das muss man begreifen.
SPOX: In Deutschland gab es zuletzt eine heftige Diskussion darüber, ob die Profi-Klubs ihre Zweitvertretungen der U 23 am Spielbetrieb angemeldet lassen oder zurückziehen. Unter anderem hat auch ihr Champions-League-Gegner Bayer Leverkusen sein Team abgemeldet.
Nielsen: Das ist eine schwierige Entscheidung. Für den FC Kopenhagen käme so etwas aber nicht in Frage. Die Realität sieht doch so aus: In unserem Nachwuchssystem begleiten wir die Spieler bis zur U 19. Die meisten unserer Spieler sind aber erst mit 22 oder 23 Jahren fertig entwickelt. Ich habe vielleicht eine handvoll Spieler erlebt, die vorher voll ausgereift waren und ihren Durchbruch geschafft haben. Der große Rest war mit 17, 18 oder 19 noch längst nicht so weit, in einer Profi-Liga zu bestehen. Erst viel später hat es dann Klick gemacht. Wenn man ihnen dann die Chance nimmt, in der zweiten Reihe noch zu reifen oder nach einem missglückten Versuch einen zweiten oder dritten Anlauf zu nehmen, raubt man ihnen einige Chancen.
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