Im Interview erzählt Stegmann von Kommunikationsproblemen mit der Abstiegsmannschaft, einem Brezel-Trikot für Aaron Berzel, Schafkopfspielen und den schlimmen Zuständen der Buchbacher Kabinen. Beim VfR Garching traf er einen Zeugwart-Kollegen, der das Spiel seiner Mannschaft gegen 1860 im 1860-Trikot verfolgte.
SPOX: Herr Stegmann, wie haben Sie die Zeit nach dem Abpfiff des Relegationsrückspiels gegen den 1. FC Saarbrücken verbracht?
Norbert Stegmann: Zuerst habe ich mit den Jungs auf dem Platz gefeiert, aber dann musste ich den Kabinentrakt abschirmen, weil ein paar Fans hineindrängten. Anschließend ging ich mit meiner Frau in die Almhütte am Trainingsgelände. Dort haben wir so lange gefeiert, bis das Bier ausgegangen ist. Dann war ich zum Essen mit den Trainern und dem Funktionsteam beim Italiener und schließlich mit den ganzen Jungs im Hugo's. Um halb eins bin ich nach Hause gefahren. Da war ich einfach nur glücklich, aber wirklich begriffen habe ich es erst am nächsten Tag.
SPOX: War das Ihr schönstes Erlebnis mit 1860?
Stegmann: Mit der A-Jugend waren wir dreimal im Halbfinale der deutschen Meisterschaft, 2016 gewann wir vor knapp 15.000 Zuschauern im Signal Iduna Park gegen Borussia Dortmund, 2007 holten wir in Berlin den DFB-Junioren-Pokal. Das war alles super, aber dieser Aufstieg war das Beste.
SPOX: Sie sind bereits seit 1996 im Verein. Wie kam es damals dazu?
Stegmann: Ich bin hier aufgewachsen und war von klein auf ein Blauer durch und durch. Bis ich elf war, spielte ich sogar in der Schülermannschaft von 1860. 1996 kickte ich gerade hobbymäßig bei einem kleinen Verein in München. Mein damaliger Trainer machte ein Sommerpraktikum bei 1860 und dabei offenbar einen guten Eindruck. Im Winter beurlaubten die 1860-Verantwortlichen ihren B-Jugend-Trainer, erinnerten sich offenbar an ihn und fragten, ob er übernehmen will. Einen neuen Betreuer brauchte es auch und da hat er mich empfohlen. Für mich war das natürlich das Allergrößte: Ich war bei meinem Lieblingsklub angestellt! An meinem ersten Arbeitstag wurde ich mit den Vereinsklamotten eingekleidet. Das war gigantisch.
SPOX: Was waren fortan Ihre Aufgaben?
Stegmann: Neben meiner Tätigkeit als Zeugwart war ich als Ex-Keeper anfangs auch Torwart-Trainer der Jugendmannschaften. Aber mit der Zeit ist alles professioneller geworden und ich hatte nicht genügend Zeit, weil ich im Klub nur nebenberuflich tätig war.
SPOX: Trainer der Profimannschaft war zu dieser Zeit Werner Lorant, Präsident Karl-Heinz Wildmoser.
Stegmann: Damals gab es kaum einen Austausch zwischen der Jugendabteilung und der Profimannschaft, deshalb hatte ich mit ihnen nicht so viel zu tun. Eines war aber klar: Mit einem roten T-Shirt konntest du nicht aufs Trainingsgelände kommen. Sonst hätte dich der Präsidentpersönlich rausgeschickt und gesagt: "Jetzt ziehst du was anderes an, aber ganz schnell."
SPOX: Während Ihrer Zeit in der Jugendabteilung lernten Sie etliche spätere Bundesligaspieler kennen. Wen haben Sie besonders gut in Erinnerung?
Stegmann: Marcel Schäfer ist ein hundertprozentiges Vorbild und der beste Profi, den ich je kennenlernen durfte. Ich konnte ihn 50 Mal die Bälle holen lassen und er hat nie gemault. Die größtenfußballerischen Qualitäten besaß er nicht, aber durch seinen Willen und einwandfreien Charakter erarbeitete er sich trotzdem eine tolle Karriere. Ich habe noch Kontakt mit ihm, letztens kam er bei einem Hallenturnier aus heiterem Himmel zu mir und schenkte mir ein Trikot.
SPOX: Wer fällt Ihnen noch ein?
Stegmann: Daniel Baier absolvierte den Materialdienst immer perfekt und wenn sein Nachfolger die Arbeit nicht genauso gut machte, hat er ihn zusammengeschissen. Daniel ist ein Typ, auf den das Team hört. Auch Kevin Volland hatte alle Mannschaften, in denen er spielte, voll im Griff. Kevin ist ein super Kerl und kann seine Kollegen mitziehen - auch im privaten Bereich.
SPOX: Volland spielte sogar schon im deutschen Nationalteam, genau wie Julian Weigl. Wie haben Sie ihn kennengelernt?
Stegmann: Ich hätte niemals gedacht, dass Weigl Stammspieler bei Borussia Dortmund werden könnte. Sein großer Vorteil war Thomas Tuchel, der einfach auf ihn stand. Da hat er sich dann auch extrem entwickelt. Bei uns arbeitete Weigl schon auch für die Mannschaft, aber er wusste schon immer, dass er auch auf sich schauen muss.
SPOX: Ab Sommer spielt Weigl beim BVB mit Marius Wolf zusammen.
Stegmann: Marius ist ein lustiger Kerl, ein Schlitzohr, macht immer Gaudi und kann seine Kollegen mit jedem Blödsinn mitreißen. Manchmal war bei ihm deshalb auch ein bisschen der Schlendrian drinnen. Ich kenne ihn aber nur als Jugendlichen und da entwickelt man sich natürlich als Typ noch. Ein Nachwuchsspieler bei einem Profiverein hat so viel um die Ohren, dass er das irgendwann auch mal rauslassen muss.
SPOX: Einst arbeiteten Sie in der Jugendabteilung auch mit Timo Gebhart zusammen, der im vergangenen Sommer nach acht Jahren zu 1860 zurückkehrte.
Stegmann: Was er in der Jugend fabrizierte, war genial. Timo ist ein Riesentalent, aber leider hatte er großes Verletzungspech. Ansonsten hätte er es noch viel weiter bringen können.
SPOX: Seit 2016 sind Sie Zeugwart der ersten Mannschaft. Warum verließen Sie die Jugendabteilung?
Stegmann: Der damalige Zeugwart hörte auf und sein Nachfolger fragte mich, ob ich ihm helfen könnte. Da ich ohnehin kürzertreten und mehr Zeit für die Familie haben wollte, passte mir das ganz gut. Dann kündigte er aber auf einmal selbst und wer blieb übrig? Ich. Seitdem bin ich bei den Profis und bereue es überhaupt nicht, auch wenn dadurch die Arbeitszeit wieder deutlich länger wurde.
SPOX: Ihre erste Saison endete mit dem Abstieg aus der 2. Bundesliga.
Stegmann: Die Spieler waren alle sehr gut und hätten niemals absteigen dürfen, aber jeder schaute mehr auf sich als auf die Mannschaft. Unsere Spieler verstanden die 2. Bundesliga leider nicht, sie hätten auch mal dreckiger spielen müssen und den Fokus auf den Kampf legen.
SPOX: Welchen Eindruck gewannen Sie von Trainer Vitor Pereira?
Stegmann: Er ist ein wunderbarer Mensch, sehr fair und anständig. Ich hätte mich gerne mal ausführlich mit ihm unterhalten, aber das funktionierte wegen der Sprache leider nicht. Überhaupt wurde damals in der Kabine fast nur englisch oder portugiesisch geredet. Deshalb konnte ich mich mit vielen Spielern gar nicht austauschen.
SPOX: Wie erlebten Sie das Relegationsrückspiel gegen Jahn Regensburg?
Stegmann: Für mich war es sehr, sehr schlimm. Ich war einer derjenigen, die danach weinten.