Im Alter von 17 Jahren stand er zum ersten Mal im Bundesliga-Kader von Eintracht Frankfurt. Spielen durfte er nicht. Vier Jahre später absolvierte Waldschmidt zwar sein 50. Bundesligaspiel. Doch beispielhaft für seine bis dahin neun Startelf-Einsätze: Er wurde in der 89. Minute eingewechselt.
Es waren seine letzten Minuten im HSV-Trikot. Der Dino stieg ab. Waldschmidt wechselte zum SC Freiburg. Schon im Winter wollte er dorthin. "Der Sport-Club ist eine gute Adresse für junge Spieler. Dieses Umfeld möchte ich für mich optimal nutzen und sportlich den nächsten Schritt machen", sagte Waldschmidt.
Nach kurzer Eingewöhnungsphase wurde er unter Christian Streich zum Stammspieler. Er erhielt endlich jenes Vertrauen, das ihm in Hamburg oder Frankfurt nie entgegengebracht wurde. Dass es so kommen würde, darauf wies allein schon seine Ablösesumme hin. Fünf Millionen Euro bezahlte der SC für Waldschmidt. Das mag nach Peanuts klingen. Doch für das Team mit dem drittkleinsten Etat der Bundesliga sind fünf Millionen eine wegweisende Investition.
Luca Waldschmidt erklärt Probleme in Hamburg und Frankfurt
Eine Investition, die sich auszahlen sollte. Waldschmidt passte mit seiner Spielweise sofort in die Mannschaft. "Wir lassen die Kugel laufen, agieren variabel in der Offensive und mir werden mit dem Ball viele Freiheiten gelassen. Ich spüre eine Entwicklung bei mir", erklärte er im Interview mit SPOX und Goal.
Die Tatsache, regelmäßig von Beginn an spielen zu dürfen, verschaffte Waldschmidt Ruhe und Sicherheit. Aus Hamburg oder Frankfurt kannte er das nicht. "Ich war noch sehr jung. Wir haben oft gegen den Abstieg gespielt, das war nicht einfach", sagte er am Dienstag im Rahmen einer Medienrunde im DFB-Quartier.
Verletzungen und viele Trainerwechsel verhinderten Kontinuität in Waldschmidts Karriere. Vor Streich spielte er schon unter Thomas Schaaf, Armin Veh, Niko Kovac (alle Frankfurt), Bruno Labbadia, Bernd Hollerbach, Markus Gisdol und Christian Titz (alle HSV). Für einen jungen Spieler wie Waldschmidt war das Gift. "Ich war auch vom Kopf her noch nicht so weit", sagt der 23-Jährige heute.
Damit meint Waldschmidt in erster Linie die psychischen Anforderungen beim Übergang vom Jugend- in den Herrenbereich: "Wenn man aus der Jugend kommt, ist es nochmal eine Umstellung. Du musst dir erst deinen Platz erkämpfen. Das ist nicht so einfach, wenn du eine ganze Saison auf 110 Prozent läufst und es kaum einer bemerkt. Dann fällt es dir schwer, dich immer wieder hochzuziehen."
Luca Waldschmidt im Steckbrief
geboren | 19. Mai 1996 in Siegen |
Größe | 1,81 m |
Gewicht | 75 kg |
Position | Hängende Spitze, Mittelstürmer |
starker Fuß | links |
Stationen | SSV Frohnhausen Jgd., SSC Juno Burg Jgd., TSG Wieseck Jgd., Eintracht Frankfurt Jgd., Eintracht Frankfurt, Hamburger SV, SC Freiburg |
Bundesligaspiele/-tore | 80/11 |
Luca Waldschmidt beim DFB-Team in neuer Rolle
Dieses Problem verschwand mit seinem Wechsel ins Breisgau. In Freiburg ist die Bühne merklich kleiner als in Hamburg oder auch in Frankfurt. Hier geht man nicht in die Elbphilharmonie, sondern ins Wallgraben Theater. In Freiburg wird nach zwei verlorenen Spielern nicht am Trainer gerüttelt. "Es kommt von außen keine Unruhe auf, weil auch die Erwartungshaltung geringer ist", erklärte Waldschmidt im Interview mit SPOX und Goal.
Der mediale Druck beim HSV war hoch. Besonders nachdem Waldschmidt die Hanseaten im Abstiegskampf mit seinem ersten Bundesligatreffer am letzten Spieltag gegen Wolfsburg in der Saison 2016/17 vor der Relegation gerettet hatte. Als es dann nicht mehr so lief, gingen Schlagzeilen wie "Waldschmidt am Tiefpunkt seiner Karriere" durch die Hamburger Gazetten.
Dabei hatte seine Karriere dort noch nicht einmal richtig begonnen. Waldschmidt gab zu, auch mal ein, zwei Sicherheitspässe mehr gespielt zu haben. Nur ja keinen Fehler.
Eine Devise, die in Freiburg oder in der U21-Nationalmannschaft nicht nur nicht provoziert wird, sondern gar unerwünscht ist. Waldschmidt soll ins Risiko gehen, seinen Spielwitz und seine Variabilität einbringen. U21-Coach Stefan Kuntz spricht dabei gerne von der Bolzplatzkind-Mentalität.
Sowohl im DFB-Trikot als auch in Freiburg genießt Waldschmidt seine Freiheiten. Beim SC als hängende Spitze, beim DFB als Mittelstürmer. Beide Rollen interpretiert er ähnlich: "Ich falle immer wieder ein Stück weit ins Mittelfeld, um Bälle zu bekommen, mitzuspielen und Überzahl zu schaffen. So sind wir flexibler und nicht so einfach zu greifen." Seine Spielweise erinnert ein wenig an die von Max Kruse.
Luca Waldschmidt mit vielversprechendem EM-Auftakt
Für Waldschmidt gilt es, in der neuen Rolle als einzige Spitze die richtige Balance zu finden. Lässt er sich zu sehr fallen, fehlt er vorn. Beim 3:1-Auftaktsieg gegen Dänemark klappte das schon sehr gut. Waldschmidt bewegte sich gewohnt gut im Raum und agierte in Teilen als Spielmacher. Dennoch war er an neun der 20 Torschüsse des deutschen Teams direkt beteiligt.
Seine Leistung ging angesichts der Gala-Vorstellung von Augsburgs Marco Richter beinahe ein wenig unter. Waldschmidt bestätigte jedoch seine Top-Form der vergangenen Wochen. Bezieht man die Tests aus der EM-Vorbereitung mit ein, schoss Waldschmidt in seinen letzten fünf Spielen für die U21 acht Tore.
Mit einer Europameisterschaft kann das Wallgraben Theater ebenso wenig mithalten wie mit der Elbphilharmonie. Die Bühne ist groß und Waldschmidt überzeugt. Das steigert nicht nur seinen Marktwert, sondern auch das internationale Interesse.
Lazio-Gerüchte um Luca Waldschmidt
Nur wenige Stunden nach dem Spiel gegen Dänemark berichtete die Gazzetta dello Sport, dass Lazio-Trainer Simone Inzaghi ein großer Fan von Waldschmidt sei. Der hatte davon gar nichts mitbekommen. "Es bringt auch nichts, mir darüber den Kopf zu zerbrechen", sagte Waldschmidt.
Mit Fragen zu Gerüchten wird sich der Freiburger Shootingstar in Zukunft häufiger auseinandersetzen müssen. Leipzig und Gladbach haben wohl schon im Winter die Fühler nach Waldschmidt ausgestreckt.
Dessen Vertrag läuft zwar noch drei Jahre, doch irgendwann wird Waldschmidt den nächsten Schritt gehen wollen. Bis dahin genießt er die Ruhe im beschaulichen Freiburg mit seinem Wallgraben Theater.